Handelsblatt - 30.10.2019

(Barry) #1

„Die Frage ist die: Wo ist am


Ende die Wertschöpfung? “


Thomas Jarzombeck, Staatssekretär
Bundeswirtschaftsministerium, über die
digitale Wirtschaft

„Die Schonzeit ist einfach vorbei.


Wer es jetzt noch nicht mitbekommen


hat, da kann ich es nicht ändern, da


muss dann irgendwann der Vollzug


kommen und sagen: Vertriebsverbot,


Bußgeld und Gewinnabschöpfung.“


Gunda Rachut, Vorständin Stiftung Zentrale
Verpackungsregister

E


s sind US-Fluggesellschaften, die das Thema nun
öffentlich gemacht haben. Es gärt aber schon
länger – auch in der deutschen Luftfahrt. Es geht

um das Klimapaket der Bundesregierung und um den


Beitrag des Verkehrs im Speziellen. Der Plan: Die Steuer


auf Flugtickets soll deutlich erhöht werden, gleichzeitig


soll der Mehrwertsteuersatz für Bahnfahrkarten pau-


schal gesenkt werden. Es geht jeweils um rund eine hal-


be Milliarde Euro.


Das ist ordnungspolitisch nicht zu beanstanden. Auch


in anderen Ländern wurde und wird über den Hebel


der Steuer Verkehrspolitik betrieben. Die Bahn, die


bald klimaneutral fahren will, steuerlich besserzustellen


als andere Verkehrsträger, die das Klima unbestreitbar


beeinträchtigen oder wie der Lkw-Schwerlastverkehr


auch noch die Straßen überlasten – das ist zu begrüßen.


Weniger gelungen ist dagegen die Ankündigung, mit


den Erlösen aus der Ticketsteuer für Flüge die Einbu-


ßen durch die Absenkung der Mehrwertsteuer bei der


Bahn zu kompensieren. Das riecht nicht nur nach Quer-


subventionierung. Es sieht auch nach einer Mischung


aus Amtsmissbrauch und Interessenkonflikt aus. Die
Bahn ist ein Staatsunternehmen. In dessen Aufsichtsrat
sitzen Vertreter genau jener Parteien, die das Klimapa-
ket ausbaldowert haben. Genau diese Quersubventio-
nierung kritisiert auch die Luftfahrt – in Europa wie in
den USA. Und sie hat recht.
Ändern wird sich am Paket deshalb allerdings kaum
noch etwas. Das entsprechende Gesetz ist offenbar
recht wasserdicht formuliert. Die Ticketsteuererhöhung
wird allein mit dem Verweis auf den Klimaschutz be-
gründet. Von der Bahn ist an dieser Stelle nicht die Re-
de. Rechtlich dürften die Kritiker also kaum Möglichkei-
ten haben, die Umschichtung zu stoppen.
Dennoch sollten sie in ihrer Kritik nicht nachlassen.
Zwar kann man sagen, dass die Idee, den einen Ver-
kehrsträger mit den Steuereinnahmen aus dem ande-
ren zu subventionieren, vor allem der „verbalen Ver-
kaufe“ des Klimapakets gedient hat. Am Ende ist sie eh
irrelevant, wandern doch alle Steuereinnahmen in ei-
nen Topf, aus dem nach Bedarf andere Staatsaufgaben
finanziert werden. Den Kampf gegen die Quersubven-
tionierung könnte man also als aussichtslos bezeichnen.
Doch das wäre falsch. Denn es gibt einen Hebel, mit
dem die Luftfahrt die Regierung packen kann: das Ver-
sprechen führender Politiker, die Entwicklung alternati-
ver Antriebe für Jets zu fördern. Wieder und wieder
sollte die Luftfahrtindustrie darauf drängen, dass die
Politik ihre Zusage einlöst. Nur wenn das, was mit der
Ticketsteuer eingenommen wird, in die Ertüchtigung
der Luftfahrt gesteckt wird, ist das Klimapaket eine Poli-
tik, die ordnet – und zwar im Sinne der Sache.

Klima und Verkehr


Gut gemeint


Die Steuer für Flüge zu erhöhen
und die für Bahnfahrten zu senken
ist richtig. Das eine mit dem
anderen zu finanzieren, dagegen
nicht, sagt Jens Koenen.

Der Autor leitet das Büro Unternehmen & Märkte in
Frankfurt. Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Das Klima-


paket


riecht nicht


nur nach


Quer sub -


ven tionie -


rung.


Commerzbank AG, CDU, Zentrale Stelle Verpackungsregister

Minuszins


EZB-Konten


für alle


D


as Rundschreiben der
Volks- und Raiffeisenban-
ken zeigt, dass Minuszinsen
selbst für Privatkunden zu einem
ganz normalen Phänomen werden
dürften. Auf den ersten Blick wirkt
das fair: Schließlich müssen die
Banken selbst Negativzinsen zahlen,
wenn sie Geld bei der Europäischen
Zentralbank (EZB) parken.
Doch es gibt einen Unterschied
zwischen den Negativzinsen der
EZB und den Negativzinsen der
Banken. Ein Guthaben auf einem
Konto bei der EZB – oder genauer
bei der Bundesbank – ist grundsätz-
lich insolvenzfest. Schließlich han-
delt es sich um von der Notenbank
geschaffenes Geld – und eine Noten-
bank geht nicht pleite.
Bei Kundeneinlagen auf Bankkon-
ten ist das anders: Denn Einlagen
sind Kredite der Kunden an ihre
Banken. Und der gesetzlich veran-
kerte Insolvenzschutz für Einlagen
endet bei 100 000 Euro. Sicheres
Notenbankgeld können Privatleute
und Unternehmen nur als Bargeld
bunkern. An ein Bundesbank-Konto
kommen dagegen nur Banken.
Wenn Banken also schon „Ver-
wahrgebühren“ verlangen wollen,
dann sollten sie diese Ersparnisse
auch so sicher verwahren wie Ver-
mögenswerte im Tresor: als treu-
händerisches Sondervermögen –
und nicht als Kredit an die Bank.
Noch einfacher wäre es, wenn die
EZB elektronisches Notenbankgeld
oder Notenbankkonten für alle ein-
führt. Das ist keine irre Vision.
Schwedens Riksbank experimen-
tiert längst mit der Digitalwährung
E-Krona.
Ein E-Euro würde nicht vor Nega-
tivzinsen schützen. Aber er wäre
krisenresistenter als ein Bankgutha-
ben. Und seine Existenz würde für
Waffengleichheit zwischen Kunde
und Bank sorgen. Solange Kunden
sich in Notenbankgeld flüchten kön-
nen, müssen Banken darauf achten,
sie nicht allzu sehr zu verprellen.
Nicht weil sie aktuell so interessiert
an Einlagen wären, sondern weil sie
diese in Zukunft irgendwann wie-
der als Finanzquelle brauchen
könnten. Bislang werden die Er-
sparnisse der Bankkunden im Ban-
kensystem eingesperrt.

Wenn Banken schon Negativzinsen
verlangen wollen, sollten
Kundengelder als Sondervermögen
gelten, fordert Yasmin Osman.

Die Autorin ist Korrespondentin in
Frankfurt.
Sie erreichen sie unter:
[email protected]

Unternehmen & Märkte


MITTWOCH, 30. OKTOBER 2019, NR. 209


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