Der Spiegel - 02.11.2019

(Brent) #1

es im Gesellschafterkreis. Er habe den
Machtkampf zwischen Werner und MSH-
Chef Ferran Reverter lange unterschätzt.
Werner, so berichten Vertraute, habe kei-
ne echte Chance bekommen, seine Ideen
umzusetzen. Als er am 18. September sein
45-Seiten-Konzept im Aufsichtsrat erläu-
tern wollte, wurden ihm dafür knapp zwei
Stunden zugebilligt. Was Werner unter
dem Titel »Nordstern« dann vorstellte,
zeigte in erster Linie, wie schlecht es um
das Unternehmen bestellt ist.
Die Werbung mit niedrigen Preisen
spreche nur 30 Prozent der Kunden an,
die MediaMarktSaturn potenziell errei-
chen könne. Ausgerechnet bei der Klientel,
die man von den Onlineplattformen weg-
und in die Shops hineinlocken könnte, ver-
fängt die Billigmasche nicht. 70 Prozent
der Kunden ließen sich eher durch guten
Service in die Filialen holen.
Dafür wären sie sogar bereit, mehr zu
zahlen. Das zeigt eine Befragung von 6000
Kunden, die Werner in Auftrag gegeben
hatte. Der zufolge würde jeder Dritte etwa
für eine Beratung, wie sich das eigene Haus
mit Smarthome-Technik und Sprachassis-
tent wie Alexa, Siri oder Google Home
ausrüsten lässt, Geld ausgeben. »Weil wir
in der Werbung Preis schrei-
en, kommen zu uns die
Schnäppchenjäger«, sagt ein
Topmanager. »Wir investie-
ren viel Geld, um die illoyals-
ten Kunden zu gewinnen.«
Diese Strategie habe das
Unternehmen zudem abhän-
gig von den Lieferanten ge-
macht, so Werner. Bieten die
einen Mengenrabatt, wird
die Ware in den Verkauf ge-
presst, ob die Kunden sie
wollen oder nicht. Das Pro-
blem ist: Erreichen die Lä-
den die vereinbarte Ver-
kaufsmenge nicht, gewähren
die Hersteller auch die Ra-
batte nicht in voller Höhe. Dann bleiben
wieder nur Preisaktionen.
Der geschasste Ceconomy-Chef wollte
raus aus dem Kleinklein des Fernseher-
Kaffeemaschinen-Wäschetrockner-Verkau-
fens. Ihm schwebten Filialen mit kleinerem
Sortiment vor, die dafür aber Gerätetests,
Events und eigene Spielecken für Fans von
Computerspielen anbieten. Bis 2022 sollte
sich das operative Ergebnis auf 1,2 Milliar-
den Euro fast verdoppeln, die Kosten ge-
senkt und der Umsatz gesteigert werden.
Doch Werner wurde ausgebremst, be-
vor er überhaupt loslegen konnte. Vor al-
lem Reverter, Chef der Media-Saturn-Hol-
ding, wollte sich von Werner nichts sagen
lassen. Er soll ihm die Einsicht in wichtige
Geschäftszahlen verwehrt haben. Im Auf-
sichtsrat empfahl Reverter, sich erst einmal
ums Kostensparen zu kümmern. Eine


neue Vision, so Reverter, könne man erst
in zwei bis drei Jahren entwickeln. Werner
konterte: Dann werde man erst in fünf Jah-
ren ein neues Geschäftsmodell haben. Bis
dahin sei MediaMarktSaturn tot.
Den Vertreter von Großaktionär Haniel
hatte Werner im Aufsichtsrat an seiner Sei-
te, sonst aber verlor er zunehmend den
Rückhalt. Er sei im Unternehmen teilweise
wie ein »kleiner Diktator« aufgetreten, läs-
tert ein Aufsichtsrat. Er habe es versäumt,
Management und Mitarbeiter von Media-
Saturn bei der Entwicklung einer neuen
Strategie eng mit einzubinden. Einem Mit-
glied des Gremiums erschien Werners Stra-
tegie zudem recht erwartbar, jedenfalls
nicht als der große Befreiungsschlag. Um-
gesetzt wird sie jetzt größtenteils trotz-
dem – bloß ohne Werner.
»Es gab und gibt keine grundsätzlichen
Differenzen über die Strategie«, sagt Auf-
sichtsratschef Fitschen. Bis zur Jahreswen-
de sollen die von Werner vorgestellten
Umbaupläne ausgearbeitet und beschlos-
sen werden. »Wir werden aber nicht alles
auf einmal machen können, wir müssen
priorisieren«, so Fitschen.
Das Ende April verkündete Kostenspar-
programm, intern Project 1 getauft, läuft
bereits. Um bis zu 130 Mil-
lionen Euro sollen die jährli-
chen Kosten sinken, 600 Stel-
len wegfallen.
Der nächste Zwist aber
deutet sich schon an. Werner
hatte mit den Erben des ver-
storbenen Mitgründers und
Anteilseigners von Media-
Saturn, Erich Kellerhals, ei-
nen Burgfrieden geschlossen.
Über ihre Firma Convergen-
ta halten sie 21,6 Prozent an
Media-Saturn, ihre diversen
Sonderrechte hatten die Er-
ben in der Vergangenheit in-
tensiv genutzt, um Entschei-
dungen zu blockieren. Wer-
ner band die Familie ein, deeskalierte. Mit
seinem Rauswurf dürfte der Frieden dahin
sein. Convergenta-Chef Ralph Becker hat
Fitschen für die Trennung von Werner
scharf kritisiert, die Mitgesellschafterin
fürchtet bei Media-Saturn um ihren Ein-
fluss.
Fitschen verspricht, Convergenta werde
bei wichtigen Entscheidungen mit einge-
bunden: »Wir werden dafür sorgen, dass
Convergenta die Transformation weiter
mitträgt.« Sollte das misslingen, würde
auch ein Vorhaben in weite Ferne rücken,
mit dem viele Querelen gelöst wären: die
Verschmelzung von Ceconomy und Me-
dia-Saturn. Sie wäre nur mit Zustimmung
der Kellerhals-Erben zu machen.
Kristina Gnirke, Martin Hesse
Mail: [email protected]

75

Wirtschaft

DER SPIEGEL Nr. 45 / 2. 11. 2019


Chefaufseher Fitschen
»Nicht alles auf einmal«

harvardbusinessmanager.de


Jetzt App
downloaden

Die Marvel-Methode


Wissenschaftler entschlüsseln


das Innovationsgeheimnis des


erfolgreichsten Filmstudios


der Welt


MITTELSTAND


Die digitalen Hidden Champions

NETWORKING
Profi tieren Sie von den wirklich

wichtigen Leuten

Das Wissen


der Besten


Jetzt im Handel


STEFAN BONESS / VISUM
Free download pdf