Deutsch Perfekt - 13.2019

(Ann) #1

Foto: polaroidville/unsplash


Deutsch perfekt 13 / 2019 SEHENSWÜRDIGKEITEN 75

Der Fernseh-
turm am Ale-

xanderplatz ist


ein Symbol des
Sozialismus –

bis 1990.


staatlich
, von: Staat = Land;
Nation

das W„nderfalken-
pärchen, -
, zwei Exemplare von
speziellen großen Vögeln
mit sehr guten Augen: Sie
essen kleine Tiere.

die Höhe, -n
, von: hoch

das Ins¡kt, -en
, Exemplar von einer spe-
ziellen Gruppe von Tieren:
Sie sind meistens klein und
manche können fliegen.

f„ngen
, hier: ≈ totmachen und
essen

überlegen
, besser als etwas
anderes / jemand anderer

die Kugel, -n
, ≈ Ball

die Baugenehmigung, -en
, offizielle schriftliche
Erlaubnis zum Bauen

(bauen
, hier: konstruieren)

das Tragepodest, -e
, hier: Konstruktion
für Arbeiten in die Höhe:
Darauf kann man schwere
Konstruktionen bauen.

schließlich
, hier: am Ende

montieren
, hier: ≈ mit Werkzeugen
auf etwas machen, sodass
es stabil ist

der Edelstahl
, sehr hartes Eisen: Man
macht es in einem Produk-
tionsprozess hart.

(das Eisen
, schweres Metall;
Element Fe)

dafür s¶rgen, d„ss ...
, ≈ machen, dass ...

das Th¡rmofenster, -
, Fenster mit Isolation

die Aussichts platt-
form, -en
, (kleiner) Platz: Von dort
hat man einen guten Blick.

der 20. Jahrestag, -e
, hier: Seit diesem Tag
vor genau 20 Jahren gab es
die DDR.

einweihen
, hier: mit einer Zeremo-
nie offiziell öffnen

st¶lz
, hier: glücklich, dass man
eine schwere Aufgabe gut
gemacht hat

der F¢nkturm, ¿e
, sehr hoher Turm: Über
ihn werden Radio- und
Fernsehprogramme
gesendet.

(s¡nden
, hier: über elektromag-
netische Signale schicken)

das Kreuz, -e
, zwei kurze Linien: Eine
Linie ist horizontal, die
andere liegt in der Mitte
vertikal darüber. auch:
christliches Symbol

der Sp“tzname, -n
, hier: inoffizieller Name

der Sp„rgel, -
, Pflanze mit weißen oder
grünen langen Teilen: Man
isst sie als Gemüse.

das D¡nkmalstatus
, hier: ≈ Status: Zum Bei-
spiel ein Haus oder ein
Monument muss stehen
bleiben, weil es für den
Sozialismus wichtig ist.

„bgeben
, hier: verlieren

das Tor, -e
, breiter Eingang

stehen für
, hier: ≈ Symbol sein für

geeint
, hier: so, dass sie nicht
mehr zu zwei, sondern nur
noch zu einer Nation gehört

(gehören zu
, ≈ ein Teil sein von)

das Pfl“chtprogramm, -e
, hier: alle wichtigen
Sehenswürdigkeiten

s“ch ¢m 360 Grad drehen
, ≈ eine komplette Rotati-
on machen

D


en beiden Vögeln sind
Rekorde oder staatliche
Propaganda ziemlich egal.
Ein wichtiges Symbol des
Sozialismus? Der höchste
Turm im ganzen Land? Interessiert sie
nicht. Hier oben ist für sie der optimale
Sitzplatz. Also annektiert das Wander-
falkenpärchen im Jahr 1986 eine Seite
des Fernsehturms: Blick nach Südosten,
mit Vormittagssonne, in einer Höhe von
185 Metern. Von dort können die beiden
nämlich ohne Probleme kleinere Vögel
und Insekten fangen.
Das Regime der Deutschen Demokra-
tischen Republik (DDR) denkt bei der
Planung des Fernsehturms an vieles, aber
nicht an Wanderfalken. Es will der Welt
keine Vögel zeigen, sondern etwas ande-
res: Der Sozialismus ist überlegen.
Der Architekt Hermann Henselmann
plant die ersten Designs.
Seine Idee: Eine Kugel hoch
oben soll alle an sowjetische
Sputnik-Satelliten erinnern.
Aber am Anfang gibt es Cha-
os: Die Pläne funktionieren
nicht. Alles ist plötzlich teu-
rer. Und es fehlen wichtige
Dokumente. Zum Beispiel
die Baugenehmigung.
Die Arbeiten am Fundament begin-
nen am 4. August 1965. Etwas mehr als
ein Jahr später ist der Turm schon über
100 Meter hoch. Am 19. August 1967
beginnen in einer Höhe von 248,78 Me-
tern dann die Arbeiten am Tragepodest.
Schließlich montieren Spezialisten die
verschiedenen Segmente der Turmku-
gel. Als Material importiert die DDR
dafür Edelstahl aus Westdeutschland.
Auch andere Importe sorgen dafür, dass
der Fernsehturm für den sozialistischen
Staat immer teurer wird. So kommen
zum Beispiel die Thermofenster für das
Panoramarestaurant und die Aussichts-
plattform aus Belgien, die Aufzüge aus
Skandinavien. Aber über die schlechte
Bilanz will (und soll) natürlich offiziell
niemand sprechen.
Nach 53 Monaten Bauzeit ist der Turm
fertig. Und Walter Ulbricht kann das Ob-
jekt wenige Tage vor dem 20. Jahrestag

der DDR einweihen. Am 3. Oktober 1969
steht der Regierungschef zusammen mit
seiner Frau Lotte im Zentrum Ostberlins
und gibt das Startsignal für das zweite
staatliche Fernsehprogramm der DDR.
Stolz zeigt er der Welt den 365 Meter ho-
hen Teleturm. Er ist zu der Zeit der zweit-
höchste TV-Turm der Welt. Größer ist nur
der Moskauer Fernsehturm Ostankino
(537 Meter).
Nicht nur Ulbricht freut dabei: „Sein“
Turm am Alexanderplatz ist 215 Me-
ter höher als der Funkturm im Berliner
Westen. Was für ihn weniger toll ist: Bei
gutem Wetter reflektiert die Kugel das
Sonnenlicht – in der Form eines Kreuzes.
Schnell bekommt der Fernsehturm des-
halb den Spitznamen Sankt Walter. Die
Ostpropaganda reagiert. Die sozialisti-
sche Zeitung Neues Deutschland soll den
Namen Telespargel bekannt machen.
Aber das funktioniert nicht.
Trotzdem wird der Turm
zum Besuchermagneten –
und 1979 bekommt er von
der DDR den Denkmalstatus.
Genau 21 Jahre nach der
Einweihung ist das DDR-Re-
gime am 3. Oktober 1990 offi-
ziell am Ende. Auch der Fern-
sehturm gibt seinen Status
als Symbol für den Sozialismus ab. Wie
das Brandenburger Tor steht der Turm
repräsentativ für die geeinte Hauptstadt.
Die deutsche Telekommunikationsfirma
Telekom investiert in eine moderne Tech-
nik, Experten renovieren Teile des Turms.
Heute gehört der höchste Turm
Deutschlands für viele Berlin-Be-
sucher zum Pflichtprogramm. Vie-
le Touristen warten Stunden an den
Eintrittskassen, um dann in nur
40 Sekunden über 200 Meter mit dem
Aufzug nach oben zu fahren. Bei schö-
nem Wetter können die Gäste von der
Aussichtsplattform 70 Kilometer weit
sehen. Das Restaurant dreht sich einmal
pro Stunde um 360 Grad und garantiert
einen fantastischen Panoramablick. Auch
heiraten kann man auf Sankt Walter: In
203 Metern Höhe ist das höchste Standes-
amt Berlins. Das Lichtkreuz ist bis heute
inklusive. Claudia May
Free download pdf