nehmen Probleme mit den Vorgaben des
Ministeriums hatten. Ein Bieter nach dem
anderen zog sich zurück. Nur Kapsch und
Eventim gaben am 17. Oktober ein »finales
Angebot« ab, das Betreiberkosten von
rund drei Milliarden Euro vorsah. Der
Haushaltsausschuss hatte dem Ministe -
rium allerdings nur zwei Milliarden Euro
zur Verfügung gestellt.
Nun lag es an Mr Maut, den Preis unter
die magische Grenze von zwei Milliarden
Euro zu drücken. Ende November eröff-
nete das Ministerium sogenannte Aufklä-
rungsgespräche mit Kapsch und Eventim.
Immer wieder trafen sich die Emissäre bei-
der Seiten. Aus Sicht des Rechnungshofs
verstießen schon diese Aufklärungsgesprä-
che gegen das Vergaberecht.
Schulz ging aber noch weiter. Mehrmals
kam er heimlich mit Kapsch und Eventim
zusammen. Zweimal gemeinsam mit sei-
nem Dienstherrn Scheuer, am 3. Oktober
und am 29. November 2018. Viermal traf
er sich allein mit Unternehmensvertretern,
am 26. November, gleich zweimal am
- November sowie am 7. Dezember. Was
aber hatte Mr Maut mit den Managern
Vertrauliches zu besprechen?
Auf Anfrage der Grünen räumte das Mi-
nisterium ein, dass für einige Treffen »we-
der vorbereitende noch nachbereitende
Vermerke erstellt wurden«. Vergaberechts-
experten wie der Jurist Norbert Dippel
halten solche Geheimtreffen für hochpro-
blematisch: »Derartige Parallelgespräche
bergen immer die Gefahr, dass außerhalb
des Vergabeverfahrens angebotsrelevante
Informationen ausgetauscht werden.«
Am Ende hatte Mr Maut jedenfalls sein
Ziel erreicht. Am 14. Dezember teilte sein
Haus mit, dass die Angebotssumme von
Kapsch und Eventim nunmehr bei 1,975
Milliarden Euro liege. Am 30. Dezember,
einem Sonntag, konnte der Vertrag mit
der neuen Betreiberfirma Autoticket, de-
ren Gesellschafter Kapsch und Eventim
waren, unterzeichnet werden.
Wie das Wunder der Kostensenkung zu-
stande kam, ist in einer Leitungsvorlage
nachzulesen, die Gerhard Schulz abge-
zeichnet hat. Unter anderem sollte Toll
Collect seine »Zahlstellenterminals« für
Autoticket zur Verfügung stellen. Eigent-
lich eine gute Idee: Warum sollte der Be-
treiber neue Terminals aufbauen, wenn
dort bereits solche von Toll Collect stan-
den? Der Rechnungshof sieht genau darin
allerdings einen Verstoß gegen das Verga-
berecht: Den ausgeschiedenen Bietern wur-
de nicht die Chance gegeben, die neuen
Vorgaben des Ministeriums in ihre Kalku-
lationen einzubeziehen, so die Prüfer.
Außerdem monieren sie, dass die Aus-
lagerung der Kosten gegen das Haushalts-
recht verstoße. Nach Meinung der Kon-
trolleure hätte das Parlament darüber in-
formiert werden und zustimmen müssen.
Scheuer und sein Staatssekretär hatten
noch ein weiteres Problem: Toll Collect
sollte zu jener Zeit privatisiert werden.
Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung von
KPMG war zu dem Ergebnis gekommen,
dass die private Variante um sechs Prozent
»wirtschaftlich vorteilhafter« sei als ein
staatlicher Betrieb. Ein entsprechendes
Vergabeverfahren lief bereits, mehrere Bie-
ter hatten ihr Interesse angemeldet.
Über den KPMG-Befund konnte sich
Staatssekretär Schulz aus rechtlichen Grün-
den nicht einfach hinwegsetzen. Eine neue
Wirtschaftlichkeitsuntersuchung musste
her, die KPMG am 9. Januar auch lieferte,
aber nur in Form einer »theoretischen Neu-
berechnung«. Die Wirtschaftsprüfer taten
sich offenbar schwer, ihre alten Resultate
per Handstreich zu negieren. Am Ende
fanden sie aber doch genügend Gründe,
die staatliche Variante in besserem Licht
erscheinen zu lassen.
Ein Argument war Toll Collects geplante
Mitarbeit an der Pkw-Maut: Wenn die Be-
treiber von Autoticket jährlich zwischen
fünf und zehn Prozent ihrer Leistungen auf
Toll Collect übertragen würden, ergäben
sich über die gesamte Vertragslaufzeit »rech-
nerische Einsparungen« von 193 Millionen
Euro. Im Ergebnis hielten die KPMG-Prüfer
fest: Unter »Berücksichtigung von Syner-
giepotenzialen« würde sich jetzt eine »rech-
nerische Vorteilhaftigkeit einer Eigenreali-
sierung« von »7,0 Prozent« ergeben.
Das Ministerium brach die Privatisie-
rung daraufhin ab, Toll Collect blieb in
DER SPIEGEL Nr. 45 / 2. 11. 2019 39
MICHAEL JUNGBLUT / LAIF
MInister Scheuer: Im Visier des Rechnungshofs