Der Spiegel - 02.11.2019

(Brent) #1

lierten Kriterien gerecht. Werden nämlich
jährlich einer Volkswirtschaft die Emissi-
onszertifikate um fünf Prozent gekürzt,
dann entscheidet der Markt, wo das am
kostengünstigsten möglich ist. Dieser Such-
prozess mobilisiert darüber hinaus Inno-
vationen, die wir auf dem Weg zu einer
nachhaltigen und kohlenstofffreien Wirt-
schaftsweise dringend brauchen.
Dr. Manfred Vohrer, Münstertal (Bad.-Württ.)


In dem Essay steht ein Satz, der falsch und
auch fatal ist: »Kapitalismus gibt es auch
in autoritären Regimen, aber es gibt keine
Demokratien ohne Kapitalismus.« Herr
Kurbjuweit weiß doch genau, dass unser
Wohlstand auf Ausbeutung, unmensch -
lichen Arbeitsbedingungen und einem gna-
denlosen Abbau der Rohstoffe beruht.
Wer über Klimaschutz diskutieren will und
nicht gleich zeitig über die Überwindung
des kapitalis tischen Systems, ist ein Träu-
mer. Wirtschaften muss generell nur noch
unter der Prämisse möglich sein, was der
Menschheit insgesamt nützt. Wenn das
nicht gelingt, werden wir in einigen Jahr-
zehnten nicht mehr existieren.
Friedrich Grosse-Heitmeyer, Gießen


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Briefe

PHILIPPE WOJAZER / REUTERS
Klimaaktivisten in Paris

Komplexität nicht verstanden


Nr. 43/2019Wie ein litauischer Biochemiker
die revolutionäre Genschere Crispr-Cas9
entdeckte – und die Chance seines Lebens
verpasste


Ihr Beitrag diskreditiert die beiden Wissen-
schaftlerinnen, die zu Recht den Ruhm für
die Entdeckung von Crispr-Cas9 ernten:
Emmanuelle Charpentier und Jennifer
Doudna. Und er diskreditiert die gesamte
wissenschaftliche Gemeinde, die Ihrer Mei-
nung nach ja offenbar die Falschen ehrt.
Der Artikel zeigt, dass Sie die Komplexität
der Crispr-Cas9-Historie nicht verstanden
haben. Fakt ist, dass Dr. Šikšnys in seinem
PNAS-Artikel die Funktion von Crispr-
Cas9 nicht korrekt beschrieben hat, da er
an keiner Stelle erwähnt, dass die sogenann-
te tracrRNA Teil des DNA-Schneidekom-
plexes ist – bestehend aus Cas9, crRNA
und tracrRNA. Ähnliches gilt für das provi -
sorische Patent (US 2015/0045546), das am



  1. Mai 2017 erteilt wurde. Der Prüfer des
    United States Patent und Trademark Office
    kommt zu dem Schluss, dass Dr. Šikšnys
    tracrRNA darin nicht als zwingenden


Gefährliche Ignoranz
Nr. 43/2019 Der Klimaforscher Hans
von Storch über den Greta-Hype und die
Grenzen seines Fachs

Hans von Storch ist recht gelassen ange-
sichts der schlimmen Zukunftsaussichten.
Das kann sich der Siebzigjährige erlauben,
da er die große Umweltkatastrophe wahr-
scheinlich nicht mehr erleben wird. Die
Generation aber, die noch 60 bis 70 Jahre
vor sich hat, fordert zu Recht eine lebens-
werte Zukunft und eine effektive Klima-
politik.
Helga Streich, Hünfeld (Hessen)

Hans von Storch sagt eindeutig, dass Ver-
zicht nicht die Lösung der Klimaprobleme
bedeutet. Praktisch alle Parteien suggerie-
ren dem Bürger, er könnte durch eine Än-
derung seines Lebensstils die Klimakata-
strophe verhindern. Doch die Realität
sieht anders aus: Würden wir sofort sämt-
liche Inlandsflüge einstellen, uns alle nur
noch vegetarisch ernähren und unsere
Pkw-Fahrten um die Hälfte reduzieren,
würde unser Anteil an den globalen Treib-
hausgasemissionen lediglich von 2,3 auf
1,8 Prozent sinken. Um das von den Klima -
experten geforderte 1,5-Grad-Ziel zu er-
reichen, müsste die weltweite Energie-, In-
dustrie- und Treibstoffproduktion schnellst -
möglich um die Hälfte gesenkt werden.
Dr. Alfons Moog, Walldorf (Bad.-Württ.)

Um seine wissenschaftliche Reputation zu
behalten, sollte Herr von Storch bei seinen
mathematischen Modellen bleiben. Seine
persönliche Meinung, politisch umgedeu-
tetes Halbwissen, das nicht auf validen Er-
kenntnissen und Beobachtungen beruht,
gipfelt in Falschaussagen. Etwa wenn er
den Klimawandel Armut, Krankheit und
Hunger gegenüberstellt. Seine persönliche
Einschätzung von ein paar Zehntelgrad
Erd erwärmung mehr widerspricht dem
1,5-Grad-Bericht des Weltklimarats, der
drastisch die zusätzlichen Auswirkungen
bei zwei Grad Erwärmung aufzeigt.
Prof. Dr. Kerstin Wydra, Forschungsgebiet Pflanzen -
produktion im Klimawandel, Fachhochschule Erfurt

Die Lakonie, mit der Herr von Storch ei-
nige Ihrer Fragen beantwortet, ist schlicht
umwerfend. Seine Positionierung lässt je-
doch nicht erkennen, ob er den von vielen
Wissenschaftlern beschworenen Kipp-
punkten mit unumkehrbaren Effekten die
gebotene Aufmerksamkeit schenkt. Gege-
benenfalls könnte von einem »schleichen-
den« Klimawandel, der uns genügend Zeit
für die Anpassung an seine Folgen lässt,
nämlich nicht mehr die Rede sein. Zur wei-
teren Erhellung seiner Leserschaft sollte
der SPIEGELeinmal einen Diskurs zwi-
schen Prof. Hans von Storch und beispiels-
weise Prof. Harald Lesch initiieren.
Erwin Bixler, Rodalben (Rhld.-Pf.)

Wenn Herr von Storch feststellt, dass zur
Sorge kein Anlass bestehe, wischt er die
Forschungsergebnisse von Tausenden Wis-
senschaftlern beiseite. Er hat Zweifel, dass
jemand die Menschen in armen Weltregio-
nen gefragt habe, ob der Klimawandel für
sie selbst das größte Problem darstellt. Ja,
auch dazu gibt es vielerlei Studien, die er
nicht kennt oder ignoriert. Der wohlsitu-
ierte Pensionär in Norddeutschland warnt
vor einer Bevormundung des globalen Sü-
dens und bringt im selben Atemzug dessen
Stimmen zum Schweigen, die längst erho-
ben wurden.
Prof. Dr. Pierre Ibisch, Hochschule für nachhaltige
Entwicklung Eberswalde (Brandenb.)

Eine Stimme der Vernunft im vielstimmi-
gen Chor der Weltuntergangsbarden.
Welch Wohltat. Mehr davon!
Karl Giebeler, Blaustein (Bad.-Württ.)

Dieses dauernde Gebrabbel alter Männer
in der deutschen Politik und Medienland-
schaft gegen die junge Greta ist an sich
schon eine Studie wert. Das Mädchen sagt
gar nichts, was ernsthafte aktuell orientier-
te Klimaforscher und Klimaforscherinnen
nicht schon seit Jahren erklären. Dass die
Politik, die auf Forscher und Bürger hört,
etwas positiv verändern kann, zeigten die
Maßnahmen gegen das Ozonloch.
Prof. Dr. Angelika Berlejung, Leipzig

HANNA LENZ / DER SPIEGEL
Mathematiker Storch

Bestandteil des Schneidekomplexes be-
schreibt. Gerade dies ist aber die bahnbre-
chende Errungenschaft von Charpentier
und Doudna. Das wissenschaftliche Feld
hat sich an dieser Frage viele Jahre die Zäh-
ne ausgebissen – erst die Arbeiten dieser
beiden Wissenschaftlerinnen haben den
Schlüssel zu einem der wichtigsten biotech-
nologischen Werkzeuge aller Zeiten gelie-
fert. Das PNAS-Paper von Herrn Šikšnys
hätte das Feld keinen Millimeter weiterge-
bracht.
Rodger Novak, Mitgründer, Ex-Vorstandsvorsitzender
und Aufsichtsratschef der Crispr Therapeutics AG,
Vitznau (Schweiz)
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