Handelsblatt - 08.11.2019

(Barré) #1

8 SPEZIALIMMOBILIEN


Sonderveröffentlichung zum Thema „IMMOBILIENWIRTSCHAFT“ | November 2019 HandelsblattJournal


von Jan-Hendrik Jessen


D

ie Gesellschaft wird älter – das ist nicht
erst seit gestern bekannt. Die meisten
Menschen wollen möglichst lang selbst­
ständig in ihren eigenen vier Wänden
leben. Bei diesem Wunsch spielt – etwa
neben der Barrierefreiheit, sozialen Kontakten und
auch digitalen Assistenzsystemen – der Quartiersge­
danke eine entscheidende Rolle. Dabei geht es darum,
Angebote zu installieren, die den Verbleib in der bis­
herigen Wohnung möglichst lange ermöglichen – dazu
zählt mitunter auch die ambulante Plegemöglichkeit.
Angesichts der demographischen Entwicklung müs­
sen wir den Fokus aber zusätzlich auf (teil­)stationäre
Plegeimmobilien legen. Die Immobilienwirtschaft ist
ein entscheidendes Puzzleteil, um die hiermit verbun­
denen Herausforderungen zu meistern.


Brennpunkt baulicher Plegenotstand
Seit mehreren Jahren steht beim Zentralen Immobi­
lien Ausschuss (ZIA), dem Spitzenverband der Immo­
bilienwirtschaft, eine Nutzungsklasse auf der Agenda,
bei der die Politik in der Vergangenheit oftmals die
falschen Akzente gesetzt hat. Das Thema Plege stand
in den letzten Jahren zwar durchaus auf der bundes­
politischen Agenda, doch fanden Immobilien in die­
sem Zusammenhang keine Berücksichtigung. Wie bei
der Konzertierten Aktion Plege (KAP) ging es zuvor­
derst um Personalthemen – dabei ist der bauliche Ple­
genotstand ein Aspekt, der mindestens genauso wich­
tig ist. Aufgrund der Alterung der Gesellschaft ist bis
2030 mit deutlich über vier Millionen Plegebedürf­
tigen zu rechnen. Bis 2030 wird die Zahl der benö­
tigten Plegeplätze in der vollstationären Dauerplege

je nach Projektionsvariante auf zwischen 157.000 und
293.000 steigen. Zur Deckung dieser Nachfrage sind
voraussichtlich weitere 30 Milliarden Euro an Neu­
Investitionen nötig und zur Substanzerhaltung bereits
bestehender Einrichtungen weitere rund 40 Milliar­
den Euro. Ohne privates Kapital wird dies nicht zu
bewältigen sein. Ohne private Investoren aus dem In­
und Ausland werden wir es schlichtweg nicht schaf­
fen, auf den wachsenden Bedarf an bezahlbaren
Plege plätzen in Deutschland zu reagieren.
Beides – die Beseitigung des baulichen Plegenot­
stands und die Förderung des Älterwerdens im Quar­
tier – muss Hand in Hand gehen und gehört zu den
großen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben unserer
Zeit, bei der die Immobilienwirtschaft eine tragende
Rolle spielt.

Ambulant und stationär:


Pflege in Deutschland


braucht ein neues Leitprinzip

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