Süddeutsche Zeitung - 02.11.2019

(Barré) #1
von elisa schwarz

R

ichard Mergner fährt jedes Jahr
ein paar Mal um die Welt.
40000 Kilometer – so viel
misst die Erde im Umfang.
Mergner, der Geograf, weiß so
etwas. Er weiß auch, dass man 40 000 Kilo-
meter schnell zusammen hat, wenn man
ein paar Mal in der Woche Zug fährt, so wie
er. Passau, Aschaffenburg, Ulm, Nürnberg,
Berlin, München. Das ist zwar nicht einmal
um die Welt, aber trotzdem jedes Mal eine
kleine Weltreise.


Mergner, 59, ist Landesvorsitzender des
Bundes Naturschutz. Der Verband hat ein
schönes Büro in Nürnberg und ein nicht so
schönes Büro in München. Wenig Platz,
München halt. Und weil Mergner sowieso
ständig irgendwo sein muss, arbeitet er
eben im Zug. Da könne man ihn ja besu-
chen, sagte seine Assistentin. In seinem
mobilen Büro.
Der ICE von Nürnberg nach München
hält sieben Minuten früher als geplant in
Ingolstadt. Es piept, die Tür geht auf und
Richard Mergner steht im, na ja, Türrah-
men. „Da sind Sie ja“, sagt er. Mergner
trägt ein grünes Hemd, eine grüne Jacke,
ein grünes Sakko. In seinem grünen Ruck-
sack steckt ein grüner Schirm. Mergner ist
einer, der noch ernsthaft eine Lieblingsfar-
be hat: Grün wie der Wald, den er schützen


will, zum Beispiel durch Bahnfahren. Es
piept, die Tür schließt, jemand nuschelt
durch den Lautsprecher: „Wenn Sie be-
quem einchecken wollen, nutzen Sie ...“
Mehr versteht man nicht, weil Mergner
jetzt von Berlin erzählt. Da kommt er gera-
de her, vom Waldkongress der CDU/CSU –

so hieß das tatsächlich. „Neuerdings inter-
essiert sich Herr Söder ja auch für den
Wald“, sagt Mergner. „Tun sie jetzt alle.“
Er geht durch Wagen 36, vorbei an ei-
nem Mann mit Red-Bull-Dose und einer
Frau mit E-Reader. Sie sitzt gegenüber von
einer Vierergruppe, und schaut dann doch

mal herüber, als Mergner stehen bleibt
und sagt: „Das ist mein Schreibtisch.“ Auf
dem Tisch steht ein Laptop, Zeitungen lie-
gen herum, Flyer vom Waldkongress.
Am besten könne er Mails im Zug schrei-
ben, sagt Mergner. Wenn er sich aufregt,
schreibt er auch mal Briefe. Zuletzt einen

an die bayerische Landwirtschaftsministe-
rin Michaela Kaniber, ordentlich auf Brief-
papier, rechts oben das Lindenblatt des Ver-
bands. Inhalt geheim. Manchmal verabre-
det sich Mergner auch mit Politikern im Ab-
teil. Lobbyarbeit. Sie flüstern dann.
Die Tür surrt auf, Fahrkartenkontrolle.
Mergner hat eine Bahncard 100 für die


  1. Klasse, was ihm ein bisschen peinlich ist.
    Er sei nicht so einer, sagt er, der Bundesvor-
    sitzende habe ihm die Bahncard aufge-
    schwätzt. Mittlerweile findet er die 1. Klas-
    se ganz erträglich – die Ruhe, der Platz.
    Mergner schläft viel in seinem Büro, und in
    welchem Büro kann man das schon.


Wenn man viel in der Bahn arbeitet, ver-
passt man dann nicht auch viele Arbeitster-
mine? „Doch“, sagt Mergner, und dann
sagt er erst mal nichts. Er ist kein Bahnfah-
rer, der über die Bahn lästert, was ihn ne-
ben seiner grünen Uniform zu einem be-
sonderen Bahnfahrer macht. Er plant halt
eine Stunde mehr ein, falls er mal wieder
stecken bleibt, irgendwo zwischen Hers-
bruck, wo er wohnt, und Schwandorf, wo
er durchmuss. Und fertig.
„Ich würde mir wünschen, dass der Bun-
desverkehrsminister Scheuer öfter mal
Zug fährt und nicht nur in der schwarzen Li-
mousine oder mit seinem Oldtimer auf der
A94 unterwegs ist. Dann hätten wir eine
bessere Bahn“, sagt Mergner. Die sei statt-
dessen kaputtgespart und dann nur ein
bisschen aufgehübscht worden durch das
Klimapaket. „Oder besser: Klimapäck-
chen.“ Und während draußen die Land-
schaft vorbeirauscht, Wald, Rohrbach,
Wald, Reichertshausen, regt sich Mergner
in seinem Büro über die Politik da draußen
auf.

Es gibt dann doch eine Sache, die er an
seinem Büro nicht so toll findet. Man muss
dazu einmal die Speisekarte aufschlagen.
„Ein bisschen hat sich das Angebot verbes-
sert“, sagt Mergner. „Ein bisschen.“
Er blättert die Seiten durch, schaut nach
dem Bio-Label. „Honest Bio Tee Himbeer
Basilikum.“ Würde er nicht trinken, so was.
Eher Bionade. War mal eine tolle Firma,
sagt er, dann wurde sie von Coca Cola ge-
kauft und tja, Mergner blättert weiter. Fu-
silli mit Tomaten-Feta-Soße, weiter. Lisas
Kartoffelchips, weiter, weiter. Dann eine
Anzeige für den „DB-Mehrwegbecher“, in-
mitten eines Waldes. Richard Mergner
guckt die Seite an. „Mehrwegbecher aus
Plastik und schon wieder muss der Wald
herhalten.“ Und klappt die Karte zu.

Ungestört arbeiten? Ist schwierig im Zug. Aber immerhin kann Richard Mergner so etwas für die Umwelt tun.

MÜNCHNER
CHEFZIMMER

Lobbyarbeit in Hochgeschwindigkeit


RichardMergner, Landesvorsitzender des Bundes Naturschutz, verlegt sein Büro jeden Tag in den ICE. Auf dem Schreibtisch steht ein Laptop,
Zeitungen liegen herum. Manchmal verabredet er sich auch mit Politikern im Abteil. Sie flüstern dann

Grüner Rucksack, grüne Jacke,
selbst die Schuhe sind grün.
Richard Mergner ist einer, der
noch ernsthaft eine
Lieblingsfarbe hat: grün wie der
Wald, den er schützen will, zum
Beispiel durch Bahnfahren.
Der Landesvorsitzende des
Bundes Naturschutz ist ständig
in Bayern unterwegs – seine
Büroarbeit verrichtet er daher
täglich im ICE.
FOTOS: ALESSANDRA SCHELLNEGGER

Ein Besuch bei
Richard Mergner
vom Bund Naturschutz
SZ-Serie · Folge 17

Die einen freuen sich, dass der Sommer
dieses Jahr so ausdauernd war. Die ande-
ren können wiederum den Winterein-
bruch nicht erwarten. Viele SZ-Leser war-
ten schon gespannt auf ihren ganz beson-
deren Adventskalender: Jedes Jahr bringt


ihn das Hilfswerk des Lions Clubs Mün-
chen-Pullach heraus, um mit dem Ver-
kaufserlös Gutes zu tun.
Der Verkauf der 5500 Exemplare des
Kalenders beginnt am Montag, 4. Novem-


ber, im Servicezentrum der SZ an der Fürs-
tenfelder Straße 7, im Kaufhaus Beck am
Marienplatz und in der Raben-Apotheke
am Kirchplatz in Pullach. Der Kalender,
der „Die Anbetung der Könige“ des malen-
den Mönchs Fra Angelico zeigt, kostet
sechs Euro. Die eine Hälfte des Erlöses
geht wie immer an den „Adventskalender
für gute Werke derSüddeutschen Zeitung“.
Die andere Hälfte erhält das Clean-Project
Neuhausen, das sich für die Integration,
Förderung und Rehabilitation Jugendli-
cher mit und ohne Migrationshintergrund
einsetzt. Und auch sich selbst kann man
mit dem Kalender ein Geschenk machen:
Jeder Käufer des Adventskalenders
nimmt automatisch an der täglichen Verlo-
sung von insgesamt 400 Gewinnen im Ge-
samtwert von 31000 Euro teil. sz

Volksbegehren, Klimakrise, Bauernde-
mo – zumindest eine positive Tendenz
verzeichnet der Bund Naturschutz bei
diesen Debatten: Die Mitgliederzahlen
wachsen. Mit 238 000 Mitgliedern ist
der Bund Naturschutz mittlerweile der
größte Umweltverband in Bayern. An-
ders als bei Umweltorganisationen
wie Greenpeace, können die Mitglie-
der Verbandspositionen mitbestim-
men, sagt Richard Mergner. „Ein Labor
für Basisdemokratie“ sei damit der Ver-
band.
Mergner studierte Regionalplanung
sowie Wirtschaftsgeografie in Frei-
burg und Bayreuth und wurde geprägt
durch die Anti-Atomproteste in Wa-
ckersdorf. Seit 2018 ist er Landesvorsit-
zender des Bundes Naturschutz. Am
Revers trägt er einen Anstecker mit
dem Lindensymbol des Bunds. Den ha-
be er selbst entworfen, sagt Mergner.
Er trägt ihn an jeder Jacke. ESCH

Die MünchnerinHilga Wolf, 78, erhält in
diesem Jahr die Pater-Rupert-Mayer-Me-
daille der Caritas in Gold. Seit mehr als
40 Jahren engagiert sich Wolf bei der Cari-
tas und der Kirche. „Wir kennen und schät-
zen sie als unermüdliche Mahnerin für
das Gebot der Nächstenliebe“, sagt Caritas-
direktor Georg Falterbaum. In ihrer Hei-
matpfarrei St. Gabriel in München-Haid-
hausen hat Hilga Wolf unter anderem ein
Projekt für Wohnungslose ins Leben geru-
fen. Gemeinsam mit 14 Ehrenamtlichen
kocht sie einmal im Monat in der Küche
des Pfarrheims für 52 Obdachlose. Diese
können sich anschließend in der zugehöri-
gen Kleiderkammer ausstatten. Die frühe-
re Bankangestellte und Mutter von drei
Kindern begann 1979 ehrenamtlich zwei-
mal im Jahr an Haustüren für Menschen
in Not zu sammeln. Sie leitet mittlerweile
seit 20 Jahren den Sach-Ausschuss Ge-

meindecaritas und ist Vorsitzende der Di-
özesan-Arbeitsgemeinschaft Caritas und
Sozialarbeit der Ehrenamtlichen. sz

Die Münchner Verkehrsgesellschaft
(MVG) hat einen neuen Bus-Chef. Am
1.November hatVeit Bodenschatzdie Lei-
tung der für den Nahverkehr so wichtigen
Sparte übernommen. Der 53-jährige
Münchner war zuletzt als Manager bei der
Bayerischen Oberlandbahn unter ande-
rem zuständig für Personal und Finanzen.
Zuvor war er 30 Jahre lang bei der Regio-
nalverkehr Oberbayern GmbH beschäf-
tigt, 14 Jahre davon als Geschäftsführer.
Weil die Stadt wächst und der Verkehr ste-
tig zunimmt, wird eine seiner wichtigsten
Aufgaben in den kommenden Jahren der
Ausbau des Bus-Angebots in München
sein. Dazu gehört auch die Herausforde-
„Die Anbetung der Könige“ des malenden Mönchs Fra Angelico. FOTO: LIONS-CLUB rung, genug Personal zu finden. sz

Gutes tun


Unterstützung für den SZ-Adventskalender


LEUTE DES TAGES


Er plantimmer eine Stunde
mehr ein, falls die Bahn
mal wieder stecken bleibt

Bund Naturschutz


R10 LEUTE Samstag/Sonntag,2./3. November 2019, Nr. 253 DEFGH

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