Süddeutsche Zeitung - 06.11.2019

(Tina Sui) #1
von harald freiberger

M


anchmal wundert sich André Salz-
wedel, wenn wieder eine neue Ak-
tion eines Robo Advisors bei ihm
eintrifft. Er betreut beim Internetportal
brokervergleich.de einen Echtgeldtest für
die relativ junge Anlagebranche, die das
Geld ihrer Kunden per Algorithmen auf
dem Kapitalmarkt investiert. Brokerver-
gleich.de hat echtes Geld in knapp 20 Ro-
bo Advisors investiert, jeweils in ein Depot
mit ausgewogener Risikostruktur, meist
einen mittleren vierstelligen Betrag. So
kann das Portal jeden Monat konkret able-
sen, wie sich das Depot jedes Anbieters ent-
wickelt.
Salzwedel bekommt also wie jeder Kun-
de mit, was sich bei den einzelnen Robo Ad-
visors tut. Was ihm derzeit auffällt: Es gibt
ziemlich viele Nachrichten von den Anbie-
tern. Sie kündigen Aktionen mit Prämien
von mehreren Hundert Euro an, sie erlas-
sen Kunden die Gebühren für eine gewisse
Zeit oder einen gewissen Anlagebetrag.
Und immer wieder senken sie den Mindest-
betrag, den Kunden bei ihnen anlegen müs-
sen oder den sie in einen monatlichen Spar-
plan einzahlen können.


Die Mindestsumme ist zu einem wichti-
gen Anker geworden, auf den sich der Wett-
bewerb konzentriert. „Die Anbieter wollen
die Einstiegshürden für die Kunden sen-
ken“, sagt Salzwedel.
Vor sechs Jahren ging der erste Robo Ad-
visor in Deutschland an den Start. Am An-
fang wurden die Robos von der traditionel-
len Geldbranche – Banken, Fondshäuser,
Vermögensverwalter, Versicherungen –
noch schief angesehen. Inzwischen ist vie-
len klar, dass die Idee einer digitalen, güns-
tigen Geldanlage Zukunft haben dürfte.
Auch wenn die junge Branche noch relativ
wenig verwaltetes Vermögen angezogen
hat – Schätzungen zufolge sind es rund
vier Milliarden Euro –, traut man ihr gro-
ßes Potenzial zu. Deshalb gibt es mittler-
weile keine große Bank oder Bankengrup-
pe mehr, die nicht einen eigenen Robo Advi-
sor an den Start gebracht hat: Bei der Com-
merzbank ist es Cominvest, bei der Deut-
schen Bank Robin, bei den Sparkassen
heißt er Bevestor, bei den Volks- und Raiff-


eisenbanken Visualvest. Insgesamt sind es
inzwischen deutlich mehr als 20 Anbieter.
Sie alle buhlen um das Geld der Kunden,
um auf eine kritische Größe zu kommen.
Das Geschäft lohnt sich erst, wenn man
mindestens eine Milliarde Euro verwaltet,
lautet eine Faustregel in der Branche. In
diese Region ist bisher nur der Marktfüh-
rer Scalable Capital mit mehr als 1,8 Milliar-
den Euro Kundengeld vorgestoßen.
Deshalb tobt der Wettbewerb um neue
Kunden, und ein wichtiges Mittel dabei ist
es, die Mindestanlagesumme zu senken.

Angefangen haben viele Anbieter einmal
mit mittleren fünfstelligen Beträgen, zum
Beispiel 50 000 Euro, bei manchen war es
sogar sechsstellig. So viel musste der Anle-
ger mindestens mitbringen, wenn er Kun-
de bei einem Robo Advisor werden wollte.
Die Branche wandte sich, ganz in der Tradi-
tion der Vermögensverwalter, ursprüng-
lich an eine vermögende Klientel.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Ei-
ne Reihe von Anbietern versucht mittler-
weile, gezielt weniger betuchte Kunden zu
gewinnen: Die Targobank hat für ihren Ro-

bo Advisor Pixit die Mindestanlagesumme
von 5000 auf 100 Euro gesenkt. Bei Quiri-
on läuft bis Ende November eine Aktion
mit einer Mindestsumme von 1000 Euro,
darüber hinaus sind die ersten 10000 Euro
dauerhaft gebührenfrei. Bei Robin, White-
box, Ginmon, Investify und Sutorbank
können Anleger ab 5000 Euro Kunden wer-
den, bei Cominvest ab 3000 Euro, bei Finte-
go ab 2500 Euro, bei Oskar ab 1000 Euro,
bei Visualvest und Weltinvest ab 500 Euro,
bei Growney sogar ab einem Euro. Auch
für Sparpläne werden die Hürden immer

niedriger: Quirion bietet sie ab einer Spar-
summe von 30 Euro im Monat an, Oskar
und Visualvest ab 25 Euro, Easyfolio ab
zehn Euro, Whitebox ab fünf Euro, Robin
und Growney sogar ab einem Euro.
Marktbeobachter Salzwedel findet den
Trend zur niedrigen Einstiegshürde grund-
sätzlich positiv. Bei manchem Angebot
aber wundert er sich: „Eine Mindestsum-
me von 1000 Euro ist vielleicht für den
Kunden interessant, nicht unbedingt aber
für den Anbieter“, sagt er. Die Verwaltungs-
kosten sind dabei vermutlich höher als die

Einnahmen. Sinnvoll ist ein solches Ange-
bot nur, wenn man es unter Marketingkos-
ten verbucht: Der Robo Advisor nimmt erst
einmal Geld in die Hand, um Kunden zu
werben, und zählt darauf, irgendwann an
ihm zu verdienen. „Die Online-Vermögens-
verwaltungen hoffen, dass der Kunde spä-
ter mehr bei ihnen anlegt“, sagt Salzwedel.
Auch über den Sinn eines Sparplans mit ei-
ner Sparsumme von einem Euro pro Mo-
nat lässt sich seiner Meinung nach strei-
ten: „Wir empfehlen mindestens 50 Euro.“
Bei niedrigeren Beträgen stünden die Kos-
ten in keinem Verhältnis zum Ertrag.
Ein interessanter Nebeneffekt des Echt-
geldtests von brokervergleich.de ist, dass
das Portal die Anlagestrategie jedes Robo
Advisors konkret nachvollziehen kann: In
welche Anlageklassen und Regionen inves-
tiert der Anbieter das Geld seiner Kunden
(meist über Exchange Traded Funds, ETF)
in welchem prozentualen Verhältnis?
Wann und wie häufig nimmt er Verände-
rungen vor, welche Anlagen werden dann
verkauft und gekauft?

Die Daten von brokervergleich.de zei-
gen, dass die Strategien der einzelnen Ro-
bo Advisors höchst unterschiedlich sind:
Manche verändern das Depot auch über
einen längeren Zeitraum kaum, andere
schichten immer wieder im großen Stil
um. Beispiele für die einjährige Testphase
ab 1. Mai 2018: Ginmon bewegte das Depot-
volumen in dieser Zeit gerade um ein Pro-
zent, Vaamo (das inzwischen Moneyfarm
heißt) um 1,3 Prozent, Weltinvest um
2,8 Prozent. Am anderen Ende der Skala
befinden sich Visualvest mit 108 Prozent,
Robin mit 246 Prozent, Scalable mit 308
Prozent und Cominvest mit 562 Prozent.
Was bedeutet: Bei einem Depot mit 10000
Euro wurden binnen eines Jahres ETF im
Wert von 56 200 Euro umgeschichtet.
Ali Masarwah von der Fonds-Rating-
agentur Morningstar sieht zu viel Bewe-
gung im Depot kritisch: „Ein gewisses Re-
balancing ist okay, also eine regelmäßige
Anpassung der Anlageklassen an die ge-
wünschte Verteilung“, sagt er. Hektischer
Aktionismus sei gerade bei der langfristi-
gen Geldanlage aber nicht angebracht:
Käufe und Verkäufe verursachten Kosten
und schmälerten damit die Rendite.

Robo Advisors treffen in Deutschland auf
Kunden,die ihr Geld trotz hoher Gebühren
und Niedrigzinsen am liebsten auf einem
Konto horten, anstatt es in Wertpapiere zu
investieren. Digitale Vermögensverwalter
wollen das ändern. Dafür geben sie riesige
Summen für Marketing aus. Mit wachsen-
der Größe wollen die Anbieter ihre eigene
Profitabilität erhöhen. Noch haben die
meisten die Gewinnschwelle nicht er-
reicht.
Das Sparen ist in Deutschland eine be-
sondere Angelegenheit. Faktisch legen die
meisten Deutschen ihr Geld dort zur Seite,
wo es im Bedarfsfall in der Zukunft weni-
ger wert sein wird. Eine aktuelle Studie des
Bundesverbandes der Deutschen Volks-
banken und Raiffeisenbanken (BVR) stellt
fest: „Der Großteil der Gelder wird bei Ban-
ken und Versicherungen angelegt. Die nied-
rigen Zinsen reichen in der Regel nicht aus,
um die Kaufkraftverluste durch die stei-
genden Verbraucherpreise ausgleichen zu
können.“
Mit einer Sparquote von 10,4 Prozent im
ersten Quartal dieses Jahres legten die
Deutschen einen noch höheren Anteil von
ihrem verfügbaren Einkommen zurück als
in den vergangenen Jahren. Im ersten
Quartal 2019 stieg das Geldvermögen auf
6356 Milliarden Euro. Dies bedeutete
einen Zuwachs des Geldvermögens von
276 Milliarden Euro im Vergleich zum Vor-
jahresquartal. Laut Studie flossen 40 Pro-
zent dieser Summe in Bankeinlagen, zwei
Drittel davon auf Giro- und Tagesgeldkon-
ten. Weniger schnell wuchsen hingegen
die Vermögen in Wertpapieren und Versi-
cherungen. „Mit rund 14 Prozent der Geld-
vermögensbildung sind Aktien und Invest-
mentfonds angesichts der aktuellen Zinssi-
tuation im Portfolio der Bürger unausgewo-
gen repräsentiert“, schreibt der BVR.
In diesem Umfeld ist es für Robos
schwer, neue Kunden zu gewinnen. Die
voll automatisierten Vermögensverwalter
benötigen dabei nicht nur Sparer, die be-
reit sind, statt auf das Konto lieber auf bör-
sengehandelte Fonds zu setzen. Diese müs-
sen auch noch Lust dazu haben, ihr Geld
auf digitalem Wege und ohne persönlichen
Berater verwalten zu lassen. Angesichts
der Scheu, die deutsche Sparer vor Aktien
haben, und der Skepsis vieler Anleger ge-
genüber neuen, digitalen Lösungen, verrin-
gert sich die Zielgruppe der Robos damit
drastisch. Sie bekommen zu spüren, dass
die Deutschen in Finanzangelegenheiten
jahrzehntelang alles andere als zur Selbst-
ständigkeit erzogen wurden.
Zumal jene Kunden, die in Sachen
Geldanlage bewandert sind, oft ausrei-
chende Kenntnisse besitzen, um sich ein ei-
genes breit diversifiziertes Portfolio selbst
zusammenstellen zu können. Doch Robos
haben auch ihre Stärken. Wer nicht weiß,
wie eine weltweite Streuung über verschie-
dene Kapitalanlagen und Länder funktio-
niert oder sich darum nicht kümmern


möchte, kann sich auch einfach an einen
Robo wenden, der ein nach individueller
Risikoneigung automatisiertes Portfolio
ausspuckt. Über Marketing muss die Bran-
che deshalb versuchen, bekannter zu wer-
den und das Vertrauen von potenziellen
Anlegern zu gewinnen.
Viele Robos haben über diverse Finan-
zierungsrunden große Mengen Kapital bei
Investoren eingesammelt, von denen teils
zweistellige Millionensummen in die Mar-
ketingbudgets geflossen sind. Noch aller-
dings mit überschaubarem Erfolg. Der

Markt wächst zwar kontinuierlich, aber er
explodiert nicht und läuft beispielsweise
dem Geschäft amerikanischer Anbieter
noch deutlich hinterher. Wer mit den Be-
griffen ETF (Exchange Traded Funds) und
Investieren auf fremden Internetseiten
warb, musste im Laufe der vergangenen
Jahre immer mehr bezahlen. Die Umwand-
lungsquote des Marketingbudgets in neue
Kunden gelingt jedoch nicht allen Robo Ad-
visors gleichermaßen.
Dabei scheint die Strategie der Robos
richtig angelegt zu sein. „Robos positionie-
ren sich typischerweise gegen die Vermö-
gensverwaltungen der Banken. Es gilt das

Motto: Wir sind die demokratische Vermö-
gensverwaltung, die sich auch Otto Nor-
malanleger mit einer niedrigen fünfstelli-
gen Eurosumme leisten kann“, sagt Ali
Masarwah vom Analysehaus Morningstar.
Zumal die ETF als Anlageform als „die Gu-
ten“ in der Vermögensverwaltung gelten,
wie Analyst Masarwah sagt. Und nicht ein-
mal fünfstellige Eurosummen sind noch
zwingend nötig. Neueste Angebote richten
sich bereits explizit an die Gruppe der
Kleinsparer.
Die Branche befindet sich sechs Jahre
nach ihrer Entstehung in Deutschland
noch in der Aufbauphase. Die potenzielle
Kundschaft für die Robos wird in Zukunft
wohl weiter wachsen. Die Digital Natives,
also jene Generation, die nie eine Welt oh-
ne Smartphone, geschweige denn ohne
Internet kennengelernt hat, werden den
Umgang mit automatisierter Vermögens-
verwaltung weniger scheuen. Und laut
BVR-Studie legen drei von vier Deutschen
jeden Monat Geld zur Seite. Bei einem Net-
toverdienst von unter 1000 Euro legt die
Mehrheit der Sparer bis zu 50 Euro monat-
lich zur Seite, auch diese Kundschaft wird
für die Branche zunehmend interessanter.
Für die Robo Advisors spielt das Wachs-
tum des Marktes eine entscheidende Rol-
le, weil zunehmende Größe vor allem auch
über die eigene Profitabilität entscheidet.
Noch sind die verwalteten Einlagen be-
scheiden, gemessen am Gesamtvermögen
der Deutschen. „Insofern gilt es für die Un-
ternehmen, möglichst schnell auf eine hin-
reichende Größe zu kommen. Die verwalte-
ten Einlagen zu steigern, ist zunächst ein-
mal das Wichtigste“, sagt Masarwah. Auch
weil sich die Renditen für die Anbieter in
Grenzen halten. Einerseits müssen sie die
Kosten für die Anleger günstig halten, um
grundsätzlich attraktiv zu sein, anderer-
seits verschärft sich der Wettbewerb um
neue Kunden, der dazu führt, dass Gebüh-
ren noch weiter fallen.
Auch deshalb sind Kooperationen der
Robo Advisors mit Banken inzwischen
sehr beliebt. So steigern sie sehr schnell ih-
re Reichweite und erhalten Zugang zum
Kundennetzwerk der Geldinstitute. Der
deutsche Marktführer Scalable profitiert
beispielsweise von der Zusammenarbeit
mit der ING, die damit wirbt, Deutschlands
beliebteste Bank zu sein. Für dieses Image
setzt die ING übrigens auch auf das eigene
Marketing über ihre Werbefigur Dirk No-
witzki, den berühmtesten deutschen Bas-
ketballer. Indirekt profitiert also auch Sca-
lable von Nowitzkis Beliebtheit in Deutsch-
land. marcel grzanna

Ein Robo für alle


Als vor fünf Jahren die ersten Robo Advisors an den Start gingen, hatten sie eher eine vermögende Klientel im Auge, die mindestens fünf- oder gar sechsstellige Beträge mitbringen musste.


Doch die Zeiten haben sich geändert: Viele digitale Vermögensverwalter buhlen nun auch um Kunden mit wenig Geld


Die Branche
befindetsich noch
in der Aufbauphase

Darf ich bitten?


Digitale Geldverwalter wollen bekannter werden. Gerade hierzulande haben sie es nicht leicht


Hektischer Aktionismus
schmälert beider langfristigen
Geldanlage nur die Rendite

Bei manchen Anbietern


können Anleger schon


ab 100 Euro Kunde werden


Robo Advising
Verantwortlich: Peter Fahrenholz
Redaktion: Katharina Wetzel
Illustrationen: Stefan Dimitrov
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