Die Welt - 05.11.2019

(Brent) #1
Wo er buddelt, ist das Bodenleben
noch intakt. Der Europäische Maul-
wurf ist zum Tier des Jahres aus-
gewählt worden, 2020 wird er das
Reh ablösen. Die Deutsche Wildtier
Stiftung will damit auf die ökologi-
sche Funktion der geschützten Art
hinweisen. Maulwürde vertilgen
Schädlinge und vertreiben Mäuse –
die Gräber leiden aber im städti-
schen Raum unter der Versiegelung
der Böden.

Der Star aus dem Untergrund


G
ETTY IMAGES/500PX PLUS

/MIROSLAV HLAVKO

U


nerklärliche Todesfälle
und Patientengeschichten
haben Kathrin Yen bereits
fasziniert, als sie noch
nicht einmal für das Medi-
zinstudium eingeschrieben war. Seit
knapp 20 Jahren obduziert die Profes-
sorin von der Rechtsmedizin der Unikli-
nik Heidelberg nun Leichen und sucht
nach ihren Todesursachen. Am Telefon
erzählt sie, welchen Mythen sie im All-
tag immer wieder begegnet.

VON PIA HEINEMANN

WELT:Frau Yen, für Sie sind Tote et-
was völlig Normales – anders als für
die meisten anderen Menschen. Ern-
ten Sie irritierte Blicke, wenn Sie neu-
en Bekannten von ihrem Beruf erzäh-
len?
KATHRIN YEN:Nein, im Gegenteil. Die
Menschen haben ein sehr großes Inte-
resse am Thema Tod. Kürzlich habe ich
einen Vortrag zu Thema gehalten, es hat
mich selbst etwas überrascht, wie voll
der Hörsaal war. Der Tod ist heute ein
größeres Tabu als noch vor einigen
Jahrzehnten. Es wird nicht mehr in der
Familie gestorben, Alte und Kranke
werden in Kliniken und Pflegeheime ge-
bracht. Kaum jemand begleitet das Ster-
ben eines Angehörigen noch zuhause.
Das Sterben passt nicht in unsere Zeit,
in der Jugend, Makellosigkeit und Akti-
vität als Idealbild des Menschen gelten.
Aber umso mehr Fragen haben die Men-
schen zum Tod.

Zumal es ja auch beruhigend sein
kann, wenn man genau weiß, was
beim Sterben mit dem Körper pas-
siert. Was ist für Sie als Rechtsmedizi-
nerin der Tod?
Er ist auf jeden Fall nicht nur einfach
das Ende des Lebens. Der Tod ist in der
überwiegenden Zahl der Fälle ein flie-
ßender Übergang, ein Mensch ist nicht
von einem Moment auf den anderen tot.
Das passiert nur, wenn der Körper
plötzlich massiv verletzt wird. In der
Regel läuft das Sterben schleichend ab,
es ist, wenn man es rein biologisch be-
trachtet, ein mehr oder weniger lange
dauernder Prozess. Als Rechtsmedizi-
ner wollen wir jedoch oft herausfinden,
wann genau ein Mensch gestorben ist.
Dafür gibt es Methoden, die jedoch
nicht auf die Minute genau sind, wie es
in Krimis manchmal gezeigt wird. Dass
der Tod eingetreten ist, kann man an-
hand von drei typischen, „sicheren“ To-
desanzeichen erkennen.

Für Sie reicht es also nicht aus zu wis-
sen, dass ein Mensch nicht mehr at-
met und sein Herz zu schlagen aufge-
hört hat?
Nein. In diesem Fall könnte er ja, im
besten Falle erfolgreich, reanimiert
werden. Erst, wenn sichere Todeszei-
chen vorliegen – Leichenflecken, Lei-
chenstarre, der Eintritt von Fäulnis
oder auch andere klinische Zeichen des
Todes auftreten – ist der Tod unum-
kehrbar eingetreten. Leichenflecken
entstehen beispielsweise dadurch, dass
das Herz das Blut nicht mehr durch den
Körper pumpt, es dann sickert langsam

in das Gewebe. An den Stellen, die nach
unten gerichtet sind – wenn der Tote
beispielsweise auf dem Rücken liegt al-
so am Rücken, im Nacken, an den rück-
seitigen Armen und Beinen – werden
Leichenflecken sichtbar. Die Haut färbt
sich dort etwa 20 Minuten nach Eintritt
des Todes bläulich-rot.

Ein weiteres Todeszeichen ist die Lei-
chenstarre, vor der sich viele Men-
schen gruseln. Es passt einfach nicht
zu unserer Vorstellung eines Men-
schen, dass der Körper nicht weich
und warm ist, sondern kalt und starr
wie eine Puppe. Warum wird der Kör-
per steif?
Der Energieträger in den Muskelzellen,
das so genannte ATP, ist nach dem Tod
zunächst noch vorhanden. Sinkt die
Konzentration des ATP, so versteifen
die Muskelfasern, meist passiert das
nach etwa zwei Stunden. Nach einer ge-
wissen Zeit erschlaffen die Muskeln in
Folge von chemischen Abbauprozessen
wieder. Das ist ein biologischer Prozess,
der schneller abläuft, je wärmer es ist.
Für uns bedeutet das: Im Sommer lässt
die Leichenstarre schneller nach als im
Winter, wo sie unter bestimmten Bedin-
gungen Tage lang feststellbar sein kann.

Gibt es noch weitere Todesmerkma-
le?
Ja, nach dem Tod setzt früher oder spä-
ter die Fäulnis ein. Bakterien, die wir in
unserem Darm tragen, beginnen dann,
den Körper zu zersetzen. Das sieht man
meist zuerst an einer grünlichen Verfär-
bung am rechten Unterbauch, wo die
Darmwand besonders nah an der
Bauchwand liegt. Im Sommer kann das
bereits nach einem Tag sichtbar sein.

Im Fernsehen sieht man oft, dass den
Toten die Augenlider geschlossen
werden – passiert es oft, dass Men-
schen mit offenen Augen sterben?
Das kommt vor, früher hat man in die-
sen Fällen den Toten gelegentlich eine
Münze oder etwas Ähnliches auf die Au-
gen gelegt, damit sich die Lider schlie-
ßen. Viele Menschen sterben aber auch
mit geschlossenen Augen. Sie sehen
friedlich aus, wie schlafend, oft selbst

wenn sie durch einen Unfall oder durch
einen gewaltsamen Akt ums Leben ge-
kommen sind.

Wie erklären Sie sich das?
Zum einen erschlafft die gesamte Mus-
kulatur mit dem Tod und die Gesichts-
züge entspannen sich. Hirnforscher
konnten aber auch zeigen, dass das Ge-
hirn in den letzten Momenten, bevor es
seine Funktion einstellt, noch einmal
sehr aktiv ist. Es wird zum Beispiel Do-
pamin ausgeschüttet, das ist ein Boten-
stoff, der auch für Glücksgefühle zu-
ständig ist. Außerdem gibt es im Hippo-
campus eine erhöhte Aktivität. Das ist
die Hirnregion, die essenziell für die
Speicherung von Erinnerungen ist.

Das hört sich so an, als ob die Biologie
uns das Sterben erleichtert. Lassen
sich durch diese physiologischen Pro-
zesse auch Nahtoderfahrungen erklä-
ren? Menschen, die reanimiert wur-
den, berichten ja manchmal, sie hät-
ten ihr ganzes Leben noch einmal an
sich vorbeiziehen sehen...
Das könnte tatsächlich sein. Zumindest
scheinen viele Menschen ganz zum
Schluss positive Empfindungen zu ha-
ben. Nach dem Stand der Forschung
und natürlich abhängig vom todesur-
sächlichen Geschehen lässt sich auch
vermuten, dass viele Sterbende am En-
de keine Schmerzen mehr haben, sie
sind nicht mehr bei Bewusstsein und
bekommen vom Tod wahrscheinlich gar
nichts mehr mit.

Das Sterben selbst kann allerdings ein
sehr langer Prozess sein, oft ist er
qualvoll – wenngleich die moderne
Medizin gute Mittel hat, um Schmer-
zen zu lindern.
Gerade bei Menschen, die sehr alt oder
krank sind, ist das Sterben tatsächlich
ein Vorgang, der langwierig sein kann.
Die Organe versagen langsam. Die Le-
ber oder die Nieren arbeiten nicht mehr
richtig, das Herz pumpt nur noch
schwach, die Bauchspeicheldrüse funk-
tioniert nicht mehr gut. Ein Organ gibt
die Funktion auf, dann folgen die ande-
ren. Wenn das Hirn oder das Herz irre-
versibel aufgehört haben zu arbeiten,

sprechen wir in der Medizin vom Indivi-
dualtod. Danach setzt das intermediäre
Leben ein.

Was soll das sein?
Zugegeben, das ist eine etwas irrefüh-
rende Bezeichnung, der Mensch ist
dann bereits tot, man könnte ihn nicht
mehr ins Leben zurückführen. Medizi-
ner bezeichnen den Zustand des inter-
mediären Lebens als einen Zustand, in
dem der Organismus im Ganzen nicht
mehr lebt, einzelne Organe oder Gewe-
be aber durchaus noch funktionsfähig
sind. Diese Phase ist für die Transplan-
tationsmedizin sehr wichtig. Ärzte hal-
ten, wenn ein Organspendeausweis vor-
liegt, den Kreislauf des Verstorbenen
dann mit künstlichen Maßnahmen sta-
bil. Nur so können sie die Organe für
potenzielle Organ-Empfänger retten.
Das intermediäre Leben kann einige
Stunden andauern, vor allem Hornhaut
und Knorpelgewebe sind auch ohne
Sauerstoff sehr lange lebensfähig. Wenn
aber das letzte Organ, die letzte Zelle
tot sind, dann sprechen Mediziner vom
biologischen Tod.

Eine Krankenschwester hat mir er-
zählt, sie habe das Gefühl, die Toten
bekämen kurz nachdem ihr Hirn und
Herz die Funktion eingestellt hätten,
doch noch etwas mit. Sie würden es
merken, wenn man sie streichelt und
mit ihnen spricht. Ist das Esoterik?
Ich würde nicht ausschließen, dass es
noch bis zum Schluss unbewusste Reak-
tionen gibt – allerdings setzen diese ei-
nen lebenden Organismus voraus. Nach
dem unwiderruflichen Eintritt des To-
des, äußerlich erkennbar am Auftreten
der ersten sicheren Todeszeichen, kann
ich mir nicht mehr vorstellen, dass man
noch etwas mitbekommt.

Stimmt es, dass die Fingernägel nach
dem Tod weiterwachsen?
Nein. Dass die Fingernägel von Toten
häufig länger aussehen als bei Lebenden
hängt damit zusammen, dass sich bei
bestimmten Umgebungsbedingungen
die austrocknende Haut zurückzieht.
Ein rein optischer Effekt. Ein weiterer
Irrglaube ist, dass die Toten noch seuf-
zen können. Tatsächlich kann es passie-
ren, dass aus der Lunge Luft entweicht,

wenn der Leichnam bewegt wird. Aber
das ist ein rein passiver Prozess.

Was ist mit Leichengift?
Leichengift gibt es definitiv nicht. Ich
kann Ihnen versichern: Leichen sind
nicht giftig. Natürlich sollte man nicht
in blutende Wunden greifen. Aber Lei-
chen sind im Grunde weniger infektiös
als Lebende. Sie niesen und husten
nicht und können also Viren oder Bak-
terien nicht aktiv verbreiten. Niemand
sollte Angst davor haben, seine toten
Angehörigen zu berühren.

Haben sich die Gründe für das Ster-
ben in den vergangenen Jahrzehnten
in Deutschland verändert?
Eigentlich nicht. Noch immer sind
Herz- und Lungenerkrankungen die
Haupttodesursachen. Noch immer ster-
ben pro Jahr rund 4000 Menschen
durch - vermeidbare - Verkehrsunfälle,
die auf überhöhter Geschwindigkeit,
nicht angepasstem Verkehrsverhalten
und Alkohol basieren. Die Zahl der Ar-
beitsunfälle hat abgenommen, das liegt
am besseren Arbeitsschutz. Verändert
hat sich aber die Art der Fragestellun-
gen, die wir in der Rechtsmedizin prü-
fen sollen. Früher wurde zum Beispiel
nach einem Unfall gefragt, wie und wo-
ran der Tote gestorben ist. Heute wird
immer häufiger auch gefragt, ob der
Notarzt noch etwas hätte tun können.

Man glaubt also, der Arzt hätte viel-
leicht nicht gut genug gearbeitet?
Der Verdacht steht heute jedenfalls
schneller im Raum als früher, und das
ist meist unbegründet. Die Aufträge, bei
denen es um die Klärung möglicher Be-
handlungsfehler geht, haben stark zuge-
nommen, nicht aber die tatsächlich
nachgewiesenen Behandlungsfehler.
Die moderne Medizin führt auch dazu,
dass Menschen gerettet werden kön-
nen, die ihre Verletzungen oder Krank-
heiten früher nicht überlebt hätten.
Dass man wirklich weiß, woran die
Menschen sterben, ist für die Statistik
und die daraus zu ziehenden Schlussfol-
gerungen – auch im Hinblick auf Vor-
sorgemaßnahmen und die medizinische
Versorgung – enorm relevant.

Aber jeder Tote wird in Deutschland
doch von einem Arzt begutachtet, oh-
ne einen Totenschein kommt nie-
mand unter die Erde ...
Stimmt, aber die Leichenschau wird
viel zu häufig nicht fachgerecht durch-
geführt. Jeder Arzt, ob Internist oder
AAAugenarzt, muss, wenn er angerufenugenarzt, muss, wenn er angerufen
wird, einen Toten begutachten. Aber
leider sind viele Kollegen dazu nicht
ausreichend qualifiziert, sie haben kei-
ne Erfahrung darin, beispielsweise An-
griffe gegen den Hals zu identifizieren.
AAAuch kleine Einblutungen in den Au-uch kleine Einblutungen in den Au-
gen, die beim Ersticken auftreten, wer-
den häufig übersehen. Ich glaube, dass
Morde, aber auch zahlreiche Unfälle
und Suizide in Deutschland nicht rich-
tig erkannt werden – mit allen daraus
entstehenden Konsequenzen. Eine Un-
fffallversicherung bezahlt zum Beispielallversicherung bezahlt zum Beispiel
nur, wenn ein Unfall auch korrekt be-
scheinigt wurde.

Glücksgefühle


kkkurz vorm urz vorm


Was passiert, wenn ein Mensch stirbt?


Eine Rechtsmediziniren erklärt die


genauen Abläufe – und wie die Biologie


den Übergang erleichtert


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DIE WELT DIENSTAG,5.NOVEMBER2019 SEITE 20

WISSEN


WISSENSCHAFTSREDAKTION: TELEFON: 030 – 2591 719 50|E-MAIL: [email protected]|INTERNET: WELT.DE/WISSENSCHAFT

VOYAGER 2

An der Grenze des
Sonnensystems

Messungen der Raumsonde „Voya-
ger 2“ zeigen eine erstaunlich schar-
fe Grenze des Innenraums unseres
Sonnensystems. Die Sonde hatte
vor einem Jahr die Heliosphäre
verlassen und war in den inter-
stellaren Raum eingetaucht. Im
Fachblatt „Nature Astronomy“ prä-
sentieren fünf Forscherteams jetzt
die Auswertung der Messdaten.
Unsere Sonne bläst einen kontinu-
ierlichen Teilchenstrom ins All.
Dieser heiße Sonnenwind hat eine
große Blase im interstellaren Gas
ausgehöhlt, die Heliosphäre. Sie
endet dort, wo der Druck des dün-
nen, heißen Sonnenwinds dem des
dichteren und kühleren lokalen
interstellaren Mediums gleicht. Die
Schwerkraft der Sonne reicht noch
viel weiter, sodass auch im inter-
stellaren Raum noch ferne Asteroi-
den und Kometen unseres Systems
kreisen. „Voyager 2“ hat die Grenze
der Heliosphäre in etwa 119 Astrono-
mischen Einheiten passiert. Eine
Astronomische Einheit ist die Ent-
fernung der Erde von der Sonne.

VOR 39.000 JAHREN

Krallenkult der
Neandertaler

Neandertaler nutzten einer Studie
zufolge über Zehntausende Jahre
hinweg die Krallen großer Greifvö-
gel als Ornamente. Deren Gebrauch
sei vor allem in Südeuropa üblich
gewesen, berichtet ein Forscher-
team im Fachblatt „Science Ad-
vances“. Die Wissenschaftler stellen
ein rund drei Zentimeter langes
Zehenglied eines Adlers vor (Foto),
das in der Karsthöhle Cova Forada-
da in der katalanischen Provinz
Tarragona gefunden wurde. Es ist
etwa 39.000 Jahre alt und stammt
somit aus der Spätphase der Nean-
dertaler, kurz bevor diese Men-
schenart ausstarb. Das Besondere
an dem Knochen, der vermutlich

vom linken Fuß eines Kaiseradlers
stammt: Er weist zwölf etwa vier
Millimeter lange, teils tiefe Kerben
auf. Diese wurden nach Ansicht der
Forscher absichtlich hineingetrie-
ben – möglicherweise beim Versuch,
die Kralle abzuschneiden. Aufgrund
anderer Funde gehen die Autoren
davon aus, dass die Frühmenschen
solche Vogelteile über einen Zeit-
raum von gut 80.000 Jahren nutz-
ten.

ZUGVÖGEL

Klimawandel zu
schnell für Evolution

Der Zug zwischen Winter- und
Sommerquartieren könnte für ei-
nige Vogelarten mit dem Klimawan-
del deutliche Nachteile bringen.
„Der Klimawandel hat Auswirkun-
gen auf die Verhältnisse im Brut-
gebiet, auf den Raststationen im
Durchzugsgebiet und im Winter-
quartier“, sagt Lars Lachmann von
der Naturschutzorganisation Nabu.
„Der Klimawandel beschleunigt sich
mit all seinen Symptomen zu
schnell, als dass eine evolutionäre
Anpassung mithalten könnte“, heißt
es vom Nabu. Bei den Bestands-
trends in Deutschland vorkom-
mender Vogelarten sieht es dem
Nabu zufolge bei Zugvogelarten
schlechter aus als bei nicht ziehen-
den Arten. Dabei müsse allerdings
berücksichtigt werden, dass die
meisten Zugvogelarten Insekten-
fresser sind – denen es angesichts
des Insektenschwundes ohnehin
besonders schlecht gehe.

KOMPAKT


ANTONIO RODRÍGUEZ-HIDALGO

Professorin Kathrin Yen,51, ist
Ärztliche Direktorin am Institut
für Rechtsmedizin und Verkehrs-
medizin der Uniklinik Heidelberg.
Ihr Vater richtete als Bibliothekar
in Vorarlberg eine wissenschaftli-
che Bibliothek ein. Durch Zufall,
sagt Yen, habe sie sich als Kind in
der Zeitschrift „Archiv für Krimi-
nologie“ festgelesen – ihr Interes-
se war geweckt.

Zur
UNIKLINIK HEIDELBERG Person

ENDE


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