Frankfurter Allgemeine Zeitung - 30.10.2019

(Joyce) #1

SEITE 22·MITTWOCH, 30. OKTOBER 2019·NR. 252 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


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umächtig, Hass im Netz, Falsch-
nachrichten, Datenschutz, Privat-
sphäre – in der öffentlichen Diskussi-
on kommen die allgegenwärtigen Inter-
netkonzerne derzeit überwiegend
schlecht weg. Angesichts des heraufzie-
henden Präsidentschaftswahlkampfes
in den Vereinigten Staaten dürfte die
Stimmung zudem noch viel feindseli-
ger werden. Dessen ungeachtet sind
die grundlegenden Geschäftsmodelle
dieser außergewöhnlichen Unterneh-
men allerdings nach wie vor intakt,
wie die Geschäftsergebnisse des Such-
maschinenbetreibers Google eindrück-
lich zeigen: Für Werbekunden gibt es
nur einen vergleichbaren Anbieter
(Facebook), sonst kann niemand An-
zeigen so zielgenau einer so großen
Gruppe potentieller Kunden präsentie-
ren. Die unzähligen Milliarden Dollar,
die Google damit verdient, ermögli-
chen der Mutter-Holdinggesellschaft
Alphabet, ganz verschiedenen an-
spruchsvollen Ideen nachzugehen –
von wirklich autonom fahrenden Au-
tos über Quantencomputing bis hin zu
nicht weniger als der Erforschung der
menschlichen Alterung und Maßnah-
men, diesen hochkomplexen Prozess
wirklich abzubremsen, echtem Anti-
Aging sozusagen. Ja, natürlich klingt
das nach Science-Fiction. Und das ist
es, Stand jetzt, auch noch. Unterschät-
zen sollte diese Vorhaben dennoch nie-
mand – die sensiblen Anleger an den
Finanzmärkten jedenfalls tun es nicht.

FRANKFURT, 29. Oktober


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eue Datenzentren, Unterseekabel
durch den Atlantik, Quantencom-
puter und mehr: Die amerikani-
sche Technologie-Holdinggesellschaft Al-
phabet gibt gewaltige Summen aus, um
neue Geschäftsfelder zu erschließen und
den Anschluss an mächtige Wettbewer-
ber zu halten. Allein in den vergangenen
drei Monaten investierte das Unterneh-
men gut 6,7 Milliarden Dollar – ein Vier-
tel mehr als während derselben Zeit des
vergangenen Jahres – und stellte außer-
dem 6450 neue Mitarbeiter ein. „Wir in-
vestieren weiterhin mit Bedacht in Talen-
te und Infrastruktur, um unser Wachstum
zu unterstützen, insbesondere in neueren
Bereichen wie der Cloud und dem maschi-
nellen Lernen“, teilte Ruth Porat mit, die
im Vorstand für die Finanzen zuständig
ist. Diese Mehrausgaben sind der Grund
dafür, warum der Alphabet-Gewinn im


zurückliegenden Quartal mit 7 Milliarden
Dollar deutlich geringer ausfiel als im Vor-
jahr, als er noch mehr als 9 Milliarden Dol-
lar betragen hatte. Das Kerngeschäft des
Unternehmens, das nach wie vor die Toch-
tergesellschaft Google bestreitet, ist des-
sen ungeachtet intakt. Die Werbeerlöse
stiegen von 29 Milliarden Dollar auf bei-
nahe 34 Milliarden Dollar in den Mona-
ten Juli bis September. Der Google-Vor-
standsvorsitzende Sundar Pichai nannte
als wichtigste Treiber dahinter die wach-
sende Bedeutung der mobilen Internetsu-
che und das Wachstum der zu Google ge-
hörenden Videoplattform Youtube – Goo-
gle bietet an, möglichst zielgruppengenau
Werbung zu plazieren, und verdient jedes
Mal Geld, wenn ein Nutzer auf eine ent-
sprechende Anzeige klickt. Die übrigen
Umsätze erhöhten sich von 4,6 auf 6,4 Mil-
liarden Dollar, darin enthalten sind auch
Einnahmen aus dem mittlerweile bedeu-

tenderen Cloud-Geschäft. Die Führung
von Google sieht in diesem Bereich ein
zunehmend wichtiger werdendes Ge-
schäftsfeld; seit dem Ende des vergange-
nen Jahres leitet der zuvor für den Soft-
ware-Anbieter Oracle arbeitende Mana-
ger Thomas Kurian dieses Segment. Die
Konkurrenz ist enorm: Führender Cloud-
Anbieter ist Amazon. Dahinter folgt Mi-
crosoft, wobei der Konzern gerade den
Zuschlag bekam für einen sehr prestige-
trächtigen und 10 Milliarden Dollar um-
fassenden Cloud-Auftrag des amerikani-
schen Verteidigungsministeriums.
So gut wiederum Google im Werbege-
schäft verdient, so schwer fällt es der Mut-
tergesellschaft Alphabet weiterhin, mit
ganz anderen Produkten kommerziell
wirklich erfolgreich zu sein. Unter dem
Strich macht Alphabet mit den neben Goo-
gle existierenden Sparten einen Verlust.
Darunter fallen beispielsweise auch der

auf das autonome Fahren fokussierte An-
bieter Waymo, das an Maßnahmen gegen
das Altern forschende Biotech-Unterneh-
men Calico oder das Drohnen-Unterneh-
men Wing. Die Anleger an den Finanz-
märkten vertrauen der Holding gleich-
wohl weiterhin: Der Aktienkurs erhöhte
sich seit Jahresbeginn ziemlich kontinuier-
lich auf nunmehr ungefähr 890 Milliarden
Dollar – ein Anstieg um etwa ein Viertel.
Andere amerikanische Technologieunter-
nehmen sind an der Börse indes mittler-
weile deutlich mehr Wert. Microsoft weist
eine Marktkapitalisierung von 1,1 Billio-
nen Dollar auf, der iPhone-Hersteller App-
le sogar noch etwas mehr. Auch der Ak-
tienkursanstieg dieser beiden Konzerne
ist im Jahresverlauf höher als der von Al-
phabet. Das bedeutet: Die Anleger goutie-
ren die Transformation von Google, hal-
ten die Maßnahmen der Konkurrenten
aber offenbar für zielführender.

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er Vorstandsvorsitzende von Bei-
ersdorf, Stefan De Loecker, gibt
sich viel Mühe, um auf die Umbrüche
in der Konsumgüterindustrie zu reagie-
ren. Zuletzt hatte er eine eigene Abtei-
lung gegründet, die mit neuen Marken
der wachsenden Zahl kleiner Spezial-
anbieter aus dem Internet etwas entge-
gensetzen soll. Jetzt macht er den
nächsten Schritt und steigt ins Ge-
schäft mit Naturkosmetik ein, das als
großes Wachstumsfeld gilt. Die Ent-
scheidung kommt spät. Anbieter wie
L’Oréal oder Unilever haben längst auf
den Trend reagiert und eigene Angebo-
te auf den Markt gebracht. Beiersdorf
hingegen hatte unter De Loeckers Vor-
gänger Stefan Heidenreich lange gezö-
gert, wohl auch aus Sorge, im Wett-
kampf mit etablierten Herstellern wie
Weleda, die auf eine eingeschworene
Gemeinde von Anhängern bauen kön-
nen, nicht das erhoffte Tempo aufneh-
men zu können. Der neue Chef, seit
Anfang dieses Jahres an der Spitze,
will es trotzdem versuchen und macht
damit einen richtigen Schritt. Denn
der Markt ist inzwischen zu groß, als
dass Konzernmarken wie Nivea oder
Florena daran vorbeigehen könnten.
Um die Risiken klein zu halten, ist aber
konsequentes Handeln nötig. Bringen
die Testmärkte Frankreich und Italien
nicht die erhoffte Resonanz, sollte er
das Experiment schnell wieder been-
den, bevor der Konzern unnötig viel
Geld verbrennt.

DÜSSELDORF,29. Oktober


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as erste Kreuzfahrtschiff der Welt
mit Gasantrieb kommt aus
Deutschland: die „Aida Nova“, ge-
baut auf der Meyer-Werft in Papenburg
und bereits seit 10 Monaten unterwegs.
Verflüssigtes Erdgas (LNG) treibt die Mo-
toren solcher schwimmenden Touristen-
Hochburgen an – mit sehr viel weniger
Feinstaub, Stick- und Schwefeloxiden als
Schweröl und Schiffsdiesel.
Auch für den Gütertransport auf der
Straße sehen viele Experten in LNG des-
halb das Mittel der Wahl. Schon im kom-
menden Jahr sollen hierzulande rund 40
LNG-Tankstellen in Betrieb sein. Bei ih-
rer Versorgung muss Deutschland aber
noch passen: Für die Transportschiffe,
die Flüssiggas aus Qatar, Nordafrika oder
den Vereinigten Staaten heranschaffen,
gibt es bisher keine Entlademöglichkeit.
Das erste deutsche Terminal wird voraus-
sichtlich erst 2023 in Betrieb sein, wenn
Aida Cruises schon das dritte LNG-Schiff
auf Reisen schicken will.
Gleich vier deutsche Häfen wetteifern
um den Bau. In der Pole-Position sieht An-
dreas Schierenbeck Wilhelmshaven, wo
der Energieversorger Uniper, eines der
größten Gasunternehmen in Europa, hin-
ter der Projektgesellschaft steht. „Wil-
helmshaven ist der einzige deutsche Tief-
wasserhafen, wo wir auf Ebbe und Flut
keine Rücksicht nehmen müssen. Das
macht das Terminal für alle Beteiligten so
attraktiv“, sagte der Uniper-Vorstands-
chef der F.A.Z.
Das dann auf minus 162 Grad herunter-
gekühlte LNG soll dort auf ein mehr als
300 Meter langes Gasspeicherschiff aus
Südkorea umgeladen werden. Dort würde
es wieder in Gas umgewandelt und über
rund dreißig Kilometer lange Pipelines in
das Erdgasnetz eingespeist.
Zu den Standort-Konkurrenten an der
Nordsee gehören Stade, wo der amerikani-
sche ChemiekonzernDoweine der trei-
benden Kräfte ist, und Brunsbüttel. Die
dortige Projektgesellschaft ist ein Gemein-
schaftsunternehmen der niederländischen
Gasuniemit dem Hamburg Logistikspezia-
listen Oiltanking und der ebenfalls nieder-
ländischen Vopak LNG. Mit im Rennen ist
auch noch Rostock, allerdings nicht für die


Einspeisung ins Erdgasnetz. Von dort soll
aus Russland angelandetes LNG vor allem
als umweltfreundlicher Treibstoff für Last-
wagen und teils auch den Schiffsverkehr
vertrieben werden.
Obwohl in der Ostsee mit Nord Stream
2 unter Beteiligung von Uniper gerade
eine weitere Pipeline für die Anbindung
an die Gasfelder in Sibirien entsteht,
sieht Vorstandschef Schierenbeck per-
spektivisch einen riesigen Bedarf für
LNG-Einfuhren. „Wir laufen in eine gro-
ße Gaslücke hinein, weil die europäische
Förderung sinkt und der Verbrauch
steigt“, sagte er. Die aktuelle Lieferkapazi-
tät von bis zu 55 Milliarden Kubikmeter
im Jahr wird sich nach der Fertigstellung
von Nord Stream 2 in etwa verdoppeln.
Trotz der Querschüsse aus den Verei-
nigten Staaten und fehlender dänischer
Genehmigungen hat Schierenbeck keine
Zweifel, dass die Pipeline kommen wird.
„Sie macht energiewirtschaftlich einfach

Sinn, ist zu 90 Prozent fertig gebaut und
wird, das sind wir uns als Mitfinanziers
des Projekts sicher, auch zu Ende gebaut
werden“, sagt er. Damit nicht genug. Er
hält den Markt sogar „auf lange Sicht“ für
so aufnahmefähig, dass sich der Bau neu-
er LNG-Terminals lohnt.
„Wir kalkulieren für Europa durchaus
200 bis 300 Milliarden Kubikmeter, die
weder durch Nord Stream 2 noch durch lo-
kale Produktion geschlossen werden kön-
nen“, rechnet der Uniper-Chef vor. Das
ist die langfristige Perspektive. Aus kurz-
fristiger Sicht soll die Politik helfen. Ame-
rika will wegen des Fracking-Booms
mehr LNG nach Europa verkaufen, und
dieser Wunsch ist bei Bundeswirtschafts-
minister Peter Altmaier (CDU) angekom-
men. Flüssigerdgas sei wichtig, um zu ei-
ner Diversifizierung der Versorgung bei-
zutragen, und dafür müssten mindestens
zwei LNG-Terminals in Norddeutschland
entstehen. Das hatte er auf einer amerika-

nischen Fachkonferenz zur Entwicklung
des LNG-Importmarktes angekündigt
und dabei eine staatliche Förderung in
Aussicht gestellt. Ein großes Hemmnis ist
schon beseitigt: Die Kosten für die Pipe-
lines, die die Terminals mit dem Erdgas-
netz verbinden sollen, können in Zukunft
zu 90 Prozent auf die Gasnetz-Entgelte
umgelegt werden. Worauf die Branche
noch wartet, ist staatliche Unterstützung
für den Bau der eigentlichen Terminals.
Mehrere Förderanträge laufen bereits. An-
träge sind gestellt.
Uniper und das Vorläuferunternehmen
Eon sind seit mehr als 15 Jahren im LNG-
Geschäft unterwegs. Zum Portfolio gehö-
ren Transportkapazitäten, internationale
Beteiligungen an der LNG-Beschaffung
und ein stark wachsendes Handelsge-
schäft. Darüber hinaus engagiert sich Uni-
per mit der Tochtergesellschaft Liqvis in
der LNG-Mobilität für den Schwerlastver-
kehr. Die Gesamtkosten für das Terminal

in Bremerhaven veranschlagt der Kon-
zern inklusive der Anschluss-Pipelines
auf 500 bis 600 Millionen Euro. Wie viel
davon auf Uniper entfällt, ist offen. „Erst
wenn wir über alle Partner Klarheit ha-
ben, können wir auch über die Verteilung
der Investitionen sprechen“, sagt Schie-
renbeck. Mit dabei ist die japanische Ree-
derei Mitsui OSK, die das Terminalschiff
bauen lassen und betreiben soll. Die nie-
derländische Titan LNG wiederum soll
den Transport und die Weiterverteilung
von Flüssiggas als Schiffs- und Lastwagen-
treibstoff übernehmen.
Ende des Jahres soll die Investitionsent-
scheidung fallen. „Ich bin zuversichtlich,
dass 2023 die ersten Schiffe kommen.
Das Interesse des Marktes an Kapazitäten
ist enorm“, sagt Schierenbeck. Uniper
sieht er auf jeden Fall auf der sicheren Sei-
te. „Wir sind nicht im Risiko. Wir werden
den LNG-Bezug und die Abnahme schön
in der Balance halten.“

Nivea ohne Zusatz


Von Christian Müßgens


FRANKFURT,29. Oktober


N


ach Bekanntwerden eines poten-
tiell groben Datenschutzverstoßes
und von Spitzelvorwürfen beim
Modekonzern H&M ergreift die Daten-
schutzbehörde dringliche Schritte. „Was
in der Berichterstattung der F.A.Z. bisher
darüber zu lesen war, klingt bedenklich
und gravierend“, sagte auf Anfrage Johan-
nes Caspar, der Beauftragte für Daten-
schutz und Informationsfreiheit in Ham-
burg, wo die deutsche Tochtergesellschaft
des schwedischen Konzerns sitzt. „Wir
werden unverzüglich für eine Überprü-
fung auf H&M zugehen. Wir wollen wis-
sen, was und warum von den Mitarbei-
tern aufgezeichnet worden ist. Wir möch-
ten die Tragweite des Ganzen erfahren.“
Wie berichtet, war vorige Woche im
H&M-Kundenzentrum für Deutschland
und Österreich in Nürnberg ein Daten-
eklat aufgeflogen. In Mails, welche der
F.A.Z. vorliegen, räumte das Manage-
ment selbst ein: Führungskräfte hatten
Notizen aus Gesprächen mit Mitarbeitern
gemacht und darin Informationen zu Ge-


sundheit und anderen persönlichen Um-
ständen festgehalten.
Ein Mitarbeiter, der anonym bleiben
will, wurde konkret: So hätten Vorgesetz-
te regelmäßig Einzelheiten aus Plauder-
runden in den Büroräumen oder wäh-
rend Raucherpausen in den elektroni-
schen Akten protokolliert. Teamleiter im
Call-Center, die üblicherweise für 15 bis
20 Angestellte verantwortlich sind, sol-
len aus Mitarbeitergesprächen, die zum
Beispiel nach Urlauben stattfanden, Noti-
zen zu sehr privaten Vorkommnissen an-
gefertigt und diese in speziellen Ordnern
abgespeichert haben.
H&M ging auf die Bitte um ein Ge-
spräch nicht ein und beantwortete Fragen
nur schriftlich. Das Unternehmen bestä-
tigte einen Datenschutzvorfall im Grund-
satz: Ein Datenordner für Führungskräfte
sei einem erweiterten internen Kreis zu-
gänglich gewesen. Man nehme den Fall
ernst und habe ihn unverzüglich der zu-
ständigen Aufsichtsbehörde für Daten-
schutz in Hamburg gemeldet. Zu den vor-
liegenden internen Mails lehnt das Unter-

nehmen einen Kommentar ab. „Es hat für
uns höchste Priorität, den Sachverhalt
vollumfänglich aufzuklären. Deshalb be-
finden wir uns derzeit gemeinsam mit
dem Datenschutz Süd in der intensiven
Prüfung des Falls“, heißt es nur. Wer mit
dem „Datenschutz Süd“ gemeint ist, war
zunächst unklar. Es gibt aber eine Daten-
schutz Süd GmbH, eine Tochtergesell-
schaft der Datenschutz Nord Gruppe, wel-
che nach eigenen Angaben betriebliche
Datenschutzbeauftragte und IT-Sicher-
heitsbeauftragte bereitstellt. So hat der
Dienstleister jetzt offensichtlich die Ar-
beit aufgenommen.
Der Datenschutzbeauftragte in Ham-
burg, der zuständig ist, weil das Nürnber-
ger Kundencenter organisatorisch zur
Deutschlandzentrale von H&M in Ham-
burg gehört, hat zwar die Meldung eines
Datenschutzvorfalls bekommen. „Melde-
pflichtig war jedoch nur die Tatsache,
dass vertrauliche Mitarbeiterinformatio-
nen innerhalb des Unternehmens verse-
hentlich offengelegt wurden“, sagte Cas-
par. „Die dahinterstehende Datenverar-

beitung, die den Verdacht einer Bespitze-
lung der Mitarbeiter nahelegt und für die
es in der Data-Breach-Meldung [Mel-
dung eines Datenschutzverstoßes] keine
Anhaltspunkte gab, macht jetzt unmittel-
bare aufsichtsbehördliche Maßnahmen
erforderlich.“
Die Vorkommnisse, wie sie aus der
H&M-Belegschaft berichtet werden, erin-
nern in ihrer Dimension an einen Fall um
den Lebensmitteldiscounter Lidl vor mehr
als zehn Jahren. Dort war herausgekom-
men, dass das Unternehmen vor allem in
Filialen in Norddeutschland Mitarbeiter
systematisch bespitzelt und deren Verhal-
tensweise während der Arbeit protokol-
liert hatte. Die Überwachung fand mit Vi-
deokameras in den Geschäften und durch
speziell angeheuerte Detektive statt. In
den Aufzeichnungen wurde damals auch
mit Tag und Uhrzeit notiert, wann und
wie häufig Mitarbeiter zum Beispiel auf
die Toilette gegangen waren, wer mit wem
möglicherweise ein Liebesverhältnis ge-
habt haben könnte oder wer nach Ansicht
der Überwacher unfähig gewesen sei.

Solche Aufzeichnungen greifen tief in
die Persönlichkeitsrechte von Mitarbei-
tern ein. In internen Mails entschuldigte
sich das H&M-Management aus dem
Kundencenter „ausdrücklich“ bei den
Mitarbeitern, dass sie durch die Vorfälle
in eine „unangenehme Lage“ geraten
und „Unsicherheiten“ aufgetreten seien.
Es wurde eingeräumt, dass in abgespei-
cherten Gesprächsnotizen auch „sensi-
ble Arten personenbezogener Daten“ ent-
halten seien. Laut Aussage eines Mitar-
beiters habe der älteste Eintrag bis ins
Jahr 2012 zurückgereicht.
Gab es eine Systematik hinter der Be-
spitzelung? Wer bei H&M hat dieses frag-
würdige Vorgehen veranlasst und trägt die
Verantwortung? Sind noch mehr Unter-
nehmensbereiche betroffen? Dazu sagte
das Unternehmen auf Anfrage nichts. Das
Management in Nürnberg schrieb in einer
Mitarbeitermail von „Einzelfällen“. Zu-
gleich wurden Maßnahmen genannt. Füh-
rungskräfte sollten Schulungen zu Daten-
schutz und Mitarbeiterrechten erhalten.

Hoffnungsträger im Energiemarkt: Transport von Flüssiggas im Hamburger Elbhafen Foto dpa
Googles langer Atem

Von Alexander Armbruster


D

ie vollständige Übernahme der er-
folgreichen Tochtergesellschaft
Comdirect kann für die Commerzbank
noch heikel werden. Zum einen klet-
tert der Aktienkurs der Direktbank, ge-
trieben von guten Geschäftszahlen
und dem schon länger lästigen Hedge-
fonds Petrus Advisors, scheinbar unauf-
haltsam. Mit 13,30 Euro erreichte die
Comdirect-Aktie am Dienstag den
höchsten Kurs seit dem Jahr 2001. Die
von der Commerzbank Mitte Septem-
ber in Aussicht gestellten 11,44 Euro je
Aktie – damals immerhin ein Kursauf-
schlag von 25 Prozent – wirken gar
nicht mehr attraktiv. Daher werden die
genauen Konditionen des Angebots
spannend, die in den nächsten Tagen
erwartet werden. Gleichwohl wird die
Commerzbank früher oder später,
günstiger oder teurer ihr Ziel des Kom-
pletterwerbs erreichen. Doch dann
wird es richtig spannend: Denn vieles,
was die Commerzbank künftig sein
will – Kunden kontaktieren sie vorran-
gig über das Smartphone –, ist die
Comdirect heute schon. Angesichts
der Größenverhältnisse liegt es zwar
nahe, dass die Comdirect im Commerz-
bank-Konzern sang- und klanglos un-
tergeht. Schon nach der Übernahme
der Dresdner Bank hat die Commerz-
bank deren bessere IT-Systeme einfach
abgeschaltet. Diesen Fehler aber sollte
sie nicht wiederholen. Es gilt vielmehr,
mit Fingerspitzengefühl die Stärken
der kleinen Comdirect zu pflegen. Ob
das gelingt, muss bezweifelt werden.

Auf die kleine Comdirect


Von Hanno Mußler


Spitzelvorwürfe gegen H&M „bedenklich und gravierend“


Datenschutzbehörde will unverzüglich prüfen / Privates von Mitarbeitern gespeichert / Von Michael Ashelm und Klaus Max Smolka


Höhere Investitionen schmälern Googles Gewinn


Der Internetkonzern baut um / Doch abseits des Kerngeschäfts tut er sich weiterhin schwer / Von Alexander Armbruster


Alphabet
Wochenschlusskurse Nasdaq
29.10.: Tagesverlauf

ISIN US02079K1079

950

1020

1090

1160

1230

1300

26.10.2018 29.10.2019

KGV12/20191)

1299,18/970,11
889,367 26,5
1) KGV: Kurs-Gewinn-Verhältnis (IBES-Konsens-Schätzung).
Quelle: Bloomberg F.A.Z.-Grafik Heß

Höchst-/Tiefststand 52 Wochen, $
Börsenwert Mrd. $

in Dollar

Auftrieb für schwimmende Terminals


Uniper sagt für Europa


eine Versorgungslücke


bei Gas voraus. Nicht


von ungefähr wittern


Anbieter von Flüssiggas


die Gunst der Stunde.


Von Helmut Bünder

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