Süddeutsche Zeitung - 02.11.2019

(Barré) #1
von hubert wetzel

Washington –Ein Zurück gibt es jetzt
wohl nicht mehr. Nicht dass die Demokra-
ten überhaupt umkehren und die Akte Do-
nald Trump wieder schließen wollten –
auf keinen Fall. Aber bisher sah das Amts-
enthebungsverfahren gegen den Präsiden-
ten eben eher wie eine Angelegenheit der
Partei aus. Der Beginn der Ermittlungen
wurde von Nancy Pelosi verkündet, der
Führerin der Demokraten im Repräsen-
tantenhaus. Die Zeugenanhörungen wur-
den von den demokratischen Ausschuss-
vorsitzenden geleitet. Am Donnerstag je-
doch hat Pelosi die Impeachment-Ermitt-
lungen vom Abgeordnetenhaus in einer
Abstimmung im Plenum formell billigen
lassen. Die Kammer nahm die Resolution
mit 232:196 Stimmen an.
Damit ist das Verfahren nun durch das
Parlament autorisiert, auch wenn das Er-
gebnis des Votums nur die Mehrheitsver-
hältnisse widerspiegelt: Kein einziger Re-
publikaner stimmte für die Resolution, al-
le demokratischen Abgeordneten bis auf
zwei stimmten dafür. Aber niemand in Wa-
shington erwartet ernsthaft, dass die De-
mokraten wieder zurückzucken werden.
Stattdessen werden sie, vermutlich in na-
her Zukunft, Amtsenthebungsklage ge-
gen Präsident Trump erheben.
In der Resolution sind vor allem die Re-
geln für künftige Zeugenvernehmungen

festgelegt. Die Republikaner, die im Abge-
ordnetenhaus in der Minderheit sind, be-
kommen dadurch mehr Rechte. Sie dür-
fen zum Beispiel eigene Zeugen aufrufen.
All das bereitet die Bühne für die nächste
Phase des Verfahrens, die, wie Pelosi sagt,
„sehr bald“ beginnen soll – öffentliche, im
Fernsehen übertragene Anhörungen, wie
es sie bei den Amtsenthebungsverfahren
gegen die Präsidenten Richard Nixon und
Bill Clinton gab. Bisher wurden alle Zeu-
gen hinter verschlossenen Türen vernom-
men. Die Republikaner haben das scharf
kritisiert, obwohl ihre Abgeordneten an-
wesend sein können, sofern sie den ermit-
telnden Ausschüssen angehören.
Doch die Demokraten wissen, wie wich-
tig es in einem Impeachment ist, die öf-
fentliche Meinung hinter sich zu bekom-
men. Schriftliche Stellungnahmen von Di-
plomaten und Regierungsmitarbeitern,
von denen und von deren Ämtern außer-
halb Washingtons noch nie jemand etwas
gehört hat, taugen dazu nur bedingt –
auch wenn die Zeugen, die in den vergan-
genen Tagen angehört wurden, den zen-
tralen Vorwurf gegen den Präsidenten
klar bestätigt haben: Trump hat, das kann
als sicher gelten, die ukrainische Regie-
rung unter Druck gesetzt, indem er die
Auszahlung von Militärhilfe aufgehalten
hat. Er wollte Kiew dadurch zwingen, sich
öffentlich zu Ermittlungen gegen den frü-
heren Vizepräsidenten und heutigen de-

mokratischen Präsidentschaftsbewerber
Joe Biden sowie dessen Sohn Hunter zu
verpflichten.
Doch auch wenn diese Sachlage mittler-
weile kaum noch zu bestreiten ist, sind die
Amerikaner längst nicht davon über-
zeugt, das Trump etwas getan hat, das sei-
ne Entfernung aus dem Amt rechtfertigt.
Das zeigen Umfragen immer wieder.

Zwar unterstützt eine Mehrheit der
Amerikaner die Impeachment-Ermittlun-
gen. Aber es ist eben bisher nur eine relati-
ve Mehrheit, keine absolute und schon gar
keine überwältigende: Laut dem Durch-
schnitt der Umfragen, den die Internetsei-
teReal Clear Politics(RCP) errechnet, be-
fürworten 49,2 Prozent der Bürger, dass
die Demokraten die Vorgänge um Trump
und die Ukraine untersuchen. Auf die poli-

tisch noch wichtigere Frage, ob gegen
Trump Amtsenthebungsklage erhoben
und er tatsächlich vom Senat aus dem
Amt entfernt werden soll, antworten noch
weniger Amerikaner mit Ja – dem RCP-
Durchschnitt zufolge 47,9 Prozent. Das be-
deutet: Es gibt im Land keine Begeiste-
rung für das Impeachment.
In einigen Bundesstaaten, die für die
Präsidentschafts- und Kongresswahl im
November 2020 entscheidend sein wer-
den, sind die Umfrageergebnisse noch pro-
blematischer für die Demokraten. Eine ak-
tuelle Ergebung derNew York Timesund
des Siena College in den Staaten Arizona,
Florida, Michigan, North Carolina, Penn-
sylvania und Wisconsin kommt zu dem
Schluss, dass 52 Prozent der Wähler dort
gegen Trumps Amtsenthebung sind, nur
44 Prozent sind dafür.
Das muss bei den Wahlen nächstes Jahr
nicht zwangsläufig negative Folgen für
die Demokraten haben. Ihre Ermittlun-
gen werden auch dort mehrheitlich unter-
stützt. Aber es bestätigt die Befürchtun-
gen, die Nancy Pelosi sehr lange davon ab-
gehalten haben, ein Impeachment gegen
Trump zu beginnen: In den etwas konser-
vativeren Bundesstaaten, die 2016 an
Trump fielen und in denen der demokrati-
sche Kandidat nächstes Jahr gewinnen
muss, um ins Weiße Haus einzuziehen, ist
ein Amtsenthebung des gewählten Präsi-
denten ziemlich unbeliebt.

Delhi– Es ist, wie so oft, ein schmaler
Grat. Angela Merkel hat sich während ih-
res vierten Besuches in Indien auf die Spu-
ren des Mahatma Gandhi begeben. Im
„Old Birla House“, in dem Gandhi die letz-
ten 144 Tage seines Lebens verbracht hat,
sogar buchstäblich. Die Bundeskanzlerin
folgt dort zusammen mit Premierminis-
ter Narendra Modi dem letzten Gang Gan-
dhis zum Gebet am Morgen des 30. Januar
1948, vor seiner Ermordung durch einen
Hindu-Nationalisten. In der Gedenkstätte
erinnern Tafeln an große Worte des Moral-
lehrers. „Mein Leben ist meine Botschaft“,
lautet eines.

Es gibt Momente an diesem Tag in De-
lhi, da wirkt es fast, als sei die Kanzlerin
als Pilgerin nach Indien gekommen.
Schon ein bisschen entrückt von den Din-
gen, bereits unterwegs zu ihrem Platz in
der Geschichte. Ein wenig darf das viel-
leicht so wirken. Aber eben nur ein wenig.
Das ist der Grat.
Wie sie auf dem zu wandeln gedenkt, of-
fenbart Merkel gleich am Morgen. Nach-
dem sie an der Einäscherungsstätte Gan-
dhis auf Strümpfen Blumen dargebracht
hat, notiert sie zwei schlichte Sätze. „Im
Gedenken an Gandhi, der mit seinem
Glauben an die friedliche Revolution die
Welt verändert hat. Auch bei uns in
Deutschland“, steht mit der Unterschrift
Angela Merkels nun im Gästebuch. Das
kann man vielseitig lesen. Innenpolitisch
zum Beispiel so, dass die Kanzlerin die
friedliche Revolution in der DDR und den
Mauerfall, der sich in wenigen Tagen zum


  1. Mal jährt, nicht den Nationalisten von
    der AfD zu überlassen gedenkt. Außenpo-
    litisch funktioniert der Eintrag aber auch.
    Da dann wohl auch als sachte Mahnung
    an den hindu-nationalistischen Gast-


geber Modi, der die Teilautonomie Kasch-
mirs und der dort lebenden Muslime gera-
de recht brachial beendet hat.
Dergleichen trübt aber nicht die Harmo-
nie während der fünften deutsch-indi-
schen Regierungskonsultationen. Premi-
erminister Modi nutzt einen gemeinsa-
men Auftritt vor der Presse für fast über-
schwänglichen Dank an Merkel. Er preist
ihr Schaffen in anderthalb Jahrzehnten,
Angela Merkel als „Freundin Indiens und
auch als persönliche Freundin von mir“,
nennt sie eine „herausragende Anführe-
rin nicht nur in Europa, sondern in der
Welt“. Die Zukunft der deutsch-indischen
Beziehungen zeichnet er in hellen Farben
und schreibt das der Tatsache zu, dass
Merkel sich als so „fähige Politikerin“ er-
wiesen habe. Merkels Schicksal allerdings
ist es, dass in den Schlussjahren ihrer
Kanzlerschaft alles, gerade das Lob, auch
als Abgesang verstanden werden kann.

Gewisse Szenen scheinen das dann
auch noch zu illustrieren. Wie Merkel bei
drückendem Smog während des Abspie-
lens der Hymnen mutterseelenallein un-
ter einem Baldachin sitzt, ist so eine Sze-
ne. Seit den Zitterepisoden im Sommer ab-
solviert Merkel diese Pflicht stets im Sit-
zen. Und allein ist sie, weil das bei dieser
Zeremonie in Indien so üblich ist. Alles er-
klärlich also, aber Bilder haben ihre eige-
ne Sprache. Seit der desaströsen Thürin-
gen-Wahl fliegen in der CDU die Fetzen,
Merkel selbst steht unverblümt in der Kri-
tik. Die Kanzlerin lasse „politische Füh-
rung und klare Aussagen“ vermissen, hat-
te Ex-Fraktionschef Friedrich Merz sie
frontal angegriffen. Die Kanzlerin, ein-
sam auf einem Stuhl im fernen Delhi – das
scheint folglich zu sitzen.
Andererseits: Beklagen nicht gerade
auch die Merkel-Kritiker eine zunehmen-
de Abwesenheit Deutschlands auf interna-

tionaler Bühne? Merkel, die auf dem Weg
durch die indische Hauptstadt alle paar
Hundert Meter von ihrem eigenen Konter-
fei begrüßt wird, ist jedenfalls immer
noch gefragt. Neben viel zu Investitionen,
Klimaschutz, Digitalem und auch einem
Bekenntnis zur Förderung von Ayurveda
und Yoga enthält die 73 Punkte lange Ab-
schlusserklärung jedenfalls auch ein Be-
kenntnis zu „gemeinsamen Werten und
Grundsätzen von Demokratie, fairem und
freien Handel und einer regelbasierten
Ordnung“. Letztlich geht es in Delhi – ne-
ben der Hoffnung auf besseres Geschäft –
um Bündnispolitik, darum also, Gegenge-
wichte zu schaffen zu einer immer unge-
nierteren Großmachtpolitik des autoritä-
ren China. Merkel lobt Außenminister Hei-
ko Maas(SPD), der in Delhi dabei ist, da-
für, dass er Indien in seine Allianz der Mul-
tilateralisten geholt hat.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch,
dass es nur drei Minister sind, die Merkel
nach Delhi begleiten: neben Maas sind es
Landwirtschaftsministerin Julia Klöck-
ner, Bildungsministerin Anja Karliczek
(beide CDU). Wirtschaftsminister Peter
Altmaier (CDU) musste sich nach seinem
Sturz entschuldigen. Finanzminister Olaf
Scholz ist damit beschäftigt, SPD-Chef zu
werden, Verteidigungsministerin Anne-
gret Kramp-Karrenbauer wiederum da-
mit, als CDU-Chefin potenzielle Kanzler-
kandidatin zu bleiben.
Wie sie denn die Diskrepanz zwischen
Lobpreisung in Delhi und der Kritik in Ber-
lin empfinde, wird Merkel von einer Jour-
nalistin gefragt. Hier könnte Gandhi hel-
fen. „Wir müssen stets auf die Kritik an un-
seren Fehlern und Unzulänglichkeiten hö-
ren, nie auf das Lob“, hat er gesagt. Eine Ta-
fel an der Einäscherungsstätte erinnert
daran, aber die hat Merkel wohl nicht gese-
hen. Sie freue sich, dass sie „auch in
Deutschland für meine Arbeit sehr viel Un-
terstützung habe“. Ansonsten müsse man
in einer Demokratie eben auch mit Kritik
umgehen. daniel brössler

Rio de Janeiro –Brasiliens Präsident
Jair Bolsonaro hat dem TV-Sender „Glo-
bo“ mit dem Entzug der Sendelizenz
gedroht. Der größte Sender des Landes
hatte über einen angeblichen Bezug des
Präsidenten zu einem Mordfall berich-
tet. Es ging um die Aussage eines Pfört-
ners, der einen Verdächtigen in ein be-
sonders gesichertes Wohngebiet passie-
ren ließ. Der Mann habe angegeben, zu
Bolsonaros Haus gelangen zu wollen,
sagte der Pförtner. Der Verdächtige habe


sich dann auf dem abgeriegelten Areal
aber nicht mit Bolsonaro, sondern mit
dem mutmaßlichen Mörder der linksge-
richteten Politikerin Marielle Franco
getroffen. Die Menschenrechtsaktivistin
wurde im März 2018 erschossen. „Wir
werden 2022 reden“, sagte Bolsonaro
(FOTO: AP) nach dem Bericht in einer Video-
Botschaft. „Ihr solltet besser hoffen,
dass ich dann tot bin“, sagte das Staats-
oberhaupt und verwies damit auf die
dann anstehende Verlängerung der Glo-
bo-Lizenz. reuters


Athen– Das griechische Parlament hat
nach mehr als 14-stündiger Debatte am
Freitagmorgen mit großer Mehrheit eine
Verschärfung des Asylgesetzes verab-
schiedet. Ziel der konservativen Regie-
rung unter Premier Kyriakos Mitsotakis
ist es, die Asylverfahren zu beschleuni-
gen und Antragsteller im Rahmen des
Flüchtlingspakts zügiger zurück in die
Türkei zu schicken. Zudem sollen bis Jah-
resende rund 20000 Asylbewerber von
den völlig überlasteten Inseln aufs Fest-
land gebracht werden. Das griechische
Asylsystem sei seit langem gelähmt, sag-
te Mitsotakis vor dem Parlament. Es ver-
breite die Botschaft, jeder könne in Grie-
chenland bleiben. Künftig solle „jeder An-
trag nach sechs statt nach neun Monaten
geprüft werden“. Kooperiere der Antrags-
steller nicht mit den Behörden, werde der
Antrag automatisch für unbegründet er-
klärt. Mitsotakis appellierte erneut an
die EU-Mitgliedstaaten: „Es kann nicht
sein, dass ein Land die Freizügigkeit der
EU nutzt und sich zugleich weigert, auch
nur die kleinste Migrationslast zu teilen.“
Europäische Solidarität gebe es nicht à la
carte. Die Opposition und humanitäre Or-
ganisationen kritisierten die Gesetzesver-
schärfung: Das Recht auf umfassende
Prüfung von Asylanträgen werde ausge-
höhlt. Auf den Inseln der Ostägäis harren
fast 35 000 Migranten aus. Kapazität gibt
es nur für 7000; die Migranten leben un-
ter unwürdigen Bedingungen. Die Men-
schenrechtskommissarin des Europa-
rats, Dunja Mijatovic, sagte nach einem
Besuch der Inseln, „dies hat nichts mehr
mit der Aufnahme von Asylbewerbern zu
tun.“ Die Lage sei „explosiv“. Indessen
kam eine Gutachterin des Europäischen
Gerichtshofs zum Schluss, Ungarn, Polen
und Tschechien hätten wegen mangeln-
der Solidarität in der Flüchtlingskrise ge-
gen EU-Recht verstoßen. dpa, kna

Rom– In Italien gibt eine Ovation zu re-
den. Nicht wegen derer, die dabei stan-
den und klatschten. Sondern wegen der
Sitzenden. Die Szene trug sich diese Wo-
che im Senat zu, der kleinen Kammer des
Parlaments. Gerade hatten 151 Senatoren
für die Schaffung einer parlamentari-
schen Sonderkommission gestimmt, die
sich mit allen Formen des Hasses befas-
sen soll, etwa mit Rassismus, Antisemitis-
mus und Hassrede im Netz, da erhoben
sich alle im linken Teil der Aula, um der
Berichterstatterin für ihren Einsatz zu
danken. Liliana Segre, Senatorin auf Le-
benszeit, ist 89Jahre alt. Auf dem Arm
trägt sie eine Zahl: 75190, ihre Internie-
rungsnummer im KZ Auschwitz.

Im rechten Teil der Aula, den Rängen
der Opposition, blieben alle sitzen: 98 Se-
natoren, Fraktionsmitglieder der rechts-
nationalistischen Lega, der postfaschisti-
schen Fratelli d’Italia und der eigentlich
bürgerlichen Forza Italia. Sie hatten sich
der Stimme enthalten und blieben ein-
fach sitzen, die meisten mit finsteren Mie-
nen. Nun kann man politisch über fast al-
les streiten, selbst über Nutzen und Defi-
nition einer Sonderkommission zum Ras-
sismus. Doch das demonstrative Sitzen-
bleiben, während eine Überlebende des
Holocaust geehrt wird, ein lebendes Mo-
nument des Erinnerns, entfacht nun De-
batten über die fortschreitende Radikali-
sierung der italienischen Rechten.
Segre ist seit Monaten oft Opfer von
Hassrede im Netz, im Schnitt 200Be-
schimpfungen am Tag. Ein Journalist
vonLa Repubblicasammelt sie. Dinge
wie: „Diese Scheißjüdin – Hitler, du hast
deinen Job nicht richtig gemacht.“ Oder:
„Sie würde gut in eine dieser sympathi-
schen Verbrennungsanlagen passen.“
DerCorriere della Seraschreibt vom „Cre-
scendo des Horrors“. Die „Commissione
Segre“ soll Wege suchen, den Strom des
oft verfassungswidrigen, öffentlich ver-
breiteten Hasses zu stoppen.
In der Debatte behauptete die Rechte,
die Regierungsmehrheit wolle mit Maul-
körben Einheitsdenken fördern, politi-
sche Korrektheit, linken Mainstream. So,
sagten etwa die Postfaschisten, gerate
auch ihr Nationalismus an den Pranger,
obschon er nur ihren Patriotismus aus-
drücke. Für Matteo Salvini, Senator und
Chef der neuen Rechten, arbeitet die Lin-
ke an einem Polizeistaat, der abweichen-
de Meinungen bestrafe. Nur bei Forza Ita-
lia schämen sich nun einige Senatoren,
dass ihr politisches Lager sitzen blieb, als
der Senat Segre seine Solidarität gegen
die Hass-Schreiber kundtat.
Die Empörung geht über die Politik
hinaus. „Ich bin besorgt“, sagte Kardinal
Pietro Parolin, als Staatssekretär die
Nummer Zwei des Vatikans. Bei gewissen
Fragen, elementaren Werten, müssten al-
le einig sein. Ruth Dureghello, Präsiden-
tin der jüdischen Gemeinde Roms, er-
staunt die Spaltung, gerade jetzt: „Das ist
ein komplizierter Moment für die Juden
in Europa.“ Liliana Segre hielt sich weni-
ger mit der halben Ovation auf als dem
Stimmverhalten bei der Schlussabstim-
mung zur Kommission, sie verwendete ei-
ne einfache Formel: „Im Kampf gegen
den Rassismus kann man sich nicht der
Stimme enthalten.“ oliver meiler

Auf dem Spiel steht nichts
weniger als unsere Demokratie.
Wofür wir kämpfen?
Wir verteidigen unsere
Demokratie für das Volk.“

Mehrheitsführerin Nancy Pelosi

Es werde Licht


DasRepräsentantenhaus billigt formell die Ermittlungen gegen Donald Trump. Allerdings kann sich
die Mehrheit der Amerikaner immer noch nicht dafür begeistern, den Präsidenten aus dem Amt zu entfernen

Die Kanzlerin begibt sich
während ihres Indien-Besuchs
auf die Spuren des Mahatma

Von Gandhi lernen


Während sie in Berlin kritisiert wird, erfährt Angela Merkel in Delhi Lobpreisungen für ihre Politik und ihre Person
Griechenland

verschärft Asylgesetze


Kairo– Die Extremistenmiliz Islami-
scher Staat (IS) hat Rache an den USA für
den Tod ihres Anführers Abu Bakr al-
Bagdadi angekündigt. „Vorsicht vor
Vergeltung gegen ihre Nation und ihre
Brüder von Ungläubigen und Abtrünni-
gen“, sagte ein IS-Sprecher an die USA
gewandt in einer Videobotschaft, die der
Nachrichtendienst der Miliz Amak veröf-
fentlichte. Der IS bestätigte auch den
Tod Bagdadis und des IS-Sprechers Abu
al-Hassan al-Muhadschir. Als Nachfol-
ger Bagdadis wurde Abu Ibrahim al-Ku-
raischi benannt. Experten war dieser
Name nicht bekannt. US-Präsident
Donald Trump hatte vor einer Woche
Bagdadis Tod bekannt gegeben. Dem-
nach starb er bei einem Einsatz von
US-Spezialkräften im Nordwesten von
Syrien. reuters  Seite 4


Madrid/Berlin– Nach Chiles Absage
für die Weltklimakonferenz im Dezem-
ber springt Madrid als Gastgeber ein. Sie
freue sich mitzuteilen, dass das verant-
wortliche Gremium zugestimmt habe,
dass das zweiwöchige Spitzentreffen der
Klimadiplomatie von 2. bis 13. Dezem-
ber in der spanischen Hauptstadt statt-
finde, teilte die Klimachefin der Verein-
ten Nationen, Patricia Espinosa, am
Freitag mit. Das ist der ursprünglich
angesetzte Zeitraum für die Konferenz.
Spaniens Regierung hatte Hilfe angebo-
ten, nachdem Chile wegen der heftigen
sozialen Proteste im Land überraschend
die Austragung abgesagt hatte. Zunächst
war als Ersatzort auch Bonn im Ge-
spräch gewesen. dpa


Moskau– In Russland ist das Gesetz für
ein eigenständiges Internet unter kom-
pletter Staatskontrolle in Kraft getreten.
Es sei eine Frage der „nationalen Sicher-
heit“ hatte Präsident Wladimir Putin
erklärt. „Damit übernimmt der Staat
erstmals die volle technische Kontrolle
über das Internet“, sagte der russische
Internetexperte Alexander Isawnin von
der unabhängigen Organisation Ros-
komswoboda der dpa. Das Gesetz sieht
auch umfangreiche Vorratsdatenspeiche-
rung vor. Demnach soll der russische
Internetverkehr künftig über Knoten-
punkte im eigenen Land gelenkt wer-
den. Schon jetzt sind viele Internetsei-
ten, die etwa in Deutschland frei abruf-
bar sind, für russische Nutzer gesperrt –
etwa die des Kreml-Gegners Michail
Chodorkowski. Ebenfalls am Freitag hat
Russlands Oberstes Gericht die renom-
mierte Menschenrechtsorganisation des
Aktivisten Lew Ponomarjow aufgelöst.
Die Gruppe habe wiederholt gegen meh-
rere Gesetze und die Verfassung versto-
ßen, urteilte der Gerichtshof der Agen-
tur Tass zufolge. Der 78-Jährige kündig-
te an, trotzdem weiterzuarbeiten und
die Entscheidung auch beim Europäi-
schen Gerichtshof für Menschenrechte
in Straßburg anzufechten. Nach Inkraft-
treten des Urteils muss die Organisation
„Für Menschenrechte“ aus dem Register
gestrichen werden. dpa Seite 4


Rom– Das deutsche Rettungsschiff
Alan Kurdi, das mit 88 Migranten an
Bord seit knapp einer Woche auf dem
Mittelmeer fährt, ist am Freitag eigen-
mächtig in Italiens Hoheitsgewässer
eingefahren. Die Organisation Sea Eye
begründete das mit schlechtem Wetter.
Dem Schiff sei kein sicherer Hafen zuge-
wiesen worden. „Das Wetter wird immer
schlechter, die Leute an Deck werden
nass, wir haben am frühen Nachmittag
entschieden, dass das Schiff Schutz in
der Nähe der Küste suchen muss“, sagte
Sea-Eye-Sprecher Gordon Isler der dpa.
Man habe die italienischen Behörden
informiert. Diese hätten die Entschei-
dung zur Kenntnis genommen. dpa


Nur eine Hälfte


gegen Rassismus


Rechte italienische Senatoren
verweigern Hassopfer Solidarität

Salvini redet vom Polizeistaat,
der andere Meinungen bestrafe

„Sehr bald“, so sagt die Demokratin Nancy Pelosi, werde die nächste Phase im Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump beginnen. FOTO: WIN MCNAMEE/AFP

8 POLITIK HMG Samstag/Sonntag,2./3. November 2019, Nr. 253 DEFGH


Indiens Premierminister Narendra Modi (ganz rechts) empfängt Angela Merkel
am Freitag vor dem Präsidentenpalast in Delhi. FOTO: MANISH SWARUP/AP

Präsident Bolsonaro droht


IS droht den USA


Klimakonferenz in Madrid


Russisches Staats-Internet


Einfahrt in Hoheitsgewässer


AUSLAND

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