Süddeutsche Zeitung - 08.11.2019

(lily) #1
interview: karoline meta beisel,
matthias kolb und
alexander mühlauer

D


er November ist schon eine Woche
alt, eigentlich sollte Jean-Claude
Juncker seit dem 31. Oktober im
Ruhestand sein. Stattdessen ist er weiter in
Brüssel, weil der Start seiner Nachfolgerin
Ursula von der Leyen sich verzögert. Im-
merhin: So bleibt Zeit für ein Gespräch
über seine fünf Jahre als Präsident der EU-
Kommission.


SZ: Herr Präsident, junge Europäer ken-
nen Helmut Kohl nur aus dem Geschichts-
buch, und halten die Freiheiten, die die EU
mit sich bringt, für selbstverständlich.
Liegt darin eine Gefahr für Europa?
Jean-Claude Juncker: Ich glaube nicht.
Wenn wir klug sind, konfrontieren wir
auch jüngere Menschen mit diesem ewi-
gen europäischen Dilemma: Krieg oder


Frieden. Ich mache das, selbst wenn das Pu-
blikum sehr jung ist, und ich merke, das
trifft die Herzen junger Menschen. Verges-
sen ist zwar immer eine Gefahr. Aber ich
glaube, dass die Erinnerung, an das, was
mal war, bleibt, auch wenn man es nur aus
Geschichtsbüchern kennt.


Heute geht die Jugend nicht gegen den
Krieg auf die Straße, sondern für das Kli-
ma. Warum haben Sie das nicht schon vor
fünf Jahren zu Ihrer Priorität gemacht?
Ich habe als junger Mensch dauernd de-
monstriert. Gegen den Vietnamkrieg, ge-
gen die Militärdiktatur in Chile, Spanien,
Portugal. Die jungen Leute jetzt demons-
trieren, weil sie das Gefühl haben, es ginge
ihnen an den Pelz, das kann ich nachvollzie-
hen. Mich freut, dass junge Menschen wie-
der auf die Straße gehen, das haben sie
zwei, drei Jahrzehnte nicht mehr gemacht.
Und dass sich ihr Unbill gegen den Klima-
wandel richtet, finde ich gut. Ich halte zwar
nicht alle Forderungen für realitätsdurch-
tränkt, aber demonstrieren ist besser als
schweigen.
Sie haben unsere Frage ...
... noch nicht beantwortet, ich weiß. Wenn
Sie das Programm nachlesen, das wir als
Kommission im Oktober 2014 vorgelegt ha-
ben, finden Sie darin nicht nur Spurenele-
mente der Klimaauseinandersetzung. Das
war schon immer eine unserer Prioritäten.
Bevor ich hier anfing, gab es etwa dieses
Ansinnen nicht, dass Europa bis 2050
klimaneutral sein soll.


Ein gutes Beispiel für die Blockade in der
EU: Die Staats- und Regierungschefs wer-
den sich nicht einig. Deshalb ist das Klima-
ziel für 2050 noch nicht formell beschlos-
sen, sondern steht nur in einer Fußnote.
Die Fußnote ist deshalb entstanden, weil
drei, vier Regierungen sich mit dem Ziel
noch nicht einverstanden erklären kön-
nen. Aber die zuständigen Minister sind
mit der Sachlage befasst und setzen sich
zielorientiert damit auseinander.


Ist die EU mit 28, bald wohl 27 Mitglied-
staaten überhaupt noch handlungsfähig?
Ich habe 147 Europäische Räte durchlebt
und durchlitten, und fast 600 Ministerrä-
te. Ich glaube nicht, dass die Zahl der Mit-
gliedstaaten ursächlich ist, dass wir in eini-
gen Feldern nicht weiterkommen.


Sondern?
Das liegt an der Widersprüchlichkeit der
nationalen Biografien. Seit wir die EU nach
Ost- und Mitteleuropa ausgeweitet haben,
treffen wir auf größere kulturelle Unter-
schiede, als ich dachte. Wir wussten von
diesen Ländern ja relativ wenig, und die
auch wenig von uns. Der Vorhang war wirk-
lich aus Eisen, und man hat die Stangen
nicht umbiegen können. Dass der Rechts-
staat in Bedrängnis gerät, dass wir in der
Migrationsfrage keine schlüsselfertigen
Lösungen anbieten können, hat auch mit
diesen kulturellen Unterschieden zu tun.


Woran machen Sie diese fest?
Es gab in Ostdeutschland zum Beispiel
nicht viele Ausländer. In Luxemburg gibt
es 49 Prozent Ausländer, darum kann man
dort niemandem Angst vor Zuwanderung
machen. Wenn man aber nur zwei, drei Pro-
zent Ausländer hat und sagt: In zehn Jah-
ren sind es 20 Prozent, schürt das Angst.

Wie löst man diese Widersprüche?
Wer Kommissionspräsident ist, braucht
große Ohren. Man darf andere nicht be-
schimpfen, man muss immer auf den euro-
päischen Grundkonsens hinweisen, also
den Rechtsstaat, die Menschenrechte, den
offenen Kontinent. Das ist das Bohren
dicker gewordenen Bretter.

Hätten Sie gedacht, dass Sie an diese
Grundpfeiler der EU noch einmal so stark
würden erinnern müssen?
Nein. Ich habe zwar im Gefühl gehabt, dass
sich diese Fragen neu stellen würden, eben
aufgrund dieser unterschiedlichen natio-
nalen Biografien. Aber dass dieser Streit
sich fast zu einer Massenschlacht auswach-
sen würde, hätte ich nicht gedacht.
Hätte man das früher spüren können,
etwa in Ungarn und Polen?
Das ist ein Phänomen der letzten sechs, sie-
ben Jahre. Da hat man gespürt, dass es eini-
gen zu heiß in der Küche wird. Weil sie sich
an Normen halten müssen, die sie bei sich
zu Hause nicht mit Stringenz zur Anwen-
dung bringen. Aber dafür ist Europa ja da.

Was hat aus Ihrer Sicht Europa in dieser
Zeit mehr gespalten: die deutsche Hal-
tung in der Griechenlandkrise oder die
deutsche Haltung in der Flüchtlingskrise?
Weder noch. Ich fand in der Euro-Krise im-
mer, dass die Bundesregierung im Abseits
stand, aber sie stand da ja nicht alleine.
Und wenn viele im Abseits stehen, dann än-
dert sich das Spiel. Deutschland hat am

Schluss nicht gerne eingelenkt, aber mitge-
wirkt, dass Griechenland Teil der Euro-Zo-
ne blieb. In der Flüchtlingsfrage dagegen
gab es in der Bundesrepublik selbst mehr
Ärger als sonstwo in Europa. Frau Merkel
hat die Grenzen ja nicht geöffnet, sondern
nicht geschlossen. Insofern habe ich sie im-
mer unterstützt, weil ich das richtig fand,
was sie gemacht hat.

Sie haben in Ihrer Zeit viele deutsch-fran-
zösische Duos aus Kanzlern und Staatsprä-
sidenten miterleben dürfen. Welches hat
Ihnen am besten gefallen?
Mir ist immer aufgefallen, dass sich keiner
von beiden jemals in der Sprache des ande-
ren unterhalten konnte. Die französischen
Präsidenten reden Französisch, die deut-

schen Kanzler reden Deutsch. Das hatte
Vorteile, denn ich habe manchmal überset-
zen müssen, aber mit meiner aufs Ziel ori-
entierten Übersetzung. Ich habe dieses
deutsch-französische Zusammenwirken
als sehr intensiv erlebt. Es hat allerdings
nie hundertprozentig geklappt.
Woran denken Sie zum Beispiel?
Chirac und Schröder etwa hatten anfangs
eine echt schlechte Beziehung. Erst am En-
de der Amtszeit der beiden wurde daraus
eine späte Liebe. Kohl hatte Europa im
Bauch, er konnte es aber auch rationalisie-
ren. Er hat, was man nicht vermuten wür-
de, deutsche Interessen knallhart zu vertre-
ten gewusst. Und die Franzosen sowieso.
Schröder dagegen hatte Europa zuerst nur
im Kopf. Später rutschte Europa auch ihm
immer tiefer in den Bauch. Aber unabhän-
gig von den Personen trugen beide Länder
immer ihre gesamteuropäische Verantwor-
tung. Die wussten: Wenn wir uns nicht zu-
sammenraufen, geht das Ganze schief.

Wo hat denn Angela Merkel Europa: im
Kopf oder im Bauch?
In beiden, aber ich kann das geografisch
nicht klar zuordnen. Sie ist ja Naturwissen-
schaftlerin, sie denkt die Dinge vom Ende
her und braucht deswegen etwas länger
Zeit, um die sich anbahnenden Probleme
für sie erklärbar darzulegen. Das war aber
nicht zum Schlechten für Europa. Denn
wer die richtigen Fragen stellt, hat immer
den Vorteil des Fragestellers, auch wenn er

keine endgültigen Antworten hat. Und sie
hat an vielen Antworten mitgefeilt.
In Deutschland stellt sich die Frage nach
der Zukunft der großen Koalition. Wäre
es gut für Europa, wenn Merkel noch eine
Weile Bundeskanzlerin wäre?
Ich habe diese Frage nicht zu beantworten.
Aber es stimmt nicht, dass Angela Merkel
in Europa Einfluss verliert. Diese deutsche
Thematik ist fast eine Provinzposse, wenn
ich mich so ausdrücken darf. Da sagt je-
mand „Ich höre auf“, und dann wird das als
Schwäche ausgelegt. Ich halte das für Stär-
ke. Ich habe auch vor zwei Jahren gesagt,
dass ich aufhöre. Ich wollte klarmachen,
dass ich keine neue Amtszeit anstrebe,
denn wenn man das tut, ist man in den Fän-
gen der Regierungschefs. Da denkt jeder,
er dürfe jetzt dieses oder jenes verlangen.
Als Kommissionspräsident ist man zur
Hälfte seiner Arbeitszeit ein Neinsager.

Es gibt ein Feld, das Sie als Kommissions-
präsident selbst bespielen dürfen: die
Handelspolitik. Die geriet in Ihrer Amts-
zeit vor allem wegen US-Präsident Donald
Trump in den Fokus. Er hat Sie mal einen
„brutalen Killer“ genannt.
Mehrfach.
Wie haben Sie sich dieses Kompliment ver-
dient?
Weil ich ihm widersprochen habe. Nicht ag-
gressiv – man muss Regierungschefs im-
mer respektieren, die sind gewählt und ver-
treten ein Land. Ich habe ein gutes Verhält-

nis zu Trump, das haben wenige. Ich kann
mit ihm, nicht immer, aber wenn es drauf
ankommt, dann schon. Und meinem Ein-
druck nach kann Trump besser mit jeman-
dem, der sagt, was er denkt, als mit diesen
Schlawinern, die sich drei Mal vor der ame-
rikanischen Flagge verneigen ohne Grund.

Nächste Woche läuft die Frist für mögli-
che Autozölle in den USA ab. Rechnen Sie
damit, dass Trump Zölle auf europäische
Autos verhängt?
Er wird es nicht machen. Sie reden mit
einem vollinformierten Mann. Trump
wird ein bisschen rummäkeln, aber es wird
keine Automobilzölle geben.

Ist Boris Johnson eigentlich auch ein
Schlawiner?
Wie gesagt, man muss Regierungschefs
respektieren.
Sie haben Johnson den Gefallen getan,
das Brexit-Abkommen doch noch einmal
aufzuschnüren.
Habe ich ihm einen Gefallen getan oder
haben wir uns einen Gefallen getan? Die
Gefahr war groß, dass es zu einem harten
Brexit kommt. So ein Chaos wäre weder im
Interesse der Briten noch der EU.

Sie bereuen es, sich vor dem Brexit-Refe-
rendum nicht zu Wort gemeldet zu haben.
Was hätten Sie denn ändern können?
Der damalige britische Premier David Ca-
meron hatte mich gebeten, mich nicht ein-
zumischen. Ich habe das immer für einen
Fehler gehalten. Hätte ich diese Lügen, die
in Großbritannien massiv verbreitet wur-
den, so kontern können, dass es was be-
wirkt hätte? Ich weiß es nicht.

Nun hätten Sie ja noch mal die Gelegen-
heit, es stehen Neuwahlen an...
Ich mische mich nicht in Wahlen ein, und
so wie ich das einschätzen kann, gibt es
kein zweites Referendum.

Werden die Briten jemals den EU-Aus-
gang finden?
Sie tasten sich an dieses Ausgangstor her-
an und merken, dass es schmaler ist, als sie
dachten, und dahinter kommt ein langer
Flur. Johnson sagt immer, wir sollten uns
in einem dunklen Tunnel einsperren und
so lange reden, bis wir wieder das Licht se-
hen. Ich bin gegen Tunnel, wenn ich nicht
weiß, ob am Ende nicht ein Kopfbahnhof
kommt. Das wird eine schwierige Phase
der europäischen Politikgestaltung.

Kommenden Montag werden Sie wegen
eines Aneurysmas operiert. Warum muss
man das überhaupt öffentlich machen –
ist das nicht Ihre Privatsache?
Doch. Das ist schlimm, aber wer ein öffent-
liches Leben hat, hat ein öffentliches Le-
ben. Also: besser mitteilen als wegducken.
Viele haben sich über Ihren Gesundheits-
zustand das Maul zerrissen. Was macht
das mit einem?
Am Anfang hat mich das sehr geärgert,
und meine Familie noch mehr. Irgend-
wann habe ich aber beschlossen: Jetzt ist
mir das egal. Seitdem hat das aufgehört.
Bereits als ich Kommissionspräsident wur-
de, hatte ich ein dickes Fell. Seitdem ist es
noch dicker geworden.

Wie oft haben Sie sich gefragt: Warum tue
ich mir das alles an?
Ach, wissen Sie, von mir werden schät-
zungsweise 200 Fotos am Tag gemacht.
Gestern kam ich aus dem Hotel, wo ich in
Brüssel Quartier bezogen habe, plötzlich
stehen 50 Kosovaren vor der Tür. Und die
hätten gerne jeder ein Selfie. Mach ich
dann auch. Weil ich mir sage: Europa hat
keinen so guten Ruf. Wenn ich jetzt hochnä-
sig auf die Leute zugehen würde, Platz da,
Blaulicht und so weiter. Wie würde das wir-
ken? Also mache ich Selfies. Die sind mir
auch lieber, als dass ich mich anspucken
lasse. Das passiert auch, aber meistens
erwischt das den Bodyguard.

„Wer Kommissionspräsident ist,


braucht große Ohren“


Die kulturellen Unterschiede in Europa sind gravierender, als er gedacht hatte, sagt Jean-Claude Juncker.


Er spürt das im Streit um Rechtsstaat und Flüchtlinge. Donald Trump kann er durchaus Positives abgewinnen


„Trump wird ein bisschen
rummäkeln, aber es wird
keine Automobilzölle geben.“

Die Antwort auf die Frage, ob Ursula von
der Leyen Post von Boris Johnson bekom-
men hat, war einsilbig kurz: „No.“ Nein, sag-
te Eric Mamer, der neue Sprecher der künf-
tigen EU-Kommissarin, am Donnerstag-
mittag. Mamer hat sein Amt an diesem
Montag angetreten, und eigentlich hätte
gleichzeitig auch seine Chefin ihre Arbeit
als Präsidentin der Europäischen Kommis-
sion aufnehmen sollen. Daraus wurde
nichts, weil Ungarn, Frankreich und Rumä-
nien nach einem Veto des EU-Parlaments
neue Kandidaten vorschlagen mussten.
Und da bis auf Weiteres zumindest Groß-
britannien Mitglied der EU bleibt, hat von
der Leyen auch Premier Boris Johnson auf-
gefordert, einen Kandidaten für die künfti-
ge Kommission vorzuschlagen. Oder bes-
ser noch: eine Kandidatin. Denn nachdem
das Parlament zwei Frauen und einen
Mann abgelehnt hat, und aus Frankreich
mit Thierry Breton nun ein Mann eine Frau
ersetzt, wird es für Ursula von der Leyen
nicht nur mit dem Starttermin Anfang De-
zember knapp, sondern auch mit der ange-
peilten Geschlechterparität.


Immerhin: Aus Rumänien kann von der
Leyen wieder eine Kandidatin präsentie-
ren. Nachdem das rumänische Parlament
am Montag die Übergangsregierung des
Christdemokraten Ludovic Orban bestä-
tigt hatte und damit die in Brüssel aufmerk-
sam verfolgte Hängepartie beendet war,
ging es schnell. Der neue Premier schlug
Ursula von der Leyen zwei Kandidaten vor,
die beide für die Christdemokraten im Eu-
ropaparlament sitzen. Am Mittwoch traten

beide bei von der Leyen zum Vorstellungs-
gespräch an, die dann sehr schnell ent-
schied, was in Brüssel jeder erwartet hatte:
Die 51-jährige Adina-Ioana Vălean soll sich
künftig um das Ressort Transport küm-
mern, dem im Kampf gegen die Klimakri-
se eine zentrale Stellung zukommt. Sollte
sie den zuständigen Ausschuss des EU-Par-
laments überzeugen, wäre sie inklusive

von der Leyen selbst die zwölfte Frau im
27-köpfigen Kollegium.
Vălean gehört dem EU-Parlament seit
dem Beitritt ihres Heimatlandes 2007 an
und hat momentan den Vorsitz des Energie-
und Industrieausschusses inne. Dass sie
auch Vizepräsidentin des Parlaments war,
zeigt, dass sie fraktionsübergreifenden Re-
spekt genießt. Als Plus gilt außerdem, dass
Vălean, wie eine Sprecherin betont, sich
auch mit neuen Antriebstechniken für Au-
tos und vernetztem Fahren beschäftigt hat
und sich mit Budget-Fragen auskennt.
Dass die frühere Mathematiklehrerin
als Favoritin galt, lag auch daran, dass we-
der Frankreichs Präsident Emmanuel Ma-
cron noch der andere Premierminister Or-
bán, der ungarische Viktor, Kandidatinnen
präsentiert hatten. Thierry Breton soll
künftig für Binnenmarkt, Digitalisierung
und Verteidigung zuständig sein, während
der ungarische Karrierediplomat Olivér
Várhelyi das Erweiterungsportfolio über-
nehmen soll. Dass ausgerechnet jemand
aus Ungarn, dem Land, gegen das das Euro-
paparlament ein Artikel-7-Rechtsstaats-

verfahren durchgesetzt hat, nun den Län-
dern auf dem Westbalkan oder der Ukrai-
ne die Wichtigkeit von Korruptionsbe-
kämpfung und unabhängigen Gerichten
vermitteln soll, halten Experten sowie Grü-

ne und Liberale für fragwürdig. Die Anhö-
rung im Auswärtigen Ausschuss dürfte hit-
zig werden, denn Várhelyi ist als bisheriger
EU-Botschafter in Brüssel gut bekannt. Er
gilt als hochintelligent, eher unnahbar –
und absolut loyal zu Viktor Orbán.
Alle drei Ersatzkandidaten müssen sich
am kommenden Dienstag einer Prüfung
auf etwaige Interessenskonflikte durch
den Rechtsausschuss unterziehen. Wenn
die Abgeordneten dort keine Einwände an-
melden, könnten noch in der kommenden
Woche auch die Anhörungen der zuständi-
gen Fachausschüsse stattfinden. Im Aus-
wärtigen Ausschuss scheint man zuver-
sichtlich zu sein, dass bei dem Ungarn alles
glattgeht, und hat den kommenden Don-
nerstagmorgen im Kalender für eine Anhö-
rung blockiert.
Als letzten Schritt muss dann das Ple-
num des Europaparlaments die gesamte
Kommission bestätigen. Laut vorläufiger
Tagesordnung könnte das am 27. Novem-
ber in Straßburg geschehen – und damit ge-
rade noch rechtzeitig für einen Start der
neuen Kommission am 1. Dezember.

Bleibt die Frage, was passiert, wenn Bo-
ris Johnson keinen Kommissar vorschla-
gen will. Zwar fehlten auch Junckers Kom-
mission zuletzt zwei Kommissare, nach-
dem die Vertreter aus Estland und Rumäni-
en mit der Europawahl im Mai als Abgeord-
nete ins Europäische Parlament gewech-
selt waren. Aber es ist etwas anderes, kei-
nen Ersatz zu ernennen, als bei einer neu-
en Kommission von vorneherein ein Mit-
gliedsland auszusparen. Darum stecken in
Brüssel die Juristen schon ihre Nasen in
die Gesetzbücher. Aber wer sollte in Groß-
britannien gerade überhaupt diese Ent-
scheidung treffen?
Der jetzige britische Kommissar Julian
King jedenfalls könnte sich offenbar vor-
stellen, einfach noch eine Weile in Brüssel
zu bleiben. In der vergangenen Woche pos-
tete er bei Twitter ein Foto von sich, la-
chend mit dem griechischen Kommissar
bei einem Innenministertreffen in Mün-
chen: „Letzter Auftritt mit meinem Kom-
missarskollegen Avramopoulos (wahr-
scheinlich).“ karoline meta beisel,
matthias kolb

„Mich freut, dass
junge Menschen wieder
auf die Straße gehen.“

„So wie ich das einschätzen
kann,gibt es
kein zweites Referendum.“

Interview mit Jean-Claude JunckerErwar Premierminister, Chef der Euro-Gruppe und ist immer noch Präsident der EU-Kommission.


Man könnte die Ämterliste des Luxemburgers noch eine ganze Weile fortsetzen. Nun tritt Jean-Claude Juncker ab.


In der Union aus noch 28 Mitgliedstaaten geht es bei vielen Themen nicht voran – dafür hat er eine ungewöhnliche Erklärung


Mann, Frau, Mann


Warum die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gleich amAnfang ihrer Amtszeit eine Zusage nicht einhalten kann


Adina-Ioana Vălean soll Kommissarin
für Transport werden. FOTO: TWITTER

„Hätte ich diese Lügen, die in Großbritannien massiv verbreitet wurden, so kontern können, dass es was bewirkt hätte?“, fragt Jean-Claude Juncker. FOTO: S. LECOCQ / EPA

Die neue Kommission soll am



  1. Dezember anfangen –
    wenn das Parlament zustimmt


2 HF2 (^) THEMA DES TAGES Freitag, 8. November 2019, Nr. 258 DEFGH

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