Der Spiegel - 02.11.2019

(Brent) #1

I


m Sommer versuchte es Saturn wie-
der mit den Rezepten von vorgestern.
»Geiz is back« tönte die Elektronik-
kette in ihrer Werbung, ein lauwarmer Auf-
guss des einst legendären, heute etwas ab-
genudelten Reklameslogans von 2002:
»Geiz ist geil!«. Auch die Schwestermarke
Media-Markt kramte eine Uraltidee her-
vor und schenkte den Kunden zum x-ten
Mal die Mehrwertsteuer. »Steuerspara-
dies« hieß die Kampagne. Auch nicht ge-
rade ein kreativer Brüller.
Die Ideenlosigkeit der Werber spiegelt
die Trostlosigkeit der Media-Saturn-Hol-
ding, zu der beide Marken gehören. Die
Gewinne schrumpfen. Der Aktienkurs des
Mutterkonzerns ist seit Anfang 2018 von
mehr als 13 Euro auf unter 5 Euro abge-
sackt. An der Frage, wie die größte Elek-
tronikkette Europas mit Onlinegiganten
wie Amazon mithalten soll, hat der Mut-
terkonzern Ceconomy binnen kürzester
Zeit den zweiten Chef zerschlissen. Vor
zwei Wochen musste Jörn Werner nach ei-
nem internen Machtkampf gehen; er war
erst Anfang März geholt worden, um eine
neue Strategie zu entwickeln.


Nun ist Werner weg. Die Probleme
allerdings bleiben. Und die Zeit, sie zu
lösen, wird knapp: In den kommenden
drei Jahren drohen fast drei Viertel des
operativen Gewinns verloren zu gehen,
wenn der Konzern nicht gegensteuert.
Das belegen interne Papiere. »Die Lage

ist sehr kritisch«, sagt ein Topmanager des
Konzerns.
Die Struktur der Handelskette ist kom-
pliziert. Haupteigner der Media-Saturn-
Holding (MSH) ist Ceconomy – die wie-
derum besitzt neben MSH nur ein paar
kleine Minderheitsbeteiligungen. Beide
Unternehmen haben ihre eigenen Chefs,
die im Grunde über dasselbe Reich herr-
schen. Wer das Sagen hat, ist unklar.
Aufsichtsratschef Jürgen Fitschen, ehe-
mals Deutsche-Bank-Boss, hatte einen ra-
dikalen Neuanfang eingefordert. Werner,
der früher die Werkstattkette A.T.U. und
den Elektronikhändler Conrad geleitet hat-
te, schien dafür der richtige Mann. Sein
Abgang nach nicht einmal acht Monaten
lässt auch Fitschen nicht gut aussehen.
Der hat sich das Managementdesaster
selbst zuzuschreiben. Er forderte von Wer-
ner eine Revolution des Geschäftsmo-
dells – gab ihm aber offenbar nicht die Rü-
ckendeckung, die für ein solches Manöver
notwendig gewesen wäre. Ein Großaktio-
när wirft dem Aufsichtsratschef »komplet-
tes Versagen« vor. Fitschen hätte für klare
Weisungsbefugnisse sorgen müssen, heißt

74 DER SPIEGEL Nr. 45 / 2. 11. 2019

Ins Abseits rabattiert


Handel Der Elektronikhändler Ceconomy, Mutter der MediaMarktSaturn-Märkte, kämpft mit alten Ideen
um neue Kunden. Während sich die Führung im Machtgerangel verliert, rennt den Filialen die Zeit davon.

VOLKMAR SCHULZ / KEYSTONE
Werbeplakat 2004: Die Billigmasche verfängt nicht mehr

Gefährlicher Rückstand
Media-Saturns operativer Gewinn, in Mio. Euro


  • 33 %


625


419 *


2010 2017/18

zum Vergleich: Amazon+ 891 %**
* seit 2017 Teil von Ceconomy; ** auf Euro-Basis
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