Die Welt - 02.11.2019

(Brent) #1

P


aul McCartney hat immer
wieder mal die Nähe von
Schriftstellern gesucht: Wil-
liam Burroughs ließ er in
seinem Londoner Studio
Lesungen aufnehmen. Mit
dem Beat-Poeten Allen
Ginsberg trat er bei MTV auf. Später gab er
ihm sein Buch „Blackbird Singing“ zum Vor-
ablesen. Zu McCartneys Verwunderung
empfahl der, aus den Gedichten jeweils das
„the“ herauszustreichen.
Jetzt hat der 77-Jährige ein Bilderbuch ge-
schrieben. „Opapi-Opapa“ (Annette Betz
Verlag, 40 S., 14,95 €) handelt von einem sehr
unternehmungslustigen Opa, der seine vier
Enkel mit einem magischen Kompass in die
Wüste oder in die Berge schicken kann. Gi-
tarrespielen kann der Opa auch – nur er ist
kein Linkshänder wie McCartney. Als Paul
McCartney uns zum Interview anruft, sitzt
er gerade im Auto. Er fährt selbst, könne
dank Freisprechanlage ungezwungen reden.
Man denkt sofort an einen Beatles-Song:
„Baby you can drive my car ...“

VON MARTIN SCHOLZ

LITERARISCHE WELT:Mr. McCartney, von
Talkshowmoderatoren und vielen Medien
werden Sie derzeit bestaunt, weil Sie mit
77 Ihr erstes Kinderbuch geschrieben hät-

ten – was aber gar nicht stimmt. Bereits
2005 haben Sie „Hoch in den Wolken“ ver-
öffentlicht ...
PAUL MCCARTNEY:Ja, ein Kinderbuch über
ein mutiges Eichhörnchen.

Damals waren der renommierte britische
Kinderbuchautor Philip Ardagh und der Il-
lustrator Geoff Dunbar Ihre Partner. Für
„Grandude“ oder „Opapi-Opapa“ haben
Sie den Text alleine geschrieben. War das
erste Buch so eine Art Warmlaufen?
Ja. Aber der Auslöser, überhaupt ein weiteres
Kinderbuch zu schreiben, war einer meiner
Enkel. Eines Tages sagte er statt „Grandad“
einfach „Grandude“ zu mir: „Grandude, kön-
nen wir nicht was unternehmen?“ Ich dachte
nur: „Grandude – das klingt ja nett, gefällt
mir.“ So fing das an, und ich dachte mir Ge-
schichten aus für diesen Typen, den ich Gran-
dude nannte. Ich gab ihm einen magischen,
Funken sprühenden Kompass, der ihn und sei-
ne Enkel an abenteuerliche Orte bringen kann.

So eine Art „Magical Mystery Tour“ – da-
rüber haben Sie schon bei den Beatles ge-
sungen, sogar einen avantgardistischen
Film darüber gemacht. Was reizt Sie da-
ran, jetzt auch noch Kinderbücher über
solche kleinen Fluchten zu schreiben?
An Kinderbüchern fasziniert mich, dass sie
so geschrieben sein müssen, dass Erwach-

sene Kindern daraus vorlesen können. Das
tut nicht nur den Kindern gut, es ist auch
sehr gut für die Erwachsenen. Ich verbinde
damit immer jene Zeit, als ich selbst meine
Kinder ins Bett brachte. Mir gefällt es, Kin-
der durch das Vorlesen vor dem Einschla-
fffen ein bisschen zur Ruhe zu bringen, statten ein bisschen zur Ruhe zu bringen, statt
einfach zu sagen: „Okay, jetzt aber ab ins
Bett!“ Das war meine Inspiration für dieses
Buch. Mein Eindruck ist: In der Gesell-
schaft, in der wir heute leben, ist es gut für
die Gesundheit – von Großeltern, Eltern
wie auch für Kinder –, wenn man sich
abends Zeit nimmt, laut Geschichten vor-
zulesen.

Erinnern Sie sich noch an Gutenachtge-
schichten aus Ihrer Kindheit, die Sie auf
ähnliche Weise inspiriert haben?
Ich bekam als Kind keine Gutenachtgeschich-
ten vorgelesen. In unserem Haushalt lasen
die Eltern ihren Kindern nicht vor. Stattdes-
sen habe ich dann selbst Geschichten gele-
sen, ich liebte Bücher wie „Die Schatzinsel“
von Robert Louis Stevenson. Ich las auch bri-
tische Kinder-Comics wie das „The Beano“-
Magazin. In der Vorweihnachtszeit war ich
immer besonders aufgeregt, wenn die Christ-
mas-Specials erschienen. Nur Gutenachtge-
schichten zum Vorlesen, das gab es in unserer
Familie nicht. Dafür hatte uns unser Vater da-
mals die Kabel für Kopfhörer so verlängert,

dass sie bis in unser Schlafzimmer reichten.
Auf diese Weise konnten wir dort Radio hö-
ren. Das war auch eine Art akustisches Ge-
schichtenerzählen – in einer für uns damals
supermodernen Version.

Nun scheinen ja viele der Beatles-Songs
den Optimismus, die Leichtigkeit und die
Verspieltheit der Kindheit zu spiegeln: Lie-
der wie „Ob-La-Di Ob-La-Da“, „Yellow
Submarine“ und viele andere. Was meinen
Sie, ist das auch ein Grund dafür, dass die-
se Musik 60 Jahre, nachdem sie entstan-
den ist, immer wieder junge Hörer an-
spricht?
Ich glaube schon, ja. Aber verrückt ist das
schon. Ich bin sehr stolz darauf, dass die
meisten Beatles-Song dieses positive Le-
bensgefühl ausstrahlen. Und das nach so vie-
len Jahren noch. Gerade in der heutigen,
sehr mit Problemen beladenen Zeit, tut es
gut, wenn du etwas hast, das dir eine Flucht
aus alledem ermöglicht. Musik und Texte,
die du liebst, können dir ein positives Gefühl
geben. Das ist wie ein Bonus, ein Anreiz, der
dich motiviert, der dich aufbaut.

Der Opa in Ihrem Buch spielt schon mal
Gitarre für seine Enkel. Sie haben acht En-
kel, machen Sie das auch manchmal?
Yeah, gelegentlich spiele ich was für sie.
Hängt ein bisschen davon ab, wonach ihnen

gerade der Sinn steht. Manchmal sind sie ge-
rade vielleicht sehr in ein Spiel vertieft. Ich
versuche ihnen dann klarzumachen: „Also,
die meisten Menschen kommen oft von weit
her, um mich spielen zu sehen, bezahlen so-
gar Geld dafür – aber ihr seid nicht mal im
entferntesten interessiert.“ Sie sagen dann
meist: „Opa, wenn es dir nichts ausmacht –
wir schauen doch gerade Fernsehen.“

Und ein Privatkonzert eines Beatles ver-
mag sie nicht umzustimmen?
Doch, es gibt schon Momente, in denen sie
doch interessiert sind, ruhigere Momente,
und dann spiele ich ihnen etwas vor. Oder sie
hören mir einfach so zu, wenn ich ein paar
Melodien raushaue. Gelegentlich war ich
auch in jenen Momenten da, wenn sie gerade
zu Bett gingen. Dann singe ich auch schon
mal für sie.

Welche Lieder sind das?
Den Beatles-Song „Blackbird“ mochten sie
am liebsten. Sie kannten ihn aus dem Sound-
track zu dem Film „The Boss Baby“. Und
„Golden Slumbers“ kennen sie aus dem Film
„Sing“. Ich liebe es, wenn Kinder unsere
Songs auf diese Weise neu kennenlernen.

Sie sind ein ähnlich agiler Opa wie Ihr Kin-
derbuch-Grandude, geben immer noch
zwei bis drei Stunden lange Konzerte in
Fußballstadien. Was gefällt Ihnen sonst
noch am Opa-Dasein?
Meine Enkelkinder, ich nenne sie ja die „chil-
lers“. Kinder sind deshalb so erstaunlich,
weil sie einerseits noch so unschuldig sind,
gleichzeitig aber schon so clever und aufge-
weckt. Kinder können dir immer wieder et-
was Neues beibringen. Wenn du die ganze
Zeit nur von Erwachsenen umgeben bist,
fehlt dir jene Art von Spaß, den dir nur Kin-
der bringen. Du kommst nach Hause, siehst
deine Kinder, sie sagen dir irgendwas Komi-
sches und bringen dich zum Lachen.

Womit bringen Ihre Enkel Sie zum La-
chen?
Meine Enkel begeistern sich alle für Fuß-
ball. Als zwei von ihnen kürzlich bei mir wa-
ren, redeten sie die ganze Zeit über diesen
und jenen Fußballer. Ich hatte keinen blas-
sen Schimmer, wen sie da eigentlich mein-
ten. Sie sammeln all diese Fußball-Karten,
haben inzwischen eine erstaunliche Exper-
tise. Ich sagte schließlich: „Ich habe keine
Ahnung, von wem ihr da redet.“ Und sie sag-
ten: „Aber das ist doch soundso.“ Also es
war ein berühmter Fußballer. Bis mein älte-
rer Enkel dann dem jüngeren sagte: „Nein,
Opa ist nicht wirklich ein Fußball-Anhän-
ger. Na ja, er liebt den Sport zwar, aber er
verfolgt das Ganze nicht mehr so, wie wir
das machen.“ Und wissen Sie was – das
stimmt ja. Meine Enkel bringen es mir dann
bei. Und ich höre ihnen dann zu und finde
heraus, dass dieser oder jener Fußballer ein
wirklich großartiger Spieler ist – zumindest
ihrer Ansicht nach.

Nehmen Sie Ihre Enkel dann schon mal
mit ins Stadion – in London oder in Liver-
pool?
Das habe ich bisher noch nicht gemacht,
nein. Das ist eher eine Aufgabe für Väter. Wo-
bei, ich würde das eigentlich schon sehr ger-
ne mal machen. Sie sind erst vor Kurzem
nach Liverpool zu einem Spiel gefahren –
und Liverpool hat gewonnen. Zum Glück.

UUUnsere kleine Farm: Nach dem Ende dernsere kleine Farm: Nach dem Ende der
Beatles führte Paul McCartney, hier mit
seiner ältesten Tochter Mary, das beschauli-
che Leben eines Familienvaters im schotti-
schen Campbeltown. Das Foto stammt aus
dem Bildband „The Polaroid Diaries“ von
Linda McCartney (Taschen, 232 S., 40 €)

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Paul McCartney hat ein Bilderbuch geschrieben. Ein Gespräch über das


Vorlesen vor dem Einschlafen, Optimismus als Lebensgefühl und seine Enkel


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