Süddeutsche Zeitung - 30.10.2019

(C. Jardin) #1
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München – „Girl with a Balloon“ hat für
ganz schön viel Furore gesorgt. Das Werk
des britischen Streetart-Künstlers Banksy
war für umgerechnet knapp 1,2 Millionen
Euro bei Sotheby’s versteigert worden.
Kurz nachdem der Hammer fiel, lief es zur
Überraschung der Teilnehmer durch einen
im Rahmen verborgenen Schredder, übrig
blieb nur der obere Teil des Bildes, der Rest
hing in Streifen herunter. Banksy stellte
die Aktion später bei Instagram als von lan-
ger Hand geplante Kritik am Kunstmarkt
dar, weil auch der sich selbst zerstöre.
Das viele Geld, das auf dem internationa-
len Kunstmarkt umgesetzt wird, sorgt im-
mer wieder für Kritik, die Millionen von
Neureichen und Investoren machten den
Markt kaputt. Kunstwerke könnten sich
nur noch Wenige leisten, nicht mehr die All-
gemeinheit, beklagen Kritiker wie Banksy.
Ungeachtet aller kritischen Stimmen
wächst der Kunstmarkt seit Langem. 2018
verkauften und versteigerten Galerien
und Auktionshäuser Kunst im Wert von
67,4 Milliarden Dollar (etwa 61 Milliarden

Euro). Gegenüber dem Vorjahr ist das ein
Plus von sechs Prozent, heißt es im Art Mar-
ket Report, den die Messe Art Basel und die
Schweizer Bank UBS veröffentlichen. Die
knappe Hälfte des Marktes entfällt auf öf-
fentliche Auktionen, nur etwa sechs Milli-
arden Dollar werde online abgewickelt, der
Anteil steige aber schnell.

Die drei größten Kunstmärkte sind da-
nach die USA, Großbritannien und China.
Alleine auf die USA entfällt ein Marktanteil
von 44 Prozent, der sogar noch größer ge-
worden ist. Auch in Großbritannien stieg
der Umsatz trotz der Turbulenzen durch
den angekündigten Brexit. In China dage-
gen ging das Geschäft zurück, die Käufer
dort seien vorsichtiger geworden, heißt es
in dem Bericht. Weltweit führend sind da-
bei die beiden global aktiven Auktionshäu-

ser Sotheby’s und Christie’s. Sotheby’s, be-
reits 1744 gegründet, hat gerade erst den
Besitzer gewechselt. Im Sommer stieg der
französische Telekommunikationsunter-
nehmer Patrick Drahi ein, er zahlte 3,7 Mil-
liarden Dollar für die bislang börsennotier-
te Firma. Erst an diesem Montag verkünde-
te die Firma einen Führungswechsel:
Charles Stewart löst mit sofortiger Wir-
kung Tad Smith ab, der seit 2015 im Amt
war. Auch Konkurrent Christie’s, 1766 ge-
gründet, ist in französischer Hand: Das Un-
ternehmen gehört dem französischen Mil-
liardär François Pinault, Gründer und
Chef des Pariser Luxusgüterkonzerns Ke-
ring mit Marken wie Gucci und Brioni.
Das Auktionshaus Sotheby’s teilte übri-
gens mit, die Käuferin von „Girl with a Bal-
loon“ sei eine „europäische Sammlerin
und langjährige Kundin“ von Sotheby's
und nehme das Bild auch zerschreddert
an. Anfang diesen Monats erst war das
Schimpansen-Gemälde „Devolved Parlia-
ment“ von Banksy für elf Millionen Euro
versteigert worden. caspar busse

von caspar busse

A


ls der Moment der Wahrheit kam,
war Robert Ketterer Anfang 20. Er
unterstützte damals seinen Vater
Wolfgang, einen bekannten Kunsthändler,
regelmäßig bei dessen Auktionen. Der
Sohn saß still daneben, der Vater führte die
Versteigerung. Plötzlich flüsterte dieser
seinem Sohn zu, dass er jetzt übernehmen
soll. Einfach so, ohne Vorwarnung. Zu den
Anwesenden im Saal sagte der Vater: „Ich
darf jetzt an meinem Sohn Robert überge-
ben“, und räumte schnell das Podium. Er
habe vorher nicht einmal geübt, erinnert
sich heute der Sohn. Die Auktion damals
habe er irgendwie zu Ende gebracht.

Es war für Robert Ketterer, inzwischen
50 Jahre alt, der berühmte Sprung ins kal-
te Wasser. Damals war es hart für ihn, heu-
te erzählt er die Geschichte mit einem La-
chen. Kurze Zeit danach zog sich der Vater
ganz zurück und überließ die Firma 1994
vollständig seinem damals 25-jährigen
Sohn. Der kaufte dann nach und nach die
Anteile seiner drei Brüder.
Dabei war es gar nicht immer klar, dass
Robert Ketterer überhaupt in das elterli-
che Geschäft einsteigen würde. Eigentlich
wollte er Skilehrer werden. „Ich habe frü-
her immer zu meinem Vater gesagt: Ich
werde nicht in die Firma gehen“, erzählt er.
Doch dann habe er sich anders entschie-
den. Zu groß war die Faszination, die er von
klein auf miterlebte, das Gymnasium ver-
ließ er einige Monate vor dem Abitur, ohne
Abschluss. Später belegte er dann in der
Abendschule Kurse für Buchhaltung oder
Unternehmensführung.
25 Jahre später ist die Ketterer Kunst
GmbH & Co KG aus München nach eige-
nen Angaben Marktführer in Deutschland.
Auf dem Weltmarkt, der von den großen
Auktionshäusern Sotheby’s und Christie’s
dominiert wird, sieht man sich auf Platz
elf. Ketterer hat sich auf deutsche Kunst
vom 19. bis 21. Jahrhundert speziali-
siert.Die Firma ist der Vermittler zwischen
Verkäufer und Käufer und lebt von den Pro-
visionen. 50 Millionen Euro Jahresumsatz
kommen so zusammen, das Geschäft ist
einträglich, der Nettogewinn lag zuletzt
bei drei Millionen Euro. Für 2019 wird ein
Rekordjahr erwartet. Zweimal im Jahr orga-
nisiert Ketterer eine große Auktion, im De-
zember wird es ein Jubiläum geben, dann
findet die 65. Versteigerung statt.

Die Zeiten sind gut für das Geschäft mit
der Kunst. Ketterer spricht von einem „Ver-
käufermarkt“ – das heißt, es gibt deutlich
mehr Nachfrage als passende Angebote.
Das Problem ist also nicht, potente Käufer
zu ermitteln. Das Problem ist, die richtigen
Objekte zu finden, ähnlich wie derzeit auf
dem Markt für Topimmobilien. Die Preise
steigen und steigen, hier wie da. Ketterer
erzielte schon hohe Summen: Ein Ölgemäl-
de von Emil Nolde brachte 2,5 Millionen Eu-
ro, mehr als eine Million Euro zahlten Käu-
fer auch für Werke von Ernst Ludwig Kirch-
ner, Wassily Kandinsky, Max Pechstein
oder Günther Uecker. Solche Geschäfte
sind selten, aber gut für das Image.
Angesichts der Nullzinspolitik der Euro-
päischen Zentralbank (EZB) und negativer

Zinsen auf hohe Guthaben investieren vie-
le gerne und zunehmend in Kunst, und se-
hen das als Wertanlage. Dabei sei der Er-
werb etwa eines Gemäldes etwas anderes
als eine Finanzinvestition wie der Kauf ei-
ner Anleihe oder einer Aktie, sagt Ketterer.
Die Anleger müssten sich mit den Künst-
lern auseinandersetzen, es gehe am Ende
um drei Dinge: den großen Namen, die
Wertanlage, aber vor allem auch das Gefal-
len. Und: „Mit Kunst kaufen Sie ein Stück
Kultur und vor allem Lebensqualität.
Kunst in Ihrem Wohnumfeld prägt Sie und
Ihre Kinder.“ Es sei etwas anderes, wenn
man mit Kunst zuhause aufwachse. Kette-
rer sammelt auch privat, er wohnt mit sei-
ner Frau, die ebenfalls im Unternehmen ar-
beitet, und seinen beiden Kindern in der
Nähe von München. An den Wochenenden
ist er in Kreuth, südlich vom Tegernsee,
dort hat die Familie ein Domizil, ebenfalls
von den Eltern übernommen.
Vater Wolfgang, der 2009 mit 89 Jahren
starb, hatte gemeinsam mit seinem Bruder
1954 in Stuttgart eine Kunstgalerie gegrün-
det, 1965 zog er mit seiner Familie nach
München um. Der Bruder, ein Kunstsamm-
ler, ging nach Davos, für seine Sammlung
von Werken Kirchners ließ er dort ein Mu-
seum bauen. Die Münchner Galerie, allein
geführt von Wolfgang Retterer, residierte
über viele Jahre in der Villa Stuck. 1982 be-
zog die Galerie das Carolinenpalais in der
Brienner Straße. Robert Ketterer erinnert
sich noch gut: Die Wohnung der Familie
lag direkt über der Galerie, es gab kein Ta-
schengeld, dafür mussten er und seine Brü-
der gegen Entlohnung für den Vater arbei-
ten, Möbel schleppen, Kataloge versen-
den, Fotos entwickeln – solche Dinge.
Robert Ketterer übernahm die Firma
dann in schwierigen Zeiten, damals lief der
Kunstmarkt nicht gut, sein Vater handelte
mit vielem, war wenig spezialisiert. „Sehr
früh war mir klar, dass Akquise im Aukti-
onshaus das Wichtigste ist. Und ich habe
mich auch inhaltlich bald konzentriert auf
Kunst aus Deutschland. Wenn man ver-
sucht, alles zu machen, steht man auch mit
allen in Konkurrenz“, sagt er. Bald schaffte
er auch Computer an – damals ungewöhn-
lich für die Auktionsbranche. „Wir haben
sehr früh auf das Internet gesetzt.“ Seit
zwölf Jahren führe die Firma nun Internet-
auktionen durch, mit großem Erfolg. Wird
es also irgendwann gar keine Live-Verstei-
gerungen mehr geben, sondern alles nur
noch online ablaufen? Ketterer glaubt das
nicht. Denn Internetauktionen funktio-
nierten nur dann, wenn Vertrauen bei Käu-
fern und Verkäufern da sei. „Vertrauen bil-
det sich zuerst bei Live-Auktionen.“
Seit zwölf Jahren sitzt das Unternehmen
im schmucklosen Münchner Osten, weit
weg von der Innenstadt, in einem moder-
nen, 3500 Quadratmeter großen Betonge-
bäude, extra für Ketterer gebaut. Unten
sind die Ausstellungsräume, oben die Bü-
ros, hinter dem Haus ein großer Parkplatz.
„Haus für Kunst“ nennt es Ketterer, in An-
lehnung an das Münchner Haus der Kunst.
Jedes Unternehmen sei darauf ange-
legt, Gewinne zu machen, sagt Ketterer,
auch seine Firma, aber er könne auch
Durststrecken überstehen: „Als Unterneh-
mer muss ich immer auch mit Zeiten mit
Verlusten rechnen.“ Auch wenn die welt-
weite Wirtschaft labil ist, Handelsausein-
andersetzungen zu eskalieren drohen und
ein Konjunkturabschwung in Aussicht ist,
dem Firmeninhaber ist nicht bange. „Der
Kunstmarkt ist auch über die Wirtschafts-
krisen hinweg immer eher stabil“, sagt Ket-
terer. „In Krisenzeiten ist immer mit einer
Rückbesinnung auf die großen Meister
und großen Namen zu rechnen.“

E


rtappt! Da wollte dieser Schlingel
doch wirklich ein paar Pakete von
der Türschwelle klauen. Der Nach-
bar hatte jedoch ein paar Tage davor eine
Kamera installiert und so eingerichtet,
dass auch die Eingänge anderer Häuser
und die Straße zu sehen sind. Die Firma
Flock Safety verspricht, Nummernschil-
der erkennen zu können. Wenn also ein
Fahrzeug, dessen Nummer nicht zuvor ei-
nem Bewohner zugeordnet worden ist, die
Straße entlangfährt, dann zeichnet das Sys-
tem das automatisch auf. Paketdiebe, das
ist in den Nachrichten zu hören, arbeiten
meist in Gruppen, einer im Auto und der
andere als Fußgänger.
Das Unternehmen ist ein Absolvent des
legendären Gründerzentrums Y Combina-
tor und wird von Kapitalgebern wie Matrix
Partners oder dem Founders Fund von
Peter Thiel gefördert – vor allem aber ist es
ein Beispiel dafür, wie die Tech-Branche
bisweilen funktioniert. Amazon hat mit
seiner kundenfreundlichen Strategie, bei-
nahe alles zu liefern, und das meiste davon
innerhalb von 24 Stunden, die Logistik-
branche revolutioniert. Das hatte Neben-
wirkungen, wie so häufig bei der Erst-ein-
mal-machen-Mentalität amerikanischer
Start-ups: Das können zum Beispiel Hass-
mitteilungen sein.
Amazon hatte ein Problem gelöst, da-
durch aber ein anderes verursacht. Es geht
nicht darum, dass Lieferanten nun quasi
überall anhalten und Straßen verstopfen
oder dass in Supermärkten nur noch Mitar-
beiter von Lieferdiensten zu sehen sind.
Die Leute bestellen häufig am Abend, einer

Studie im Auftrag der Tech-Nachrichten-
seiteThe Hustlezufolge ist „Drunk Online
Shopping“ – also das Bestellen von Sachen
nach dem Genuss einiger alkoholischer Ge-
tränke – mittlerweile ein Trend, der in den
USA einen Umsatz von 45 Milliarden Dol-
lar pro Jahr generiert. Jedoch sind die meis-
ten Menschen nicht 24 Stunden am Tag da-
heim, also werden Pakete vor Haus- und
Wohnungstüren gelegt in der Hoffnung,
dass sie schon niemand klauen würde.
Die Hoffnung auf das Gute im Men-
schen ist oft vergebens, und deshalb sind
die Nachrichten nun voll mit Berichten
über gestohlene Pakete. Eine Studie des
Marktforschungsinstituts Smiota ergab,
dass ein Viertel der Amerikaner schon Op-
fer von Paketdiebstahl geworden ist. Angst
ist einer der mächtigsten Katalysatoren
des Kapitalismus, und solange es keine bes-
sere Lösung gibt, gönnen sich viele Ameri-
kaner nicht nur den durch die Verfassung
gesicherten Besitz einer Waffe, sondern
auch Überwachungssysteme. Es ist kein
Zufall, dass Amazon vor eineinhalb Jahren
knapp eine Milliarde Dollar für die Haussi-
cherheitstechnik-Firma Ring bezahlt hat,
die weltweit mehr als zehn Millionen Syste-
me installiert hat.
Viele Amerikaner werden also zu Hobby-
kriminalisten, und sie lassen sich das eini-
ges kosten. Flock Safety verlangt zum
Beispiel 2000 Dollar pro Jahr und Kamera,
das Unternehmen rühmt sich damit, dabei
zu helfen, pro Tag zwei Verbrechen auf-
zuklären und an der Verhaftung von
24 Sexualstraftätern im US-Bundesstaat
Georgia beteiligt gewesen zu sein. „Wenn

wir an jeder Straßenecke eine Detektiv-
kamera anbringen, können wir noch mehr
Straftaten aufklären“, sagt Marketingchef
Josh Thomas. Die Tech-Branche löst ein
Problem, das sie selbst kreiert hat, sie ver-
dient damit sehr viel Geld – doch sie
schafft gleich ein paar neue.

Auf dem sozialen Netzwerk Nextdoor
zum Beispiel, das auf konzentrierte Kom-
munikation von Bewohnern einer be-
stimmten Gegend spezialisiert ist, gibt es
zuhauf Videos von Paketdieben, es werden
aber auch Leute an den Pranger gestellt,
die Hundehaufen nicht beseitigen oder in
öffentlichen Parks rauchen. Es ist möglich,
gezielt nach dem Nummernschild des
Nachbarn zu suchen – laut derzeit gülti-
gem Gesetz muss der noch nicht einmal
darüber informiert werden, dass er von ei-
ner Überwachungskamera gefilmt wird –
und zu überprüfen, wann der eigentlich
das Haus verlässt. Oder zu gucken, wer da
abends zu dieser Frau zwei Häuser weiter
kommt, wenn der Mann unterwegs ist.
Könnte ja ein Verbrecher sein.
Flock Safety sagt, dass es keine Daten
an Dritte weitergeben würde und dass
sämtliche Videos automatisch nach 30 Ta-
gen gelöscht würden, was ein bisschen
wirkt wie Pontius Pilatus, der sich die Hän-
de wäscht. Die Kunden können gucken,
was sie wollen, und sie denunzieren, was

die Kameras hergeben. Im Falle des ein-
gangs erwähnte Paketdiebs gab es einen
Eintrag bei Nextdoor mit anschließender
Debatte unter den Nachbarn, die durchaus
rassistisch gefärbt war. Es gab auch einen
Polizeieinsatz, bei dem sich übrigens her-
ausstellte, dass der junge Mann ein Mitar-
beiter der Bewohner ist und die Pakete in
deren Auftrag abgeholt hatte.
Das Interessante daran ist die Fortset-
zung dieser Debatte: Der Nachbar wurde
nicht gerügt fürs Spionieren und Denunzie-
ren, es wurde vielmehr darüber geredet,
wie sinnvoll es wäre, die Gesichter von
Bewohnern und deren Gästen in einer Da-
tenbank zu speichern und die Systeme mit
Gesichtserkennung auszustatten, um Irr-
tümer zu vermeiden. Klingt gruselig? Nun,
Amazon produziert die Software Rekogniti-
on, die von der Polizei bereits verwendet
wird. Die Tochterfirma Ring gab kürzlich
zu, mit mehr als 400 Polizeistationen in
den USA zusammenzuarbeiten, das Tech-
PortalBuzzfeedwill herausgefunden ha-
ben, dass die Firma in der Ukraine mit Ge-
sichtserkennung experimentiert. Lieber
um Verzeihung bitten als um Erlaubnis fra-
gen, und man braucht weder Überwa-
chungskamera noch Gesichtserkennung
angesichts der Angst der Amerikaner der-
zeit. Lieber sich bei einem Unschuldigen
entschuldigen, als einen Paketdieb nicht
zu erwischen. jürgen schmieder

Frank Grund , 61, oberster Versiche-
rungsaufseher der Bafin, fordert die
Lebensversicherer auf, sich stärker ge-
gen die niedrigen Leitzinsen in der Euro-
zone zu wehren. „Bisher habe ich die
Betroffenen immer angehalten, nicht zu
lamentieren, sondern die Realität zu
akzeptieren“, sagte er bei der Jahreskon-
ferenz der Versicherungsaufsicht in
Bonn. Doch jetzt ist die Schmerzgrenze
offenbar überschritten. „Es ist ein
Punkt erreicht, an dem die Marktteilneh-
mer sehr deutlich machen sollten, wie
stark die niedrigen Zinsen mittlerweile
ihr Geschäftsmodell und damit ihren
Beitrag zur kapitalgedeckten Alters-
versorgung gefährden“, sagte Grund
(FOTO: DPA). Lebensversicherern fällt es
immer schwerer, die Garantiezinsen zu
erwirtschaften, die
sie Kunden verspro-
chen haben. Ange-
sichts der schweren
Situation kündigte
Grund stärkere
Kontrollen bei Le-
bensversicherern
und Pensionskassen
an. cbn

Arno Walter , 52, Bankchef auf Abruf,
sieht vorerst keinen Grund, etwas an der
Strategie der Comdirect zu ändern. Zwar
soll die Direktbank aus Quickborn ihre
Selbständigkeit verlieren und in den
Mutterkonzern Commerzbank integriert
werden. Das sei aber kein Grund, von
den eigenen Zielen abzurücken, sagte
Comdirect-Chef Walter(FOTO: OH)anläss-
lich der Präsentation seiner Quartalszah-
len. „Man kann sich jeden Tag aufregen,
oder man kümmert sich ums Geschäft
und die Kunden. Wir haben uns für Letz-
teres entschieden“. Das Übernahmeange-
bot des Großaktionärs Commerzbank
sei für alle überraschend gekommen,
„für mich eingeschlossen“. Er werte das
Vorhaben aber als Kompliment. Die
Commerzbank habe sich ja wegen der
Leistungsstärke der Comdirect dazu
entschieden. Tat-
sächlich konnte die
Comdirect ihren
Vorsteuergewinn in
den ersten neun
Monaten steigern.
Das offizielle Über-
nahmeangebot wird
Mitte November
erwartet. mesc

Elizabeth Warren , 70, Präsidentschafts-
bewerberin der Demokraten und promi-
nente Kritikerin der US-Techkonzerne,
will gegen vermeintliche Korruption in
Washington vorgehen. „Heutzutage ist
es in republikanischen und demokrati-
schen Regierungen üblich, dass riesige
Unternehmen wie Pfizer, Google, BP,
Citibank, AT&T, Boeing oder Comcast
jeden absaugen, der eine staatliche Auf-
sichtsbehörde verlässt“, schrieb Warren
in einem am Dienstag veröffentlichten
Beitrag. „All das ist bislang völlig legal –
sollte es aber nicht sein.“Als Beispiel
nannte die Senatorin(FOTO: AFP)aus Massa-
chusetts etwa Joel Kaplan, der als hoch-
rangiger Manager zum sozialen Netz-
werk Facebook wechselte, nur zwei Jah-
re nachdem er seinen Posten als Vize-
Stabschef des damaligen Präsidenten
George W. Bush
abgab. Warren will
solche Wechsel aus
der Politik zu Konzer-
nen künftig verhin-
dern, falls sie Präsi-
dentin wird. Denk-
bar seien hohe Geld-
strafen, aber auch
Verbote. sz

Sotheby’s und Christie’s sind
die Marktführer – und gehören
beide französischen Investoren

Kunst als GeldanlageDas Geschäft läuft, Sammler investieren Millionen


(^16) WIRTSCHAFT Mittwoch, 30. Oktober 2019, Nr. 251 DEFGH
Robert Ketterer wollte eigentlich Skilehrer werden - und übernahm dann doch das Auktionshaus. FOTO: CATHERINA HESS
Selbstzerstörend
Die Kritik an den horrenden Preisen wächst, der Markt legt trotzdem weiter zu
Spione in meiner Straße
Gegen Paketdiebe, Einbrecher, Sexualstraftäter –
oder auch gegen Fremdgänger:
Ein Trend in den USA sind Überwachungskameras,
die Nummernschilder lesen und vielleicht auch
Gesichter identifizieren. Die Tech-Branche bietet damit
Lösungen für Probleme, die sie selbst geschaffen hat
SILICON BEACH
Die Kunden können gucken, was
sie wollen, und sie denunzieren,
was die Kameras hergeben

An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Marc
Beise, Karoline Meta Beisel (Brüssel), Christoph
Giesen (Peking), Helmut Martin-Jung (München)
und Jürgen Schmieder (Los Angeles) im Wechsel.
MITTWOCHSPORTRÄT
Zum Ersten, zum
Zweiten und zum...

Robert Ketterer übernahm vor 25 Jahren das Auktionshaus
des Vaters – heute ist er deutscher Marktführer
Auf die Barrikaden
Unverdrossener Banker
Gegen den Filz

PERSONALIEN
Die Familie lebte lange
über der Galerie, die Söhne
mussten immer mitarbeiten

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