Handelsblatt - 30.10.2019

(Barry) #1

bauten. Die Computer sagen uns in unseren Model-


len, wann und in welchen Märkten sich Trends he-


rausbilden. Wie lange sie dann anhalten, können


wir nicht sagen. Wir erzielten in den vergangenen


Jahren oftmals Gewinne aus Trends, aber in ver-


schiedenen Märkten.


Was lief zuletzt gut?


2019 ist der Anleihemarkt der Renner, 2014 konnte


man im Ölmarkt gut verdienen.


Was verdienen Sie denn mit Ihren Fonds?


Unser Diversified Fund ist nach Gebühren mit


27 Prozent im Plus in diesem Jahr. Aber 2018 war


beispielsweise sehr herausfordernd, da lagen wir


14, 15 Prozent im Minus.


Ziemlich hohe Schwankungen, so etwas muss


man aushalten können.


Ja, aber wir haben keine Präferenzen, was die


Märkte angeht, nichts, was wir bevorzugen. Diver-


sifizierung ist der Schlüssel zum Erfolg, wir beob-


achten rund 200 Märkte weltweit nach Einstiegs-


signalen. Und wir können auch bei Abwärtsbewe-


gungen Geld verdienen. Mit so einer Short-Strate-


gie konnte man im Krisenjahr 2008 einen guten


Gewinn machen. 2008 war eines unserer erfolg-
reichsten Jahre. Auch beim Platzen der Internetbla-
se um die Jahrtausendwende waren wir deshalb
profitabel.

Wie sieht es heute aus, glauben Sie an einen Ab-
schwung an den Märkten?
Wir haben keine Kristallkugel auf dem Tisch ste-
hen. Viele Manager in den Pensionskassen haben
den Crash 2008 miterlebt, sie haben jetzt natürlich
Angst, dass der Boom an den Aktienmärkten en-
det. Deshalb sehen wir Zuflüsse in unsere Trendfol-
geprogramme. In einem langen, zermürben-
den Bärenmarkt zahlt sich unsere Stra-
tegie aus, da punkten wir.

Was erwarten Sie an den Märk-
ten?
Unsere größten Positionen
sind immer noch bei festver-
zinslichen Produkten. Die
Zinsen weltweit sind ja wei-
ter gefallen, die Kurse gestie-
gen. Deshalb halten wir im-
mer noch unsere Anleiheposi -
tionen, und zwar weltweit – in
den USA, in Europa und auf an-
deren Märkten.

Ist Ihr Modell heute nicht viel einfacher
geworden, weil es mehr Informationen gibt?
Gute Frage. Einerseits stimmt es, aber der Wettbe-
werb nimmt auch zu. Man muss die eigenen Syste-
me laufend weiterentwickeln und die Programme
und Strategien auf eine breitere Basis stellen. Wir
haben zum Beispiel ein „Systematic Global Macro“-
Programm, das sehr erfolgreich ist und von Unter-
schieden in den Volkswirtschaften profitiert.

Viele institutionelle Investoren waren in den ver-
gangenen Jahren von der Performance der Hedge-
fonds enttäuscht und wendeten sich deshalb ab.
Ja, das stimmt. Das war vor allem dort der Fall, wo
die Gebühren und die Leistung nicht mehr in ei-
nem angemessenen Verhältnis standen. Aber gene-
rell schätzen die Investoren unsere Strategien, weil
sie wenig korreliert sind, also unabhängig von den
Entwicklungen an den Aktienbörsen und bei den
Bonds. Das gilt besonders für Strategien, die ma-
kroökonomische Trends analysieren.

Aber die Private-Equity-Branche erzielt über Jah-
re hinweg zweistellige Renditen. Deshalb finden
die Pensionskassen und Versorgungswerke diese
Beteiligungsfonds besser als die Hedgefonds.
Folgendes dazu: Die Renditen der Private-Equity-
Häuser stehen erst einmal nur auf dem Papier. Die
Investments sind über Jahre hinweg illiquide, man
kann nicht einfach seine Anteile verkaufen. Bei un-
seren Strategien kann man innerhalb weniger Tage
aussteigen, wir sind ein sehr liquides Investment.

Warum soll man in Hedgefonds investieren, wenn
die Rendite oftmals nur einstellig ist?
Einmal bringen Hedgefonds eine Diversifizierung
zu den Kernbeständen an Aktien und Renten.
Zweitens schneiden beispielsweise systematische
Handelsstrategien in einem Abschwung besser ab
als Aktien. Und drittens können die Depots besser
abgesichert werden für unvorhergesehene Ereig-
nisse in der Zukunft.

Wie sehen Sie die Lage aktuell?
Für jeden ist sichtbar, dass Anleihen negative Ren-
diten bringen und die Aktien rekordhoch bewertet
sind. Vielen Anlegern ist klar, dass sich die Ent-
wicklung der vergangenen zehn Jahre nicht wieder-
holen wird.

Aber die Volatilität ist hoch, mal liefern Hedge-
fonds zweistellige positive Renditen, dann wieder
fallen sie zurück.
Man braucht einen langen Anlagehorizont bei
Hedge fonds, das stimmt.

Sie erwähnten bereits die Gebühren. Tendenziell
müssten sie doch – auch wegen des größeren Tech-
nologieeinsatzes – fallen ...
Das hängt wirklich von der Strategie ab. Bei absolu-
ten „Momentum“-Strategien sind es ein Prozent
Managementgebühr und keine erfolgsabhängige,
zusätzliche Gebühr. Vor 30 Jahren war das anders,
da konnte man noch sechs Prozent Management-
gebühr und 15 Prozent für die Performance berech-
nen. Unter ein Prozent kann man aber kaum ge-
hen, weil das Research für die Strategien nun ein-
mal Geld kostet.

Erwarten Sie mehr Wettbewerb durch Robo-Advi-
sors?
Bisher nicht. Das betrifft eher die Allokation beim
Vermögensverwalter. Unser heißestes Eisen ist
„Machine-Learning“ – also Künstliche Intelligenz
(KI). Wir nutzen KI als Werkzeug, um aus dem rie-
sigen Datenwust einen Wert zu finden beziehungs-
weise zu schaffen.

Macht KI nicht den Markteintritt für Hedgefonds
leichter?
Sie schafft die Illusion eines leichteren Marktzu-
tritts. Ich finde, dass es sehr schwer ist, wichtige
und unwichtige Informationen für uns als Signalge-
ber zu unterscheiden. KI ist eine Herausforderung
für die Computer. Aber ich sage Ihnen auch: 35 Jah-
re Berufserfahrung stehen auch für etwas und sind
sehr wertvoll.

Einige Hedgefonds gehen Wetten auf virtuelle
Kryptowährungen ein. Sie auch?
Momentan nicht. Vielleicht ändern wir unsere Mei-
nung, schließlich gibt es einen Bitcoin-Kontrakt an
den Terminbörsen CBOE und CME. Wir schauen
uns immer neue Märkte an, aber es müssen auch
bestimmte Kriterien erfüllt sein, wobei das bei-
spielsweise die Länge der Zeitreihen oder die Liqui-
dität betreffen kann. Aus meiner Sicht erfüllt der
Bitcoin-Kontrakt alle unsere Anforderungen, viel-
leicht fangen wir den Handel im nächsten oder
übernächsten Jahr mit unserem Programm für al-
ternative Anlagen an.

Zum Abschluss noch eine Zukunftsfrage: Worin
sehen Sie das größte Risiko für Ihre Branche?
Das größte Risiko besteht darin, dass unsere Inves-
toren unzufrieden sind mit der Performance, also
der Leistung. Das gilt vor allem dann, wenn wir in
einem Abschwung an den Märkten über einen län-
geren Zeitraum hinweg enttäuschen sollten. Das
wäre dann sehr schlecht.

Herr Lueck, vielen Dank für das Interview.


Die Fragen stellten Peter Köhler und Robert
Landgraf.

Hedgefondsmanager Lueck:
„Mein Herz schlägt für die Physik.“

Aspect Capital

Der Manager Martin
Lueck gründete im
September 1997 mit
weiteren Partnern
Aspect Capital. Davor
führte er mit Michael
Adam und David Har-
ding den Hedgefonds
AHL, einen Wegberei-
ter für den Einsatz
quantitativer Handels-
strategien. Der gebür-
tige Schweizer ist
vierfacher Vater und
hat deutsche Vorfah-
ren, die in die USA
auswanderten. Er stu-
dierte Physik an der
Universität Oxford.

Das Unternehmen
Aspect Capital ver-
waltet gut sieben Mil-
liarden Dollar und
betreibt den Handel
aus London, Hong-
kong und Stamford,
Connecticut, heraus.
Der Ansatz verbindet
wissenschaftliche
Grundsätze mit Hoch-
technologie, um
daraus Anlagestrate-
gien für beispiels-
weise Termin- und
Optionsmärkte zu
entwickeln.

Vita
Martin Lueck

Bei unseren Strategien


kann man innerhalb


weniger Tage aussteigen,


wir sind


ein sehr liquides


Investment.


Finanzen & Börsen


MITTWOCH, 30. OKTOBER 2019, NR. 209


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