Berliner Zeitung - 02.11.2019

(nextflipdebug5) #1

Berlin


Berliner Zeitung·Nummer 255·2./3. November 2019 11 *·························································································································································································································································································

bliothek war das unangefochtene
Haupt der DDR-Bibliotheksland-
schaft. Dass ihr Gebäude sich auch
fast ein halbes Jahrhundertnach
demKriegnochineinembeklagens-
wertenZustandbefand,warkeinAr-
gumentineinemStaat,deretwadie
grandioseUniversitätsbibliothek in
Leipzig vollständig alsRuine hatte
liegen lassen und auch im osteuro-
päischenVergleich bemerkenswert
wenige Bibliotheksbauten erstellte.
In West-Berlin dagegen hatte nicht
zuletztdergrandioseBauderneuen
StaatsbibliothekvonHansScharoun
eineeigeneIdentitätherausgebildet:
Hierwurdegeradedieantihierarchi-
sche,die aufklärerischeTradition
Preußens betont, sein Charakter als
moderner,bürgerlicherReformstaat
undalswichtigsteStützederdemo-
kratischenWeimarer Republik.
DiesezweiPreußen-Begeisterun-
gen aus ganz unterschiedlichen
Richtungen führten dazu, dass sich
fürdiealteStaatsbibliothekeineher
konservatives architektonisches
Konzept durchsetzte–das nun, im
Zeitalter vonDigitalisierung, neuen
Medien, neuenForschungsmetho-
den bemerkenswertrückwärtsge-
wandterscheint.
DasbaulicheOpferder Preußen-
Renaissance wurden auch alleZeu-
gen der doch sehr langen DDR-Ge-
schichte.HGM erzließauch,imEin-
vernehmenmitdendiversenStaats-
bibliotheksleitungen, der Leitung
der Stiftung PreußischerKulturbe-
sitz und demKulturstaatsministe-
rium, die beiden einzigen künstle-
risch bedeutenden Säle der DDR-
Zeitausdenspäten60er-Jahrenzer-
stören und durch eigeneInterieurs
ersetzen, denMusik- und denGe-


sellschaftswissenschaftlichen Saal.
Auch die Berliner Denkmalpflege,
die doch sonst predigt, dass die di-
versen historischen Schichten eines
Gebäudes auch nach einerSanie-
rung noch ablesbar sein sollten,
stand in den 90erneben unter dem
Preußen-Bann.
DieseSehnsuchtnachderalten
PreußischenStaatsbibliothek ist
bis in Details hinein zu nachzu-
vollziehen:InderStiftungPreu-
ßischer Kulturbesitz wirdnicht
vonder „alten“ Staatsbiblio-
thekUnterdenLindenundder
„neuen“ Staatsbibliothek am
Kulturforum gesprochen, son-
dernvom „Haus I“ und dem
darauf folgenden„Haus II“, das
schon im Begriff notwendiger
Weise nur eineErgänzungvon
HausIseinkann.Undesg ibtgera-
dezu absurde praktische Folgen:
ZwarkönnendieBücherohneweite-
resind emeinenoderindemande-
renHausgelesenwerden.Ausleihen
aber kann man nur in der neuen
Staatsbibliothek –ist doch die
GrundkonzeptionderaltenStaatsbi-
bliothek, nur alte Bücher zu haben,
dienichtmehrausgeliehenwerden.
Essollte wenigstenseinekleineLeih-
stelle für die neuerenWerkeeinge-
richtetwerden.

DieGrößteunddieKleinste
Ironie derGeschichte: Am gleichen
nächstenMontag wirdamH ansa-
platzauchdie„Hansabücherei“–in-
zwischenumfassenderHansabiblio-
thekgenannt,weileshierumKultur
und Medien insgesamt und nicht
mehr nur um Bücher geht–nach
zwei Jahren Sanierung wieder der
Öffentlichkeitübergeben.Sieistei ne

Nikolaus Bernau
liebt wirklich alle
Bibliotheken.

Staatsbibliothek zu Berlin
HausPotsdamer Straße

Staatsbibliothek zu Berlin
Westhafen

Berliner Stadtbibliothek

Pariser
Platz

Amerika-Gedenkbibliothek

500 m

BLZ/HECHE

R

WEDDING

MITTE

KREUZBERG

CHARLOTTENBURG

SCHÖNEBERG

PRENZLAUER
BERG

Staatsbibliothek zu Berlin Hansabibliothek
Haus Unter den Linden

navien, den USA undGroßbritan-
nien. Hier ging esvorallem darum,
mit der leichten Architektur,aber
auchmitBüchern,Schallplattenund
Kinderbibliotheken sowie dem ma-
ximal freienZugang dieDeutschen
vomwestlichenDemokratiemodell
zu über zeugen. Dass schon Dütt-
manneinefreieAusstellungswand
einplante,istebenkeineMarotte,
sondernpädagogischesKonzept
gewesen,umeinerneuenNazi-
zeit oder demKommunismus
vorzubeugen.
Zwar wär ejeder direkteVer-
gleich zwischen den beiden
Projekten absurd–hier eine in
Millionen Bänden zu messende
wissenschaftlicheBibliothekmit
eineminternationalenPublikum,
dorteine kleine Lokalbibliothek.
Aber die beiden Häuser demons-
trieren doch eineBerliner Architek-
tur-und Denkmallandschaft, die in-
ternational ihresgleichen sucht, aber
in der Stadt oft übersehen wi rd:die
desBibliotheksbausnämlich.
Zwar fehlt eine Saal-Bibliothek
des Barock seit derZerstörung der
ersten Königlichen Bibliothek am
heutigen Bebelplatz. Doch begin-
nend mit demBauder erstenUni-
versitätsbibliothek an der Doro-
theenstraße1874sindinBerlinprak-
tisch alleEpochen undMethoden
desBibliotheksbausinerstklassigen
Beispielen vertreten. Dasbeginnt
mit den großen wissenschaftlichen
Universalbibliotheken, eben der al-
tenundderneuenStaatsbibliothek,
geht über dieUniversitätsbibliothe-
ken, die etwa mit demGrimm-Zen-
trum und derPhilipp-Schäffer-Bi-
bliothek derHumboldt-Universität,
derVolkswagen-BibliothekderTech-

nischenUniversitätoderderFoster-
Bibliothek der Freien Universität
auch in der jüngstenZeit Herausra-
gendesgebauthaben.
Vergleichbarvorbildlich sind in-
zwischen so mancheBezirksbiblio-
theken, etwa jene in Köpenick oder
die in Wedding. DieStadt Berlin al-
lerdings ,die mit denBezirks- und
StadtteilbibliothekenwiederHansa-
bibliothekinsgesamtderzeitumdie
80 Standorte für dieBreitenversor-
gungmitMedienanbietet,hängter-
heblich nach: Obwohl sich interna-
tionalimmerwiederzeigt,dassneue
Bibliotheken auch neue Nutzer-
schichtenanziehen,wurdederBerli-
ner Zentral- und Landesbibliothek
seit Jahrzehnten die nötigeErweite-
rungverweigert.
Erstjetzt,wodieNotunüberseh-
bargewordenist–ihreHäuserinder
Breiten Straße und amHalleschen
Torsind vonNutzern regelrecht ge-
flutet,stimmenbaulichinkeinerArt
undWeise mehr mit modernen An-
sprüchenüberein–,wirdendlichder
Neubaugeplant.Ersollnachaktuel-
lenPlänensoum2025beginnen.Im
gleichenZeitraumalso,ind emauch
die neue Staatsbibliothek saniert
werdenwird.BerlinsBibliothekswe-
senbleibteineDauerbaustelle.

Veranstaltungen:


  1. November ab 17.30 Uhr,Feier in der
    Hansabibliothek;

  2. November,10bis 18 Uhr,Tag derOffenen Tür
    in der StaatsbibliothekUnter den Linden


der kleinstenStadtteilbibliotheken
Berlins,intim, 1957 zurInterbau-
Ausste llung vonihrem Architekten
HansDüttmannumeinenInnenhof
herum angelegt.EinMuste rbeispiel
frischer ,heiterer Architektur der
Nachkriegsmoderne,die alles sein
wollte,nur ei nes nicht: kaiserlich-
monumental nämlich.Diegesamte
Euphorie derBildungsreform, die
dannum1968ihrenDurchbrucher-
leben sollte,ist hier Architektur ge-
worden.BisindieMöbelunddielo-

cker gestelltenRegale hinein ist das
nun wieder nachzuempfinden.Ein
Muster beispielgeglückterDenkmal-
pflege.
Diegroße Schwester derHansa-
bibliothek ist die 1954 übergebe
Amerika-Gedenkbibliothek von
Fritz Bornemann undWilly Kreuer.
Beideerinnernauchdaran,dassdie
Bibliotheksarchitektur in derBun-
desrepublikundbesondersinWest-
Berlin intensiv geprägt wurdevon
derAuseinandersetzungmitSkandi-

Ein Buch, bitte! Blick in den Allgemeinen Lesesaal SABINE GUDATH

Großer Auftritt: DasTreppenhaus der sanierten Staatsbibliothek.

Erste Anlaufstelle: So sieht das Info-Zentrum aus. Mal nicht lesen: Am Montag wird in der Hansabibliothek gefeiert.

Bei laufendem Betrieb saniert: die Bibliothek im Hansa-Viertel.

Lass HalloweeninsWasser fallen –z.B.auf MadeiraoderZypern.


FÜRALLEMIT SCHWACHEM

NERVENKOSTÜM.
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