Süddeutsche Zeitung - 02.11.2019

(Barré) #1
von pia ratzesberger
und kassianstroh

D

ie Stadt darf ihr umstrittenes
Steinkohlekraftwerk nicht in
drei Jahren abschalten – auch
wenn das die Münchner in ei-
nem Bürgerentscheid so be-
schlossen haben. Dies hat die Bundesnetz-
agentur nun offiziell untersagt. In einem
Bescheid vom Montag stuft sie den ent-
sprechenden Block 2 des Heizkraftwerks
München Nord als „systemrelevant“ ein:
Ein stillgelegtes Kraftwerk würde also die
Stromversorgung in der Stadt gefährden
und weil eine Alternative fehle, dürfe der
Block nicht vor Ende des Jahres 2024 abge-
schaltet werden.
Die Stadtwerke, die das Kraftwerk in
der Gemeinde Unterföhring im Landkreis
München betreiben, hatten diese Entschei-
dung erwartet und dürften sie insgeheim
begrüßen. Auf die Systemrelevanz der An-
lage habe man „in der Debatte um den Bür-
gerentscheid von Beginn an“ hingewiesen,
sagte ihr Technischer Geschäftsführer,
Helge-Uve Braun, am Donnerstag.
Tatsächlich hatten sich die Stadtwerke
und auch die Mehrheit des Stadtrats gegen
ein Bürgerbegehren gestellt, das vor allem
die ÖDP vorantrieb und das einen vorzeiti-
gen Ausstieg aus der Steinkohle Ende des
Jahres 2022 forderte. Gleichwohl stimm-
ten die Münchnerinnen und Münchner
vor zwei Jahren mit gut 60 Prozent der
Stimmen für diesen Ausstieg. Rechtlich


bindend ist das Votum mittlerweile aller-
dings nicht mehr, und nun hat die Bundes-
netzagentur es auch noch formal ausgehe-
belt, weil die Behörde aus Bonn zustim-
men muss, wenn ein Kraftwerk abgeschal-
tet werden soll. Michael Schabl, Vertreter
des Münchner Bürgerbegehrens, ist den-
noch positiv gestimmt: „Es ist ja nicht so,

dass es jetzt überhaupt keine CO2-Einspa-
rung gibt. Das Kraftwerk kann in Reserve
gehen und muss nicht ständig laufen. Das
wollten wir“, sagte er am Freitag. Man wol-
le aber selbstverständlich dranbleiben,
um die Menge noch weiter zu reduzieren.
Das Heizkraftwerk München Nord be-
steht aus drei Blöcken, die alle Strom und

Fernwärme produzieren: In den Blöcken 1
und 3 wird Müll verbrannt. Im Block 2
wird die Steinkohle verfeuert, die dem Kli-
ma immens schadet. Ihren ursprüngli-
chen Plan, bis 2035 damit weiterzuma-
chen, verfolgen die Stadtwerke im Ein-
klang mit der Rathausspitze mittlerweile
nicht mehr, stattdessen wollen sie das
Kraftwerk bis Ende 2027 drosseln: in den
drei Sommermonaten vollständig und mit
60 Prozent Leistung in den Wintermona-
ten, um die Anlage bei Bedarf rasch hoch-
fahren zu können, und dazwischen mit et-
wa einem Viertel der Leistung.

Den Betrieb noch stärker zu drosseln
oder die Anlage nur für echte Notfälle be-
reitzuhalten, sei unmöglich, ohne sie zu be-
schädigen, weil sie technisch auf einen
Dauerbetrieb ausgelegt sei. Diese sparsa-
me Variante favorisiert auch ein Gutach-
ten des TÜV Süd, das der Stadtrat in Auf-
trag gegeben hat. Dominik Krause, stell-
vertretender Fraktionsvorsitzender der
Grünen, sagte am Freitag: „Die Frage ist
jetzt, wie es langfristig weitergeht – im
TÜV-Gutachten steht ja als Abschaltda-
tum 2028 im Raum und der Knackpunkt
wird sein, wo dann die Ersatzleistung her-
kommen wird.“ Sebastian Schall, umwelt-
politischer Sprecher der CSU im Rathaus,

sagte: „Das unwahrscheinlichste Szenario
ist, dass das Ganze bis 2035 mit voller
Kraft weiterläuft, aber 2023 abschalten
geht eben auch nicht – dazwischen müs-
sen wir nun eine Lösung finden.“
Die Befürworter eines früheren Kohle-
ausstiegs stehen dem Gutachten aller-
dings misstrauisch gegenüber. Ein Streit-
punkt ist zum Beispiel die Frage, wie viel
Fernwärme die Stadt aus dem Block 2
noch braucht. Während man Strom zukau-
fen könnte, ist das bei Fernwärme nicht
möglich. Auch deshalb könne man das
Kraftwerk nicht abschalten, sagt Braun,
der Technische Geschäftsführer der Stadt-
werke. Die ÖDP hingegen wirft ihm vor,
den Wärmebedarf höher anzusetzen, als
er tatsächlich sei, um das Kraftwerk weiter
zu betreiben. Noch im November soll der
Stadtrat darüber abstimmen, wie es mit
dem Block 2 in Zukunft weitergeht. Der Be-
schluss der Bundesnetzagentur besagt ei-
nerseits nämlich nicht, dass die Stadtwer-
ke die Anlage zwingend über das Jahr
2022 hinaus laufen lassen müssen. Sie
müssen sie in den Jahren 2023 und 2024
aber als Reserve vorhalten, zum Beispiel
für Kraftwerksausfälle. Andererseits ist
auch nicht ausgeschlossen, dass der Be-
scheid der Netzagentur noch verlängert
wird, denn sie darf ihn rechtlich nur für
maximal zwei Jahre ausstellen.
Die Frist beginnt am Neujahrstag 2023
zu laufen. An dem Tag, an dem laut Bürger-
entscheid das Kraftwerk vom Netz hätte
gehen müssen.

D


er Wählerwille war eindeutig, die
Abfuhr ist es auch. Aus der per
Bürgerentscheid beschlossenen
Abschaltung des Kohleblocks im Kraft-
werk München-Nord im Jahr 2022 wird
endgültig nichts. Die Bundesnetzagen-
tur hat den Teil der Anlage, in dem klima-
schädliche Steinkohle verheizt wird, für
systemrelevant, also nicht abschaltbar er-
klärt. Das war nicht anders zu erwarten,
enttäuschend ist es aus Sicht der 60-Pro-
zent-Mehrheit trotzdem.
Das ist der Stoff, aus dem Politikver-
drossenheit entsteht, und wenige Mona-
te vor der Kommunalwahl darf das nie-
mandem egal sein. Bei der Abstimmung
im Jahr 2017 – lange vor den „Fridays for
Future“-Protesten – wurden unrealisti-
sche Erwartungen geweckt. Der früh ge-
gebene Hinweis, dass Wähler in Mün-

chen ein „Raus aus der Steinkohle“ zwar
beschließen, am Ende aber nicht so ein-
fach durchsetzen können, wurde von den
Initiatoren in sein Gegenteil verkehrt: Er
diente ihnen als Beleg dafür, dass die Ge-
genseite von vornherein plante, das Er-
gebnis des Bürgerentscheids zu ignorie-
ren. Doch ganz so einfach ist es nicht.
Es liegt nun an den Stadtwerken und
am Stadtrat, den wiederholt geäußerten
Verdacht auszuräumen, dass dem jüngs-
ten TÜV-Gutachten und der folgenden
abschlägigen Entscheidung der Bundes-
netzagentur Zahlentricksereien zugrun-
de liegen könnten. Der Bürgerentscheid
mag ins Leere gelaufen sein. Doch diese
Leere darf man nicht den populistischen
Argumenten überlassen. Das schadet
dem politischen Diskurs, vor allem aber
dem Anliegen selbst. stefan simon

Zu relevant zum Abschalten


Die Bundesnetzagentur untersagt die Stilllegung des Münchner Steinkohlekraftwerks – die Stadt benötige dessen Energie.
Stadtwerke und CSU fühlen sich bestätigt, Gegner rund um das Bürgerbegehren hoffen nun auf eine möglichst zeitnahe Drosselung

Angestachelt vom Mann mit der Flüstertü-
te buchstabieren die Demonstranten:
„S-T-R-E-I-K“. Was das heißt, will der Ein-
peitscher wissen. Die Antwort folgt
prompt: „Streik!“ Das klappt wie am
Schnürchen, die etwa 35 Frauen und Män-
ner, die sich am Donnerstag vor der Hugen-
dubel-Filiale am Stachus versammelt ha-
ben, sind streikerprobt.
Seit mehr als zwei Jahren kämpfen die
Beschäftigten des bayerischen Buchhan-
dels und allen voran Mitarbeiter von Hu-
gendubel für höhere Löhne, insbesondere
aber für die im Manteltarifvertrag verein-

barten Arbeitsbedingungen. Diesen Ver-
trag, so berichtet Verdi-Gewerkschaftsse-
kretär Felix Bußmann, hat der bayerische
Arbeitgeberverband der Verlage und Buch-
händler 2017 gekündigt, eine Einigung
zwischen den Tarifparteien steht bis heu-
te aus. „Damit“, sagt Bußmann, „entzieht
der Arbeitgeberverband, der von Hugen-
dubel dominiert wird, den Angestellten
des bayerischen Buchhandels den tarifver-
traglichen Schutz ihrer fundamentalen Ar-
beitsbedingungen wie etwa den sechswö-
chigen Urlaubsanspruch und die Fest-
schreibung der 37,5-Stundenwoche.“

Jürgen Horn, der in der Hugendubel-Fi-
liale im Olympia-Einkaufszentrum arbei-
tet, beklagt, dass es mit dem gegenwärti-
gen Lohn immer schwieriger werde, im
teuren München über die Runden zu kom-
men. Vor allem jüngere Kolleginnen und
Kollegen, die in niedrigere Tarifgruppen
eingestuft seien, könnten sich die Stadt
kaum noch leisten. Ähnlich sieht es der Hu-
gendubel-Betriebsrat Pankraz Görl: „Wer
in München weniger als 2779 Euro ver-
dient, arbeitet laut Definition der Bundes-
agentur für Arbeit im Niedriglohnsektor.“
Das treffe auch auf die Beschäftigten im
Buchhandel zu, wo die meisten weniger
verdienten.

Bußmann zufolge erhalten Buchhänd-
ler in den Lohngruppen zwei und drei zwi-
schen 2000 und 2600 Euro brutto. Verdi
fordert eine Lohnerhöhung von 5,6 Pro-
zent sowie 100 Euro mehr bei der Ausbil-
dungsvergütung. Der von den Arbeitge-
bern gekündigte Manteltarifvertrag solle
wieder in Kraft gesetzt werden. Der Ge-
werkschaftler wirft den Arbeitgebern vor,
seit gut zwei Jahren einen Tarifabschluss
zu verweigern. Der Arbeitgeberverband,
so Bußmann, verfolge die Taktik, tarifli-
che Gehaltserhöhungen nur zu gewähren,
wenn die Arbeitnehmer „massiven Ein-
schnitten“ im Manteltarifvertrag zu-
stimmten. Dagegen wolle man weiter strei-
ken, denn: „Die Beschäftigten sollen ihre
Lohnerhöhungen damit selber an anderer
Stelle kompensieren.“ wolfgang görl

KOMMENTAR

Mehr Klarheit


DieHalloweennacht verlief in München
recht ruhig. Die Polizei war 44 Mal im Ein-
satz, vor allem wegen kleinerer Vorfälle,
zum Beispiel wegen Beschwerden über
zu laute Feiern. Mehrere Male ging es zu-
dem um Jugendliche, die Steine oder Eier
an Häuser oder Autos geworfen hatten.
Insgesamt wurden fünf Anzeigen mit ei-
nem Schaden in Höhe von mehreren Tau-
send Euro erstattet. In Steinhausen
brannten außerdem gegen 21 Uhr drei
Kunststoffcontainer, der Brand konnte
von der Feuerwehr umgehend gelöscht
werden. Die Polizei bittet um sachdienli-
che Hinweise zu dem Vorfall unter der
Nummer 089/29 10-0 ratz

Es ist das Ende eines medizinischen Expe-
riments: Das Rinecker-Protonen-Thera-
piezentrum (RPTC) in Thalkirchen stellt
zehn Jahre nach seiner Eröffnung den Be-
trieb ein. Der Insolvenzverwalter Michael
Jaffé teilt mit, dass das Zentrum zum En-
de des Jahres in eine Art Ruhezustand ver-
setzt wird. Schon begonnene Behandlun-
gen werden noch zu Ende gebracht, dann
verlieren rund 60 Mitarbeiter ihren Ar-
beitsplatz.
Das RPTC wurde vor 20 Jahren von
Hans Rinecker auf den Weg gebracht, der
zu jener Zeit nur ein paar hundert Meter
isaraufwärts die Rinecker-Klinik betrieb.
In das RPTC investierte er rund 170 Millio-
nen Euro – in dem Glauben, damit eine
neue Möglichkeit der Krebstherapie
durch Bestrahlung gefunden zu haben, in-
dem Tumore nicht mehr mit Röntgen-
strahlen, sondern mit Protonen be-
kämpft werden. Wie alle medizinischen
Neuerungen hätte auch diese mindes-
tens eines von zwei Kriterien erfüllen
müssen: Sie hätte besser wirken müssen
als die herkömmlichen – oder wenigs-
tens billiger sein. Sie war aber um ein Viel-
faches teurer, und der Nachweis besseren
Heilerfolgs gelang ebenfalls nicht, nur
bei den Nebenwirkungen lag die Proto-
nentherapie vorn. Das führte dazu, dass
die Behandlungskosten von den Kranken-
kassen nicht übernommen wurden. So
wurde, wie der Insolvenzverwalter jetzt
schreibt, in zehn Jahren Betrieb zusam-
mengerechnet nicht die Patientenzahl er-
reicht, die ursprünglich pro Jahr geplant
war.
Einen letzten Versuch, sein Zentrum
zu retten, unternahm Hans Rinecker
2015: Er verkaufte seine Klinik an die Tut-
zinger Artemed-Gruppe. Gerüchte besag-
ten aber damals schon, dass er auch ver-
sucht habe, das RPTC zu verkaufen, aber
keinen Käufer gefunden habe. Zwei Jahre
nach dem Verkauf meldeten die beiden
Firmen, die das RPTC betrieben – eine
für die Immobilie, eine für den laufenden
Betrieb – Insolvenz an. „Das RPTC war
ein mutiges Pilotprojekt und hat in der Be-
handlung von Krebspatienten gute Ar-
beit geleistet. Es hat jedoch zu keiner Zeit
kostendeckend arbeiten können und jähr-
lich hohe Verluste erwirtschaftet“,
schreibt Jaffé. Wie es in Thalkirchen wei-
tergeht, ist unklar: Die Konstruktion mit
zwei insolventen Firmen verbietet die Ver-
wertung von Haus und Anlagen. Den Aus-
schlag für die Abschaltung gaben laut In-
solvenzverwalter unaufschiebbare Repa-
raturen und Investitionen in zweistelli-
ger Millionenhöhe. stephan handel

Arvid M. bittet um Verzeihung. Doch seine
anschließenden, selbstmitleidigen Schuld-
zuweisungen sind nicht zu überhören.
Ihm sei immenser Schaden entstanden
durch diese Sache, jammert er. Wenn sei-
ne Ex-Freundin nach der Trennung nur
einmal noch mit ihm geredet hätte ...
Marlene L. (Name geändert) wollte von
dem 52-Jährigen nichts mehr wissen, wor-
aufhin Arvid M. im Herbst 2017 zu einem
zerstörerischen Rundumschlag auf ihr Le-
ben ansetzte: Er schickte Screenshots ih-
rer Profile von Online-Dating-Portalen
mit ihren sexuellen Vorlieben und ihren
Kontaktdaten an ihre Vorgesetzten, an ihr
Lieblingsrestaurant, und sogar an ihren
bevorzugten Supermarkt, verbunden mit
Zeilen wie: „Hat einer von euch Lust?“, um
nur die harmloseste zu nennen. „Das
sprengt alles“, sagte Gabriele Krause, Rich-
terin am Amtsgericht München.
Am Ende wird Arvid M. wegen Nachstel-
lung, Beleidigung und Verstoßes gegen
das Gewaltschutzgesetz zu einer Geldstra-
fe in Höhe von 3000 Euro verurteilt. Die
Richterin hat 150 Tagessätze festgelegt, da-
mit gilt M. als vorbestraft. Während der
Verhandlung wurde außerdem verein-
bart, dass M. bis Ende nächsten Jahres an
seine ehemalige Freundin 10 000 Euro als
Entschädigung zu zahlen hat. Das Urteil
ist noch nicht rechtskräftig.
„Meine Mandantin hofft, dass der Alb-
traum heute zu Ende geht“, sagte Antje
Brandes, Rechtsanwältin von Marlene L.,
in ihrem Plädoyer. Was in einer Katastro-
phe mündete, begann in den Augen von Ar-
vid M. wie ein Liebesrausch. Im Frühjahr
2017 lernte er die Angestellte kennen, „wir
hatten eine fantastische Zeit“, erzählte M.
Er habe die Frau hofiert, ihr hochwertige


Geschenke gemacht wie ein Diamanten-
Collier, sie hätten luxuriöse Reisen unter-
nommen und in tollen Restaurants geges-
sen. Schon nach ein paar Monaten habe er
einen Ehering gekauft und wollte Marlene
L. seiner Familie vorstellen. Doch kurz vor
dem Termin Anfang September habe sich
die Frau per Handynachricht von ihm ge-
trennt. „Ich war geschockt, ich hatte so
viel investiert, ich war blamiert vor allen“,
erklärte Arvid M. dem Gericht. Zudem ha-
be Marlene L. ein Gespräch verweigert.

In welcher Form Arvid M. seiner Ex-
Freundin anschließend Gewalt antat, kam
bei der Gerichtsverhandlung nicht zur
Sprache. Jedenfalls erließ das Familienge-
richt im Oktober 2017 eine Anordnung
nach dem Gewaltschutzgesetz, die unter
anderem Arvid M. jegliche Kontaktaufnah-
me zu Marlene L. untersagte.
Wenige Tage später begann der 52-Jäh-
rige, die herabwürdigenden Briefe zu ver-
schicken – über einen Zeitraum von neun
Monaten, insgesamt 28 Stück. Einmal et-
wa schrieb er an den Arbeitgeber von Mar-
lene L., dass sie Affären zu anderen Män-
nern pflege und einen „hohen Konsum an
Sexpartnern“ habe. Dann schickte er an
die Firmenzentrale ihres Arbeitgebers ein
Schreiben mit der Überschrift: „Für die
nächste Betriebsfeier und alle Damen und
Herren, die zwischendurch einmal Lust ha-
ben.“ Dazu gab er die vollständigen Kon-
taktdaten von Marlene L. an sowie Screen-
shots ihrer Profile auf Sex-Dating-Plattfor-

men. Auf diesen Seiten, so sagt Nebenkla-
ge-Anwältin Brandes, sei M. selbst auch
unterwegs gewesen. Es folgten bis
Mai 2018 weitere, ähnlich gelagerte Brie-
fe, die das komplette Lebensumfeld der
Frau abdeckten.
„Ich lebe heute von der Hand in den
Mund“, behauptete M., befragt nach sei-
nen finanziellen Verhältnissen. Seine Ge-
schäftspartner hätten die gemeinsame Fir-
ma ausgeplündert, „mein ganzes Vermö-
gen ist weg“, er habe einen Herzinfarkt er-
litten. Nun sei er seit zwei Jahren krankge-
schrieben und müsse für zwei Kinder Un-
terhalt bezahlen. Bei einer monatlichen Be-
lastung in Höhe von rund 3000 Euro und
Einnahmen von 2300 Euro sah Richterin
Krause Erklärungsbedarf. „Wovon leben
Sie?“ Daraufhin kam ein Darlehen über
65 000 Euro zur Sprache und aufgelöste Al-
tersversorgungen für die Kinder in Höhe
von 25 000 Euro. Auch seine Mutter habe
Arvid M. mal 10 000, mal 20 000 Euro zu-
gesteckt.
Die Staatsanwältin legte Arvid M. zur
Last, dass er bis zum Prozessbeginn ge-
schwiegen habe. Dadurch seien umfang-
reiche Ermittlungen notwendig gewesen,
unter anderem wurden die Briefe auf DNA
untersucht. Die Anwälte von Arvid M., Flo-
rian Mangold und Thorsten Ebermann,
hatten nach einigem Hin und Her der Zah-
lung von 10 000 Euro an die Geschädigte
zugestimmt. Das müsse für ihren Mandan-
ten sprechen, meinte Mangold im Plädo-
yer. Er forderte 90 Tagessätze, die Unter-
grenze, um nicht als vorbestraft zu gelten.
Doch Richterin Krause sah das Vorgehen
von Arvid M. als zu massiv an. Er muss ne-
ben seinen Prozesskosten auch die der Ne-
benklage tragen. susi wimmer

Der Angeklagte versendete
Screenshots ihrer Profile
auf Sex-Dating-Plattformen

Vor allem jüngere Kolleginnen und Kollegen im Buchhandel könnten sich die Stadt
kaum noch leisten, lautet der Vorwurf der Gewerkschaft. FOTO: ROBERT HAAS

Der von den Arbeitgebern
gekündigte Manteltarifvertrag
solle wieder in Kraft treten

Kampferprobt


Fürmehr Lohn: Beschäftigte des Buchhandels streiken vor Hugendubel-Filiale


Ein stillgelegtes Kraftwerk würde die Stromversorgung in der Stadt gefährden, heißt es in dem Bescheid der Bundesnetzagentur. FOTO: FLORIAN PELJAK


Ruhige


Gespensternacht


Experiment


gescheitert


Protonen-Therapiezentrum
in Thalkirchen stellt Betrieb ein

Zerstörerisch


3000 Euro Geldstrafe für Mann, der diffamierende Briefe über Ex-Freundin verschickt


Nutzung ab 2023 als Reserve?
Der Stadtrat soll über die
Zukunft des Blocks 2 abstimmen

DEFGH Nr. 253, Samstag/Sonntag, 2./3. November 2019 MÜNCHEN R3

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