Egal, ob Pflanzen darüber wuchern, die
Sonne drauf brennt, Wellen dagegen
schwappen oder Schnee darauf gefriert –
Beton hält eine Menge aus. Trotzdem bil-
den sich irgendwann winzige Risse,
durch die Feuchtigkeit eindringt. Doof,
denn dann rosten die im Beton verbau-
ten Stahlstäbe. Friert das Wasser, kön-
nen zudem einzelne Teile abplatzen. Des-
halb müssen Brücken und Tunnel auf-
wendig saniert werden. Könnten das die
Bauwerke in Zukunft nicht selbst hinkrie-
gen? Dazu schleusen Forscher Bakterien
und Hefe in den Beton. Ist der einmal
hart, schlafen die Bakterien ein. Sie kön-
nen Jahrzehnte ohne Luft und Nahrung
überleben und wachen erst auf, wenn
durch Risse Luft eindringt. Dann futtern
sie die Hefe auf und kacken danach Kalk.
Kalk ist der perfekte Kitt für Beton – und
zack, ist der Riss repariert.
Beton ist künstlicher Fels. Und ein rich-
tiger Star. Nur Trinkwasser ist weltweit
noch mehr gefragt. Sand und Kiesel wer-
den mit Zement verklebt, um Beton zu
bekommen. Die Vorteile: Das geht
schnell, ist billig und in jeder Form zu
haben – schließlich mischt man ihn mit
Wasser an und kann ihn so in Formen
gießen. Aber Beton wird langsam
knapp, vor allem der Sand. Für das
höchste Gebäude der Welt etwa, den
Burj Khalifa in Dubai, wurde der Sand
extra aus Australien gebracht. Wüsten-
sand, der in Dubai vor der Haustür liegt,
ist für Beton nämlich ungeeignet: zu
glatt. Beim Aushärten bildet der Ze-
ment lange Kristalle, die die Steine mit-
einander verkleben. Das Stärkste: Die
Kristalle wachsen – wenn auch langsa-
mer – immer weiter. Beton wird mit
den Jahren also immer härter.
Auf die Mauer zu malen, war verboten.
Die Menschen im Westen hielten sich
aber nicht daran, sondern rückten ihr
mit Farbe zu Leibe. Um ihre Wut zu zei-
gen, schrieben sie Parolen wie „Nieder
mit der Mauer!“ oder „Schandfleck“ auf
den Beton. Manche hinterließen auch
kleine Botschaften, denn die Mauer hat-
te viele Freunde und Familien getrennt.
So wurde sie für eine Weile zu einer Art
Wandzeitung für Gedanken und Gefüh-
le. Erst später kamen großflächige
Kunstwerke dazu, nach dem Mauerfall
wurde es dann auf beiden Seiten bunt:
Künstler aus 21 Ländern bemalten ei-
nen 1,3 Kilometer langen Abschnitt der
Mauer, der heute als East Side Gallery
bekannt ist, unter Denkmalschutz steht
und als längste Leinwand der Welt gilt.
Graues Gold
Wenn man nicht ausgerechnet
Mauern daraus baut, ist Beton
ein echter Wunderstoff.
Über den härtesten Star der Welt
von georg cadeggianini und nina himmer
illustrationen von stephan dybus
Schon mal Betoneis probiert? Das sieht ge-
nauso aus wie echter Beton, schmeckt aber
viel besser, nach Vanille nämlich. Dass
selbst Eisdielen knallgraue Sorten im Sorti-
ment haben, zeigt: Beton ist gerade beliebt.
Längst wird er nicht mehr hinter Fassaden
versteckt, mit Farbe übermalt oder mit
Holz verkleidet. Stattdessen gelten blanke
Betonwände in der Küche, im Bad oder
dem Wohnzimmer als schick. Sichtbeton
nennt man das, weil es zum Anschauen da
ist. Auch Waschbecken (die schnell mal so
viel wiegen wie ein Pony), Tischplatten,
Stühle oder Betten aus Beton kann sich ins
Haus holen, wer einen stabilen Boden hat.
Wer es kleiner mag: Aus Bastelbeton kann
man vieles selbst herstellen, Blumenvasen
oder Buchstützen sind schnell gemacht.
Ein älterer Bruder kann brutal sein. Dann boxt er, verkeilt die Tür oder nimmt einen in
den Schwitzkasten. Auch Architektur kann das. Das Material dieser Brutalität ist oft Be-
ton: grau und grob, kalt und klotzig. Etwas, woran man sich die Knie aufschlägt. Zubeto-
nierte Häuserzeilen sind das, Plattenbauten mit Kellergefühl – egal, in welchem Stock-
werk man sich befindet. Vor allem zwischen 1960 und 1980 wurde so gebaut, im Stil des
architektonischen Schwitzkastens. Heute nennt man diesen Stil Brutalismus.
Die Berliner Mauer war 155 Kilometer
lang, 3,60 Meter hoch und bis zu 20 Zen-
timeter dick. Damit sie nicht einfach
umfällt, hatten die Mauerstücke eine be-
sondere Form: Wie ein T, bloß auf den
Kopf gestellt. Die Arme des Ts waren zu
jeder Seite noch mal bis zu 1,50 Meter
breit. So eine Mauer kann nicht umfal-
len. Und um sie zu durchschlagen,
reicht nicht mal ein Rekordboxer. Des-
sen rechter Haken, etwa von Wladimir
Klitschko, hat so viel Druck, wie wenn
eine Kuh auf einer Dose Ravioli stehen
würde. Lächerlich für die Berliner Mau-
er. Um sie zu durchschlagen, hätte man
einen rund 40-mal stärkeren Boxer ge-
braucht. Um Mauern zum Fallen zu brin-
gen, benutzt man deswegen auch keine
Boxer, sondern spezielle Bohrer oder
Sägen mit Diamantbeschichtung.
Beton ist sauhart. Das weiß jeder, der schon
mal mit dem Kopf dagegen gestoßen ist.
Aber wie hart genau? Man unterscheidet
Druck- und Zugfestigkeit. Übertragen be-
deutet das: Welche Kraft hält man aus, wenn
einen jemand drückt, etwa gegen den
Bauch? Und welche hält man aus, wenn je-
mand an einem zieht, etwa an beiden Ar-
men? Beton ist beim Drücken richtig fest.
Beim Ziehen aber zehnmal schwächer. Das
ärgerte vor 170 Jahren einen jungen Gärtner
aus Paris. Er experimentierte mit Beton-Blu-
mentöpfen. Weil die ständig zersprangen,
verstärkte er den Beton mit Drahtschlingen.
Heureka! Stahl und Beton passen äußerst
gut zusammen, weil sie sich – großer Zufall
der Natur – bei Temperaturschwankungen
genau gleich ausdehnen oder schrumpfen.
Gemeinsam sind sie stahlbetonhart.
Weltstar
Sich ein Stückchen Mauer um den Hals
hängen? Klingt komisch, wird aber ge-
macht. Und zwar in Südkorea. Genau
wie Deutschland wurde Korea nach
dem Zweiten Weltkrieg geteilt. Daran
hat sich bis heute nichts geändert: Seit
mehr als 70 Jahren verläuft eine streng
bewachte Grenze durch das Land. Sie
trennt Norden, Süden und viele Fami-
lien voneinander. Die Mauertrümmer
aus Berlin erinnern sie daran, dass eine
Wiedervereinigung möglich ist. Das
gibt Hoffnung und ist der Grund dafür,
dass Mauermitbringsel in Südkorea so
begehrt sind.
Schwitzkasten
Superleinwand
Stahlhart
Selbstheiler
Schwergewicht
Glücksstück
Boxsack