Süddeutsche Zeitung - 30.10.2019

(C. Jardin) #1
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über http://www.sz-content.de

Meinung
Indien ist groß,
aber deswegen noch lange
keine Großmacht 4

Panorama
Österreich vor dem Rauchverbot:
Ein Streifzug durch Kneipen und
Shisha-Bars 8

Feuilleton


Der Film „Das perfekte Geheimnis“
zeigt, wie kompliziert Liebe im
Smartphone-Zeitalter ist 9

Wissen
Warten oder einleiten? Geburtshelfer
sind uneins, wann Babys auf die
Welt geholfen werden sollte 14

Wirtschaft
Robert Ketterer übernahm das
Auktionshaus des Vaters – heute
ist er deutscher Marktführer 16

Medien, TV-/Radioprogramm 27,
Forum & Leserbriefe 13
München · Bayern 26
Rätsel & Schach 24
Traueranzeigen 12

London – Im Brexit-Streit zeichnen sich
nun doch vorgezogene Neuwahlen im Ver-
einigten Königreich ab. Am Montag hatte
das Parlament einem entsprechenden An-
trag von Premier Boris Johnson noch wider-
sprochen. Nachdem aber sowohl die Schot-
tische Nationalpartei sowie die Liberalde-
mokraten signalisiert hatten, dass sie für
Neuwahlen stimmen würden, hatte auch
die Labour-Partei nachgezogen.
Man werde die „ehrgeizigste und radi-
kalste Kampagne fahren“, so Labour-Chef
Jeremy Corbyn, die das Land je gesehen ha-
be. Er wolle Neuwahlen nutzen, um das
Land von einer „skrupellosen, nutzlosen
Regierung zu befreien“. Der Premierminis-
ter wiederum beschuldigte die Opposition
in der Debatte über die Wahlen, die in
sechs Wochen stattfinden sollen, den Bre-

xit aufgehalten und das Land langfristig in
Unsicherheit gestürzt zu haben. Beide Re-
den waren ganz offensichtlich als Auftakt
für einen Wahlkampf gedacht, der noch
gar nicht formal beschlossen war. Die Ab-
stimmung selbst sollte erst nach Redakti-
onsschluss stattfinden.
Labour hatte sich unter anderem gegen
Wahlen mit dem Argument gesperrt, man
müsse warten, bis die Gefahr von No Deal
endgültig ausgeräumt sei. Dies sei aber
mit der formalen Bestätigung aus Brüssel
geschehen, dass der 31. Oktober als Brexit-
Termin vom Tisch und eine Verlängerung
des Austrittsprozesses bis zum 31. Januar
festgeschrieben sei.
Bedingung der Liberaldemokraten für
ihre Zustimmung war gewesen, dass die
Wahl nicht am 12. Dezember stattfindet,

wie von Johnson geplant, sondern vorzugs-
weise am 9. Dezember. Der Unterschied
von wenigen Tagen sei wichtig, argumen-
tierten die LibDems, weil viele Studenten
in ihren Universitätsstädten noch mitstim-
men könnten, bevor die Hochschulen für
die Weihnachtsferien schließen. Die Regie-
rung will vor der Auflösung des Parla-
ments für den Wahlkampf noch das Bud-
get für Nordirland durch das Unterhaus
bringen, was einen späteren Termin in den
Augen der Downing Street nötig macht.
Die Abgeordneten stimmten am Diens-
tagnachmittag auch dafür, Zusätze zu der
Vorlage der Regierung zuzulassen, die das
ursprüngliche Gesetz maßgeblich verän-
dern können. Demnach könnte nun etwa
versucht werden, parallel zum Neuwahlter-
min das Wahlrecht für 16- und 17-Jährige

einzuführen. Unklar war auch noch, ob der
populäre, aber bei den Tories verhasste
Parlamentssprecher John Bercow seinen
Rücktritt aufschieben würde, der für die-
sen Donnerstag geplant war. Eigentlich
sollte ein Nachfolger kommende Woche ge-
wählt werden, aber das könnte nun wegen
des Wahlkampfes verschoben werden.
EU-Chef-Unterhändler Michel Barnier
sagte am Dienstag in Brüssel, Großbritan-
nien müsse sich jetzt „demokratisch orga-
nisieren, um den Vertrag anzunehmen“. Da-
nach könne man beginnen, die künftigen
Beziehungen auszuhandeln. Eine neue Re-
gierung, so Barnier, ändere da nicht so viel:
„Die Probleme, die zu lösen sind, bleiben
die gleichen, und die Lösungen wären die
gleichen.“ cathrin kahlweit,
karoline meta beisel  Seite 6

Beirut – Als Reaktion auf die anhaltenden
Proteste gegen Korruption und Misswirt-
schaft in Libanon hat Ministerpräsident
Saad Hariri seinen Rücktritt angekündigt.
Er werde ein entsprechendes Gesuch bei
Präsident Michel Aoun einreichen, sagte
Hariri in einer Fernsehansprache in Beirut.
Er habe im Ringen um eine Lösung aus der
wirtschaftlichen Krise eine Sackgasse er-
reicht. Reformvorhaben hatten die Protes-
te nicht stoppen können. dpa  Seite 7

Frankfurt – Boeing-Chef Dennis Muilen-
burg hat erstmals Fehler seines Unterneh-
mens im Zusammenhang mit den Abstür-
zen vom zwei Boeing737 MAXeingeräumt.
„Wir wissen, wir haben Fehler gemacht.
Wir sind dafür verantwortlich und behe-
ben sie“, sagte Muilenburg am Dienstag in
einem Statement vor einem Ausschuss des
US-Senates. Bei den beiden Abstürzen wa-
ren mehr als 300 Passagiere ums Leben ge-
kommen. sz  Seite 4, Wirtschaft

München – Das geplante Museum der
Moderne am Berliner Kulturforum wird
nicht nur erheblich teurer als geplant, son-
dern auch deutlich größer. Die Vergröße-
rung, die bereits in der Auslobung des Wett-
bewerbs vorgesehen ist, von der das Parla-
ment aber nicht informiert wurde, dürfte
einer der Hauptgründe dafür sein, dass
das Museum laut einer ersten Kostenkal-
kulation statt 130 nun 364 Millionen Euro
kosten soll. jhl  Feuilleton

Angeblich heißt er Conan. Und Fachleute
sagen, er sei ein Belgischer Schäferhund,
ein Malinois. Aber das ist nicht bestätigt,
denn Conan, wenn er überhaupt ein „er“
ist und so heißt, ist Angehöriger der Streit-
kräfte der USA. Er dient in einer Spezial-
einheit und alle Informationen dazu, wer
er ist und was er macht, sind geheim.
Die Welt wüsste auch gar nichts von Co-
nan, hätte nicht Präsident Donald Trump
zunächst am Sonntag in einer Pressekon-
ferenz von ihm erzählt und dann am Mon-
tag ein Bild von ihm getwittert. Darauf ist
ein sitzender, braunschwarzer Hund zu se-
hen, der ein Geschirr in Tarnfarben trägt.
Das sei der „wunderbare Hund“, schrieb
Trump, der am Wochenende beim Sturm
von US-Truppen auf ein Gebäude in Syri-
en dabei war und dort in einem Tunnel
auf den Terroristen Abu Bakr al-Bag dadi
losgegangen sei. Trump zufolge sprengte
dieser sich daraufhin aus Angst in die
Luft. Dabei sei auch der Hund verletzt wor-

den. Laut Pentagon geht es ihm aber gut,
er tue bereits wieder Dienst.
Tiere werden bereits seit Jahrtausen-
den in Kriegen eingesetzt, sowohl zum
Kampf als auch zum Transport und zur
Kommunikation. Das wichtigste militäri-
sche Nutztier ist ohne Zweifel das Pferd,
das jahrhundertelang und in allen Kultu-
ren bewaffnete Reiter in die Schlacht ge-
tragen hat. Die Hochzeit der Kavallerie en-
dete im Ersten Weltkrieg.
Aber es gibt auch etliche andere Tierar-
ten, die im Lauf der Zeit an die Front ge-
schickt wurden. Hannibal kam mit 37 Ele-
fanten über die Alpen, um Rom zu schla-
gen; Plinius der Ältere schrieb später,
dass laut quiekende Schweine sich als
wirksame Waffe gegen Kriegselefanten

herausgestellt hätten. Armeen haben Tau-
ben eingesetzt, um Nachrichten zu über-
mitteln, und Katzen, um auf Schiffen Rat-
ten zu fangen. Kamele, Ochsen, Maultiere
und Esel wurden als Lasten- und Zugtiere
verwendet. Im Notfall wurden sie geges-
sen. Die US-Marine hat abgerichtete Delfi-
ne in ihrem Dienst. Versuche der Schwe-
den und Russen, Elche militärisch zu nut-
zen, scheiterten hingegen.
Auch Hunde haben eine lange militäri-
sche Tradition. Sie haben keltische Krie-
ger in den Kampf begleitet. An der West-
front im Ersten Weltkrieg trugen sie Gas-
masken, schleppten Kabelrollen und
überbrachten Meldezettel. Sie jagten Rat-
ten in den Schützengräben und spürten
Verwundete in den Trichterfeldern auf.

Seit dem Ersten Weltkrieg setzt auch
die amerikanische Armee Hunde ein. Ihre
Zahl ist mit den Einsätzen im Irak und in
Afghanistan auf mehrere Tausend gestie-
gen. Die Tiere spüren dort unter anderem
Sprengstofffallen auf. Dutzende Hunde
sind bei dieser gefährlichen Arbeit oder in
Gefechten gestorben. Auf mehreren US-
Militärstützpunkten gibt es Gedenkstät-
ten für die gefallenen Tiere.
Als militärisch geeignete Hunderassen
haben sich Deutsche und Belgische Schä-
ferhunde erwiesen. Die US-Marineinfan-
terie zieht Golden und Labrador Retriever
vor. Offiziell sind die Hunde Eigentum
der Armee, wie Stiefel und Helme. Inoffizi-
ell gilt freilich die Regel, dass der Hund
ein Soldat ist und stets einen Dienstgrad
höher steht als der Hundeführer. Die Tie-
re können auch Orden erhalten. Und
manchmal, nach einem erfolgreichen Ein-
satz, dürfen sie mit ihrer Einheit den Prä-
sidenten besuchen. hubert wetzel

von stefan braun

Berlin – Zwei Tage nach den schweren Ver-
lusten der CDU bei der Wahl in Thüringen
wird die Kritik an Bundeskanzlerin Angela
Merkel in der eigenen Partei schärfer. Der
frühere hessische Ministerpräsident Ro-
land Koch und der frühere Unionsfrakti-
onschef Friedrich Merz kritisieren die
Kanzlerin und die Arbeit ihrer Regierung.
Bundesinnenminister Horst Seehofer
(CSU) und Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) verteidigten dagegen die
Arbeit der Kanzlerin und der Koalition.
Koch schrieb in der ZeitschriftCicero,
die Schwäche der Volksparteien sei „nicht
die Folge gesellschaftlicher Entwicklun-
gen; es ist das Versagen von politischer
Führung“. Union und SPD hätten die Bür-
ger mit allem verschont, „was sie empören

und verunsichern könnte“. Damit aber hät-
ten sie alle gesellschaftlichen Debatten ver-
engt und den Streit und die Kontroversen
den Rändern überlassen. Koch kritisierte,
dass man zu viel auf Meinungsforscher
höre und zu wenig auf eigene Überzeugun-
gen setze. Am Ende habe der Verzicht auf
Führung dazu geführt, dass die Zahl derer
immer größer werde, „die sich ärgern, sich
abwenden oder Parteien suchen, die es ,de-
nen da oben‘ mal so richtig zeigen. „Hätte
Kohl seine Entscheidungen von Meinungs-
umfragen abhängig gemacht, hätte er
nichts bewirkt“, sagte Koch.
Zuvor hatte noch deutlicher der frühere
Fraktionschef Friedrich Merz die Kanzle-
rin attackiert. Das Wahlergebnis in Thürin-
gen sei ein „schweres Misstrauensvotum“
gegen die große Koalition in Berlin. „Ich ha-
be das in vielen Veranstaltungen erlebt; es

gibt wirklich großen Unmut über CDU und
SPD, in Ostdeutschland, aber ich glaube
auch, in Deutschland insgesamt“, erklärte
der frühere Fraktionschef. „Diese Regie-
rung wird halt abgestraft bei solchen Land-
tagswahlen.“ Als Hauptgrund dafür nann-
te Merz die „Untätigkeit und mangelnde
Führung“ der Kanzlerin. Dies habe sich
wie ein „Nebelteppich“ über das Land ge-
legt, meinte Merz. „Das ist der Hauptkritik-
punkt, den ich wahrnehme, und den ich
auch teile.“ Er könne sich „nicht vorstellen,
dass diese Art des Regierens noch zwei Jah-
re andauert“. Das könne sich Deutschland,
aber auch Europa nicht leisten.
Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Kar-
renbauer nahm Merz weitgehend aus in sei-
ner Kritik. „Die Parteivorsitzende hat da-
bei kaum eine negative Rolle gespielt“, so
der CDU-Politiker. Die Kanzlerin stehe „im

Mittelpunkt der Kritik“. Auf Nachfrage füg-
te er aber hinzu, Kramp-Karrenbauer sei
„nicht die Einzige, die im Zentrum der Kri-
tik zu stehen“ habe, was trotz seiner Loyali-
tätserklärungen prompt als Seitenhieb ge-
gen die Parteichefin gewertet wurde.
Innenminister Horst Seehofer und Ge-
sundheitsminister Jens Spahn sprangen
Merkel dagegen bei. Seehofer sagte, die
CDU sei zweifellos in einer schwierigen La-
ge. Aber: „Ich teile die Kritik von Friedrich
Merz nicht.“ Spahn forderte eine Konzen-
tration auf Sachdebatten. „Impfen macht
immun gegen Krankheiten. Und gute Sach-
debatten, Debatten mit Profil, machen im-
mun gegen Personaldebatten“, sagte er. Im
Übrigen habe die Regierung bei Soli-Ab-
bau, Infrastruktur, und der Begrenzung
der Zuwanderung „ziemlich viel umge-
setzt“, sagte Spahn.  Seiten 4 und 5

HEUTE


Die SZ gibt es als App
für Tablet und Smart-
phone: sz.de/zeitungsapp

Boeing-Chef räumt


Fehler ein


Karlsruhe – Zum ersten Mal kommen in
Deutschland zwei Syrer wegen Gräuelta-
ten in den Foltergefängnissen von Präsi-
dent Baschar al-Assad vor Gericht. Die Bun-
desanwaltschaft hat am Oberlandesge-
richt Koblenz Anklage gegen zwei ehemali-
ge Geheimdienstmitarbeiter erhoben. Das
teilte die Karlsruher Behörde am Dienstag
mit. Den beiden Männern, die bereits in Un-
tersuchungshaft sitzen, werden Verbre-
chen gegen die Menschlichkeit beziehungs-
weise Beihilfe dazu vorgeworfen. Die Er-
mittler sprechen von „systematischen bru-
talen physischen und psychischen Miss-
handlungen“. Anwar R. soll in einem Ge-
fängnis des Allgemeinen Geheimdienstes
in der Hauptstadt Damaskus in leitender
Funktion für die brutale Folter von mindes-
tens 4000 Menschen verantwortlich gewe-
sen sein. Mindestens 58 Gefangene seien
an den Folgen gestorben. Eyad A. wird vor-
geworfen, mindestens 30 Demonstranten
in das Foltergefängnis gebracht zu haben.
Die Männer hatten sich 2012 und 2013 aus
Syrien abgesetzt. Die beiden Syrer waren
im Februar in Berlin und Rheinland-Pfalz
festgenommen worden. Die Verhaftungen
hatten Aufsehen erregt, weil deutsche Er-
mittler damit zum ersten Mal wegen Gräu-
eltaten im syrischen Bürgerkrieg gegen
Regierungsmitarbeiter von Präsident Ba-
schar al-Assad vorgegangen waren.dpa
 Seite 4, Politik

Im Süden ist es stark bewölkt und gebiets-
weise regnerisch. Sonst beginnt der Tag oft
nebelig, später wechseln sich Sonne und
Wolken ab. Es bleibt trocken. Die Höchst-
temperaturen liegen zwischen sechs und
zwölf Grad.  Seite 13

Schäferhund und Feldherrchen


Eine Geschichte der Tiere im Krieg – von Hannibal bis Trump


Kritik an Merkel wird schärfer


Nach der verheerenden Wahlniederlage in Thüringen brodelt es innerhalb der CDU.


Hessens früherer Ministerpräsident Koch wirft der Kanzlerin mangelnde politische Führung vor


Xetra 17 Uhr
12933 Punkte

N.Y. 17 Uhr
27115 Punkte

17 Uhr
1,1111 US-$

Großbritannien steuert auf Neuwahl zu


Nach anfänglichem Widerstand spricht sich die Labour-Partei nun doch für eine vorgezogene Abstimmung aus


Libanons Premier Hariri


kündigt Rücktritt an


Museum der Moderne


wird größer als geplant


12 °/-5°


Die Mutter ist weg, aber sie hat ihren


Vater, damals in der DDR. Er ist ihr Held,


ihr Anker. Doch was die Tochter nicht


weiß: Er horcht sie aus, und auch ihre


Freunde. Eine deutsche Geschichte


 Die Seite Drei


NEUESTE NACHRICHTEN AUS POLITIK, KULTUR, WIRTSCHAFT UND SPORT


WWW.SÜDDEUTSCHE.DE HF1 MÜNCHEN, MITTWOCH, 30. OKTOBER 2019 75. JAHRGANG / 44. WOCHE / NR. 251 / 3,00 EURO

FOTO: LUCIA FARAIG

FOTO: IMAGO, BERT BOSTELMANN

Süddeutsche Zeitung GmbH,
Hultschiner Straße 8, 81677 München; Telefon 089/2183-0,
Telefax -9777; [email protected]
Anzeigen: Telefon 089/2183-1010 (Immobilien- und
Mietmarkt), 089/2183-1020 (Motormarkt),
089/2183-1030 (Stellenmarkt, weitere Märkte).
Abo-Service: Telefon 089/21 83-80 80, http://www.sz.de/abo
A, B, F, GR, I, L, NL, SLO: € 3,70;
ES (Kanaren): € 3,80; dkr. 29; £ 3,50; kn 30; SFr. 4,

Dax▶



  • 0,07%


Dow▶


+ 0,09%

Euro▲


+ 0,

Grenzen des Sagbaren – Dürfen Rapper Hass predigen? Thema des Tages


Syrer wegen Folter


angeklagt


Zwei Ex-Geheimdienstler werden
in Deutschland vor Gericht gestellt

(SZ) Sollte es der Menschheit wider Erwar-
ten gelingen, den Klimawandel zu verhin-
dern und somit einigermaßen in eine bes-
sere Zukunft zu gelangen, dann wird es
dort eines Tages ein Museum des 21. Jahr-
hunderts geben. Natürlich werden die Mu-
seumsmacher manche Phänomene jenes
dunklen und wirren Zeitalters nicht ganz
korrekt darstellen können. Die Einord-
nung eines gewissen B. Höcke ins 21. Jahr-
hundert etwa gilt als unbelegt, sie setze vie-
le Jahrzehnte zu spät an, so die herrschen-
de Meinung der Historiker. Gleiches gilt
für die beiden erhaltenen Kraftfahrzeuge
deutscher Produktion, die angeblich im
Jahre 2019 vom Band gelaufen sind. Wis-
senschaftler mit dem Themengebiet, wie
es gelang, das Ökosystem zu retten, halten
diese Datierung für ausgeschlossen. Die
panzergleichen Kolosse müssten sehr viel
älter sein, da 2019, nicht lange vor der Ab-
schaffung des Verbrennungsmotors, si-
cher niemand mehr töricht genug war, viel
Geld für eine solch veraltete und schädli-
che Technologie auszugeben. Dann ist da
jenes Foto, beschriftet mit „2020, der neue
Parteivorstand der SPD“. Allerdings taucht
anderswo in den erhaltenen Dokumenten
und Datenträgern keines der dort gezeig-
ten Gesichter jemals auf, es muss sich um
gänzlich Unbekannte gehandelt haben.
In der Vitrine „Der Mensch des 21. Jahr-
hunderts“ staunen die Besucher über das
Kommunikationsgerät, das mit den Fin-
gern dieser Menschen verwachsen ist,
mehr aber noch über den Strick, den das
männliche Exemplar um den Hals trägt,
im Fundus des Museums lagern noch viele
andere. Welchen Zweck dieser aus Seide,
Baumwolle oder auch billigen Kunststof-
fen (das haben die Leute damals wirklich
benutzt – Kunststoffe!) gefertigte Gegen-
stand erfüllen sollte, ist leider vollkommen
unklar. Manche nehmen an, dass die grel-
len und hässlichen Muster der Abschre-
ckung von Nebenbuhlern dienten. Die herr-
schende Lehre geht aber dahin, der Stoff
sei eine Art Leine gewesen, an der die Vor-
gesetzten seinerzeit ihre Mitarbeiter zo-
gen, um sie zu höherer Leistung anzuhal-
ten; das würde dem entsprechen, was man
über die „Firmenkultur“ genannte Füh-
rungsweise der Vergangenheit herausge-
funden hat.
Vor allem aber muss das eng an den Hals
gebundene Stoffding sehr unbequem und
auch hinderlich gewesen sein. Es gibt Bele-
ge, dass die Träger ihre „Krawatten“ ge-
nannten Stricke ausgesprochen hassten.
So ist ein digitaler Schnipsel aus dem – we-
nige Jahrzehnte später zur Wahrung des ge-
sellschaftlichen Friedens abgeschalteten –
Internet bewahrt. Dort erklärt der Spre-
cher einer Sendung, die sich „Tagesschau“
nannte – es muss also doch noch Fernse-
hen gegeben haben –, er heißt Thorsten
Schröder: Zwar besitze er mehr als 100 Kra-
watten, jedoch fühle er sich von jeder ein-
zelnen eingeschnürt: „Nach der Sendung
mache ich sie ganz schnell wieder ab.“

DAS WETTER



TAGS

NACHTS

Sprich,


mein Kind


4 190655 803005

31044

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München

Free download pdf