Der Spiegel - 02.11.2019

(Brent) #1
System Mensch
Nr. 43/2019 Die Demokratie steht zu
Unrecht im Verdacht, die großen Probleme
der Menschheit nicht lösen zu können

Die klugen Ausführungen sitzen an einem
entscheidenden Punkt einem sehr geläufi-
gen Irrtum auf. Sie missdeuten das von
Thomas Jefferson 1776 formulierte Natur-
recht »pursuit of happiness« als das rein
weltliche, kapitalistische Credo des Mas-
senkonsums und des sich ewig steigernden
Lebensstandards. Glück durch Konsum ist
aber gar nicht gemeint. In der für die zahl-
reichen Siedler deutscher Herkunft zeit-
gleich verfassten deutschen Version findet
sich die zutreffende Übersetzung »Streben
nach Glückseligkeit«, mithin nach geistli-
chem Heil und jenseitiger Erlösung. Dem-
zufolge wäre der Kapitalismus mit seiner
Wachstums- und Konsumideologie keines-
wegs ein integraler Bestandteil der Demo-
kratie. Mithin dürfte der demokratische
Staat umweltschädlichem Verhalten durch-
aus mit Verboten begegnen. Überdies ist
»happiness« ohne die Bewahrung der
Schöpfung nicht zu erlangen.
Günter Höffken, Tönisvorst (NRW)

Nur in einem möchte ich widersprechen:
Nicht das »System Kapitalismus« ist auf
Steigerung ausgelegt, sondern das System
Mensch. Zum Tragen kommt das aller-
dings nur in freien Gesellschaften. Diese
einfache und von Psychologie wie Ge-
schichtsforschung lange bewiesene Tatsa-
che zu verkennen war und ist der Haupt-
grund für das Scheitern kommunistischer
Gesellschaftsformen.
Wolfgang Bohnhardt, Frankfurt am Main

Die Überlegungen dieses klugen und letzt-
lich optimistischen Essays können für die
zukünftige politische Ausgestaltung der
Klimapolitik gar nicht ernst genug genom-
men werden. Wenn wir aber die im Pariser
Klimaabkommen formulierten Ziele ohne
eine Ökodiktatur erreichen wollen, genügt
es nicht, demokratietheoretische Überle-
gungen über Freiheit, Glück, Gerechtigkeit
und Legitimität zu formulieren, sondern
es müssen auch die zur Diskussion stehen-
den demokratischen und mit unserer sozia -
len Marktwirtschaft kompatiblen Strate -
gien bewertet werden. Und da wird allein
die Mengensteuerung durch Emissions -
handel den von Herrn Kurbjuweit formu-

Ruhe in Frieden
Nr. 44/2019Von 100 auf null. Ideenlos, träge,
ängstlich: Ist die deutsche Autoindustrie
als Wohlstandsmotor noch zu retten?

Die historische Chance, während der Krise
vor zehn Jahren zu alternativen Antriebs-
technologien umzusteuern, wurde von
den hoch dotierten Entscheidungsträgern
in Industrie und Politik grob fahrlässig ver-
säumt. Kurzfristig hohe Gewinne zu reali-
sieren (Abwrackprämie) war wichtiger. Die
Konsequenzen aus den Versäumnissen wer -
den nun an die Allgemeinheit weitergege-
ben, die Entscheider erfreuen sich riesiger
Abfindungen und Ruhestandsgehälter.
Toralf Thieme, Herzogenaurach (Bayern)

Die Aktien von Daimler sind schon heute
zu 68,3 Prozent in ausländischer Hand, da-
von etwa 15 Prozent bei Firmen aus China
(Geely / BAIC), 6,8 Prozent in Kuwait und
weitere etwa 18 Prozent bei Investoren aus
Frankreich und den USA (Renault / Nissan,
BlackRock und Bank of America). Daimler
ist schon heute kein deutscher Konzern
mehr. Ich prophezeie, dass das Unter -
nehmen in naher Zukunft zu 100 Prozent
eine Untermarke des chinesischen Auto-
bauers Geely sein wird – mit allen schädli-
chen Konsequenzen für die Arbeit nehmer
und die dann ehemalige Industrienation
Deutschland. Ruhe in Frieden!
German Gresser, Würzburg


Der »Vorsprung durch Technik« befindet
sich in meiner Garage und verfügt über
ein hocheffizientes Erdgasaggregat, das
die ganze Familie bei mittlerer Geschwin-
digkeit um kaum drei Kilo Gas pro hun-
dert Kilometer in den Urlaub transportie-
ren kann. Denkbar wäre mittelfristig ein
Fahrzeug mit einem Verbrauch von zwei
Kilo, ergänzt um einem Elektroantrieb für
die letzte Meile. Daneben müsste der Wa-
gen als einer von etwa vier Millionen im
Standbetrieb als Generator elektrische
Energie ins öffentliche Netz einspeisen. So
könnte er einen extrem wichtigen Beitrag
zur deutschen Energiewende liefern – zum
Überbrücken von Dunkelflauten, wenn
weder Wind- noch Solarenergie zur Ver-
fügung stehen. Dafür bedürfte es eines
riesigen staatlichen Infrastrukturprojekts,
sodass auch andere Hersteller wieder in
die Erdgastechnologie investieren. Die Re-
gierung muss sich dann endlich von ihrer

Markthörigkeit verabschieden und die deut -
sche und europäische Industrie auf eine
breit abgestimmte Strategie einschwören.
Dr. Ing. Thomas Fehn, Herzogenaurach (Bayern)

Die Zukunft der Mobilität sind der Zug
und das Fahrrad. Dem Land, dessen Ma-
nager das in der Mehrheit als Erste begrif-
fen haben, gehört die Zukunft. Die Gele-
genheit darf man nicht verpassen!
Matthias Riemenschneider, Hamburg

Sehr gute Recherche, hochinteressant und
gut zu lesen und zu verstehen. Leider wur-
de nicht auf die Probleme der Herstellung
und Verfügbarkeit von Lithium sowie Ko-
balt und Grafit eingegangen. Schätzungen
zufolge wird dadurch die Produktion von
E-Mobilen sehr schnell an ihre Grenzen
stoßen. Es wurde auch nicht auf die Pro-
blematik der dann benötigten Strommen-
gen eingegangen, die bei einer großen Zahl
von E-Mobilen ebenfalls sehr schnell nicht
mehr lieferbar sein werden – schon gar
nicht in Deutschland ohne die demnächst
nicht mehr vorhandenen Atommeiler und
Kohlekraftwerke.
René Pfeiff, Wiesbaden

Sie zeichnen ein Bild der Zukunft, das so
schnell in Deutschland nicht entstehen
wird. Nicht weil es die Entwicklung nicht
gibt, sondern weil unsere Behörden über-
haupt nicht in der Lage sind, solche neuen
digitalen Aggregate zuzulassen. Das Kraft-
fahrt-Bundesamt (KBA) war noch nicht
einmal fähig, die Feinheiten der Abschal-
tung bei Dieselfahrzeugen zu ermitteln.
Nun muss das KBA oder ein anderes, ge-
eigneteres Unternehmen mit digitalen Pro-
grammen gesteuerte Autos überprüfen
und absegnen, vor allem was die digitale
Sicherheitstechnik anbelangt. Das autono-
me Fahren von Fahrzeugen wird ein wei-
terer Meilenstein sein, der danach ansteht.
Wolfgang Hensle, Schwabhausen (Bayern)

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»Die Devise der deutschen Autobauer war lange Zeit: Warum eine


Kuh austauschen, solange sie so gut Milch gibt! Aber jetzt


kann es wohl so sein: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.«


Siegfried Dettling, Horb-Ahldorf (Baden-Württemberg)

DER SPIEGEL Nr. 45 / 2. 11. 2019

INTERFOTO
Käferproduktion in Wolfsburg 1957
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