Die Welt - 05.11.2019

(Brent) #1

W


er ein Unternehmen
gründet, unter-
nimmt diesen Kraft-
akt häufig mit einem
oder mehreren Mit-
streitern. Wie aber funktioniert dieses
Spiel, wenn der Mitgründer auch der
Lebensgefährte ist? Wenn man nicht
nur die Business-Idee und das Büro,
sondern auch Tisch und Bett und wo-
möglich auch Kinder miteinander teilt?
Wenn, kurz gesagt, aus einem Paar auch
Partner werden?

Anna und Ran Yona haben sich vor
fast fünf Jahren kopfüber in das Entre-
preneur-Dasein gestürzt. Damals waren
sie gerade mit zwei kleinen Kindern und
einem Baby aus Israel nach Deutschland
gezogen, ins Oberbergische Land. „Un-
sere Kinder haben in ihren ersten Le-
bensjahren in Israel praktisch nie Schu-
he getragen, als wir dann in das kalte
Deutschland kamen, haben wir für un-
sere Barfuß-Kinder vergeblich nach be-
quemen Schuhen gesucht“, erzählt An-
na Yona. Aus dem Bedarf wurde eine
Geschäftsidee: Kinderschuhe mit anato-
mischer Passform, welche den Füßen
genügend Raum bieten und einer wei-
chen Sohle, die dem Träger zumindest
annähernd das Gefühl vermittelt wie
beim Laufen ohne Schuhe.
„Für uns war früh klar, dass wir hier
ein Unternehmen gründen wollten“,
sagt Anna Yona. Sie selbst habe früher
verschiedene Anläufe gemacht, in Un-
ternehmen zu arbeiten: „Aber das hat
einfach nicht gepasst“. Ihr Ehemann
Ran, seines Zeichens Sporttherapeut,
Trainer und passionierter Barfußläufer,
hatte in Israel ein eigenes Fitness-Stu-
dio. Auch für ihn war ein Angestellten-
Dasein in Deutschland keine echte Op-
tion. Zu dem Wunsch nach Eigenstän-
digkeit kamen ganz praktische Erwä-
gungen: „Mein Mann spricht kaum
Deutsch und ich war mit einem Still-
kind darauf angewiesen, von zu Hause
aus zu arbeiten.“
Anna und Ran Yona setzten alles auf
eine Karte, als sie gemeinsam „Wild-
ling“ gründeten. Sie investierten ihre
Zeit und Ideen, die Ersparnisse flossen
in das Unternehmen, dazu kam Geld
aus Crowdfunding, mit dem sie den
Start finanzierten.
Das Konzept für die Barfuß-Schuhe
funktionierte auf Anhieb – heute hat
„Wildling“ 120 Mitarbeiter. Die weitaus
meisten davon sind Frauen, fast alle ar-
beiten im Homeoffice. In diesem Jahr,
so kalkuliert Anna Yona, werden vo-
raussichtlich rund 140.000 Paar Schuhe
über den eigenen Online-Shop verkauft.
Die meisten davon sind allerdings nicht
für Kinder gemacht. „Wir bekamen
schon ganz früh die Bitte von unseren
Kunden, doch auch Barfuß-Schuhe in
Erwachsenen-Größen zu produzieren.“
Die Größenskala reicht heute bis Größe


  1. Kunden kommen nicht nur aus dem
    deutschsprachigen Raum, auch in den
    USA leben inzwischen viele Wildling-
    Läufer.
    Anna und Ran Yona pflegen eine
    strikte Aufgabenteilung. „Mein Mann
    ist der Visionär, er entwickelt neue Ide-
    en und Produkte“, sagt Anna Yona. Au-
    ßerdem ist er der Familienmanager, der
    sich um Kindergarten, Schule und Co
    kümmert. Sie selbst hat sich von Anfang
    an auf die geschäftliche Seite fokussiert,
    mit Banken und Geldgebern verhandelt
    und die Außendarstellung für das Un-
    ternehmen übernommen. Anna Yona ist
    viel unterwegs, um „Wildling“ weiter
    voranzutreiben, sie ist das Gesicht des
    Unternehmens.
    Um trotz des großen Zeit- und Ar-
    beitsaufwandes, den das Unternehmer-
    dasein mit sich bringt, als Familie und
    auch als Paar zu funktionieren, so be-
    tont die 41-Jährige, sei es wichtig, sich
    Freiräume zu schaffen. „Man muss auf-
    passen und eine Menge Disziplin auf-
    bringen, um zu Hause nicht immer von
    der Arbeit zu sprechen. Es ist wichtig,
    eine Grenze zwischen Privatem und Be-
    ruflichem zu ziehen – auch wenn das
    natürlich nicht immer funktioniert.“
    Wie viele Unternehmen in Deutsch-
    land von Paaren gegründet werden,
    weiß niemand. Keine Statistik erfasst
    diese Information. Auch wissenschaftli-
    che Erkenntnisse zu dem Thema sind
    rar. Jörn Block, Professor für Unterneh-
    mensführung und Sprecher der For-
    schungsstelle Mittelstand an der Uni-
    versität Trier beschäftigt sich mit der
    Rolle der sogenannten „mithelfenden
    Familienangehörigen“ in Familienun-
    ternehmen. Das sind typischerweise
    Frauen, die im familieneigenen Hand-
    werksbetrieb, im Kleinunternehmen
    oder der Arztpraxis des Ehemannes
    Verwaltungsaufgaben übernehmen.
    „Umfragen belegen, dass in dieser Rolle
    üblicherweise weniger verdient wird als
    bei einem Fremdunternehmen, gleich-
    zeitig aber die Zufriedenheit mit der Ar-
    beit insgesamt höher ist.“ Bei gründen-
    den Paaren sieht der Mittelstandsexper-


te eine ganze Reihe potenzieller
Schwierigkeiten, die sich durch die
Doppelrolle ergeben. „Eine Unterneh-
mensgründung ist immer ein Risiko. Ar-
beiten beide Partner Vollzeit für das
Start-up und die Sache geht schief, ist
das komplette Familieneinkommen
weg.“ Auch rechtlich sieht er einige Fal-
len: „Wenn sich privat etwas ändert, al-
so beispielsweise eine Trennung oder
Scheidung erfolgt – was passiert dann
mit dem gemeinsamen Unternehmen?“
Wichtig sei es, solche Fragen vertraglich
zu regeln. Auch andere Aspekte sollten
von Anfang an bei Gründern eindeutig
definiert sein, egal ob sie sich in einer
„romantischen Beziehung“ befinden
oder einfach so miteinander ein Unter-
nehmen starten: „Die Eigentumsanteile
an dem Unternehmen müssen klar sein,
die Rollenverteilung und auch die Ziel-
richtung.“ Einen klar definierten Start-
punkt, zu dem solche Vereinbarungen
passend gewesen wären, hat es bei Be-
nedikt und Claudia Sauter nie gegeben.
Die Gründer und Eigentümer des Soft-
ware-Unternehmens Xentral ERP aus
Augsburg sind eher zufällig in diese
Branche gerutscht. „Neben dem Studi-
um haben wir einen Versandhandel für
Computer-Hardware betrieben“, be-
richtet Claudia Sauter. Daheim im
Wohnzimmer packten sie die Pakete,
orderten Nachschub und schrieben
Rechnungen. Als das Geschäft immer
umfangreicher wurde, entwickelte der
Informatiker Benedikt Sauter ein eige-
nes Warenwirtschaftssystem. Wie gut
die Software funktioniert, sprach sich
schnell herum – und wurde zum Ver-
kaufsschlager. Mit inzwischen 35 Mitar-
beitern hat sich daraus eine komplexe
Firmensoftware entwickelt für Start-
ups wie für etablierte Unternehmen, die
externe und interne Prozesse von der

Online-Bestellung bis zur Auslieferung,
vom Einkauf bis zur Buchhaltung ab-
deckt.
Sogar Deutschlands wohl prominen-
tester Investor Frank Thelen bekam
Wind davon, 2018 machte der „TV-Lö-
we“ den Sauters ein Angebot für eine
Beteiligung. „Zweimal hat er versucht,
mit uns Kontakt aufzunehmen, doch
wir hatten einfach keine Zeit, um uns
darum zu kümmern“, berichten beide
schmunzelnd im Rückblick. Doch The-
len ließ nicht locker – der Investor
konnte schließlich mit Geld und einem
umfangreichen Netzwerk bei den bei-
den Augsburgern doch noch zum Zug
kommen.
Eine klare Aufgabenteilung ist einer
der Schlüssel für die funktionierende
Zusammenarbeit: Benedikt Sauter ist
für die Kommunikation zuständig, die
Mathematikerin Claudia für Strategie
und Finanzen. „Wir kennen und respek-
tieren die Stärken, kennen aber auch die
Schwächen des anderen“, sagt Benedikt
Sauter. „Deswegen können wir uns auch
gegenseitig härter die Meinung sagen
als Außenstehenden.“ Unbedingtes Ver-
trauen und ein gemeinsames Ziel sind
weitere Voraussetzungen, um jahrelang
Heim und Arbeitsplatz miteinander zu
teilen.
Eine wichtige Funktion hat der
Heimweg: „Wir gehen gemeinsam nach
Hause und wenn wir dann die Tür auf-
schließen, lassen wir die Arbeit drau-
ßen.“ Ihre Devise ist klar: Man sollte ge-
schäftliche Themen und Probleme nicht
mit nach Hause nehmen – und umge-
kehrt. Claudia und Benedikt Sauter sind
zufrieden mit ihrer Paar-Partnerschaft:
„Wir gehen jeden Morgen gerne und mit
einem guten Gefühl ins Büro. Und wie
gehen auch gerne am Abend zusammen
nach Hause.“

Privat ein Paar,


beruflich


PARTNER


Die Gründung eines Unternehmens mit


dem Lebenspartner ist eine riskante Sache.


Wenn es gelingt, Geschäft und Privates


zu trennen, kann das Doppelleben gelingen


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05.11.19 Dienstag, 5. November 2019


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DIE WELT DIENSTAG,5.NOVEMBER2019 MITTELSTAND 3


Unter Partnerschaftlichkeit verstehen wir,


dass man jede Mission gemeinsam zum


Erfolg führt.


Kennen Sie Michael Collins? Die wenigsten tun das. Er hat als Pilot der
Apollo-11-Kapsel Buzz Aldrin und Neil Armstrong 1969 zur ersten
Mondlandung geflogen – und wieder zurück. Für uns ist Collins eine
Inspiration. Denn als Spitzeninstitut der rund 850 Genossenschaftsbanken
in Deutschland glauben wir an den Erfolg von Partnerschaften, bei
denen jeder sich in den Dienst einer großen Sache stellt, damit das
gemeinsame Ziel sicher erreicht wird. Mehr über Partnerschaftlichkeit
erfahren Sie unter: dzbank.de/wirziel

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CHRISTINA PETRICK-LÖHR

Anna und Ran Yona jonglieren
nicht nur erfolgreich mit Schuhen.
Das Paar schafft es auch noch,
drei Kinder und 120 Mitarbeiter
gemeinsam zu managen

SARAH PABST

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