Handelsblatt - 30.10.2019

(Barry) #1
294

MILLIONEN


Euro Gewinn hat die
Commerzbank im drit-
ten Quartal erzielt.
Das war mehr als von
Analysten erwartet.

Quelle: Commerzbank


Deutsche Bank


Kein schöner


Advent für


Pensionäre


Yasmin Osman Frankfurt


F


ür die Ruheständler der Deut-
schen Bank gibt es seit Jahren
eine Tradition: In der Zentrale
und in den Regionen lädt das Geld-
haus seine Pensionärinnen und Pen-
sionäre zu Weihnachtsfeiern ein. Für
viele ein willkommener Anlass, um
sich bei Kaffee und Kuchen auszutau-
schen.
Doch damit ist nun vorerst Schluss.
Weil die Deutsche Bank sparen muss,
habe man sich diesbezüglich eine
klare Zielsetzung gegeben, „die auf
allen Ebenen des Konzerns unweiger-
lich entsprechende Einschnitte so-
wohl in personeller Hinsicht als auch
in sonstigen Kostenaspekten“ mit
sich bringt, heißt es in einem Schrei-
ben an die Ruheständler, das dem
Handelsblatt vorliegt.
„Aus diesem Grund haben wir im
Vorstand schweren Herzens entschie-
den, die traditionellen Pensionärs-
Weihnachtsfeiern in den Regionen
und der Zentrale bis auf Weiteres aus-
zusetzen“, heißt es in dem Brief, der
vom Vizevorsitzenden der Bank, Karl
von Rohr, unterzeichnet ist. „Wir
werden diese Entscheidung zu gege-
bener Zeit auf Grundlage einer ver-
besserten Kosten- und Ertragssituati-
on überprüfen.“
Die Bank wirbt bei ihren Ruhe-
ständlern für Verständnis. „Uns ist
bewusst, wie sehr Sie sich mit der
Bank identifizieren, und natürlich
auch, dass die Weihnachtsfeiern für
viele von Ihnen eine Möglichkeit dar-
stellen, sich zu sehen, sich auszutau-
schen und über die Bank zu diskutie-
ren“, so von Rohr.

Neue Parkgebühren


Bei Arbeitnehmervertretern hält sich
das Verständnis für diesen Schritt al-
lerdings in Grenzen. „Ich finde das
Vorgehen der Bank peinlich und
kleinlich“, sagte der Bundesvorsit-
zende der Gewerkschaft DBV, Ste-
phan Szukalski, dem Handelsblatt.
Der Wegfall von Pensionärsfeiern
werde die Deutsche Bank nicht ret-
ten. „Ich würde eher das Streichen
von zwei, drei gut bezahlten Direkto-
renposten in der Zentrale empfeh-
len“, kritisiert der DBV-Chef. Von
dem Eingesparten ließen sich
deutschlandweit ziemlich üppige
Weihnachtsfeiern organisieren.
Die Deutsche Bank betonte auf An-
frage, sie habe zahlreiche Maßnah-
men beschlossen, um Kosten zu sen-
ken. „Dazu zählen auch eine Reihe
von Maßnahmen in Deutschland wie
etwa eine bundesweite Gebührenan-
passung für Mitarbeiterparkplätze,
eine Neuregelung im Umgang mit
Resturlaubstagen ab 2021 sowie Ein-
sparungen bei Logistik und Kurier-
fahrten“, sagte eine Sprecherin des
Instituts. „Darüber hinaus haben wir
beschlossen, vorerst die Weihnachts-
feiern für unsere Pensionäre auszu-
setzen.“ Die Bank habe alle Pensionä-
re in einem persönlichen Brief um
Verständnis gebeten.
Seit Oktober gibt es zudem keine
Extraprämien mehr, die Mitarbeiter
bislang nach zehn, 25 und 40 Jahren
Betriebszugehörigkeit erhielten. Die
Bank spare mit solchen Maßnahmen
eine mittlere einstellige Millionen-
summe ein, hieß es in Finanzkreisen.
Die Bank kommentierte das nicht.

Girokonten


Umstrittene Minuszinsen


Verbraucherschützer


kritisieren das Vorgehen des


Genossenschaftsverbands


BVR. Sie halten Negativzinsen


auf Girokonten für unzulässig.


E. Atzler, Y. Osman Frankfurt


E


in Rundschreiben des Verban-
des der Volks- und Raiffeisen-
banken BVR sorgt bei Ver-

braucherschützern für Aufregung.


Anders als der BVR betrachten sie die


Einführung von Negativzinsen bei Gi-


rokonten mit einer Gebühr als verbo-


ten. „Bei Girokonten mit einem Kon-


toführungsentgelt sind Minuszinsen


generell nicht zulässig – egal, ob es


sich um ein bestehenden Girokonto


oder ein neues handelt“, sagte Kay


Görner, Finanzexperte bei der Ver-


braucherzentrale Sachsen, dem Han-


delsblatt. Es mache dabei keinen Un-


terschied, ob die Bank ein Verwahr-


entgelt als zusätzliche Gebühr oder


einen Negativzins verlange.


Anlass für die Kritik ist ein Rund-


schreiben des BVR an die knapp 900


Genossenschaftsbanken, das dem


Handelsblatt vorliegt. Darin analy-


siert er die Rechtslage zu Minuszin-


sen und gibt Kommunikationstipps,


um Kunden auf Strafzinsen vorzube-


reiten – auch auf dem Girokonto. Bis-


lang schrecken Banken davor zurück,


von normalen Privatkunden Minus-


zinsen zu fordern, und sprechen nur


Vermögende an. Doch der BVR-Leit-


faden zeigt: Das Tabu bröckelt.


Kreditinstitute müssen Negativzin-


sen bezahlen, wenn sie überschüssi-


ge Spargelder ihrer Kunden bei der


Notenbank parken. Die Gebühr liegt


bei minus 0,5 Prozent. An Brisanz ge-


wonnen hat das Thema, weil die Eu-


ropäische Zentralbank auf ihrer Sep-


tember-Sitzung die Negativzinsen
wohl für lange Zeit zementiert hat.
Der BVR erklärt im Rundschreiben
unter anderem, dass sich die Banken
im Neugeschäft die Option auf Minus-
zinsen einräumen lassen sollen. Bei
Bestandskunden brauchen sie die Zu-
stimmung der Kunden. Das gelte für
Einlagenkonten, etwa Tagesgeldkon-
ten, wie für Girokonten. Klar ist, dass
Banken Minuszinsen bei Bestands-
kunden nicht einfach über Änderun-
gen im Preis- und Leistungsverzeich-
nis einführen dürfen: Nach Informa-
tionen aus Finanzkreisen hat die
deutsche Finanzaufsicht Bafin des-
halb in wenigen Einzelfällen sogar
Untersagungsverfügungen erlassen.
Laut dem Rundschreiben kann ei-
ne Bank bei Girokonten ein „Ver-
wahrentgelt“ zusätzlich zum Konto-
führungsentgelt berechnen: Es sei
denkbar, dieses „als Pauschale zu er-
heben“ oder aber als „prozentuales
Verwahrentgelt“. Das wiederum ist
de facto ein Minuszins.
Verbraucherschützer Görner bean-
standet das: Dass der BVR ein derarti-
ges Verwahrentgelt für zulässig erach-
te, halte man „für bedenklich“, sagte
er mit Verweis auf ein Urteil des Land-
gerichts Tübingen. Es hatte im Mai
2018 entschieden, dass ein Entgelt für
die Einlagenverwahrung bei einem Gi-
rokonto mit Kontoführungsgebühr
nicht erlaubt ist (Az. 4 O 225/17). Das
Urteil besagt: In einem Nebeneinan-
der von Kontoführungsgebühren für
das Girokonto und einem Entgelt von
0,5 Prozent im Jahr für die Verwah-
rung von Einlagen liege „eine unange-
messene Benachteiligung der Bank-
kunden“.
Geklagt hatte die Verbraucherzen-
trale Sachsen, die bei bestimmten Fi-
nanzthemen gegen die Volksbank
Reutlingen vorgehen wollte. Die Bank

veranschlagte zeitweise laut Preisaus-
hang negative Zinsen für Guthaben
unter anderem auf Girokonten. Sie be-
rechnete Kunden den Negativzins
zwar nicht, dieser bestand nur auf
dem Papier. Doch der Fall fand viel
Beachtung. Der BVR erklärte auf An-
frage: „Wir teilen die Position des
Landgerichts Tübingen ausdrücklich
nicht.“ Görner sagte indes, man wolle
das Vorgehen der Banken im Auge be-
halten. Derzeit lägen keine weiteren
Verbraucherbeschwerden vor.
Wenn Banken Negativzinsen auf Gi-
rokonten veranschlagen, müssen sie
mit Unmut der Kunden rechnen. „Mi-
nuszinsen auf Girokonten dürften ei-
ne emotionalere Reaktion bei den
Kunden hervorrufen“, sagt Oliver
Mihm, Chef der Beratungsfirma Inves-
tors Marketing. Jeder habe ein Giro-
konto, aber nicht unbedingt auch ein
Tagesgeldkonto, das eher als Vermö-
gensanlage betrachtet werde.


Kommentar Seite 29



Onlinebanking: Bis-
her veranschlagen
Banken nur bei ver-
mögenden Kunden
Minuszinsen.

mauritius images / Maskot

Comdirect


Selbstbewusste Töne


Vorstandschef Arno Walter


glaubt, dass die Direktbank


bei der Neuausrichtung der


Commerzbank Impulse


setzen kann.


Andreas Kröner Frankfurt


A


ls die Commerzbank am 20.
September angekündigt hat,
ihre Onlinetochter Comdirect

ganz übernehmen und in den Kon-


zern integrieren zu wollen, überrum-


pelte sie damit auch Arno Walter:


„Das kam für uns alle – mich einge-


schlossen – überraschend“, sagt der


Comdirect-Chef. Dass er vorher nicht


eingeweiht wurde, wertet er nicht als


Affront. Es sei rechtlich eben nicht


möglich, dem Übernahmeziel vorab


Bescheid zu geben.


Bei vielen Comdirect-Mitarbeitern


ist die Nervosität seit der Ankündi-


gung groß. Denn Finanzkreisen zufol-


ge sollen bei der Integration in die


Commerzbank Hunderte Stellen weg-


fallen. Zudem fragen sich viele Be-


schäftigte, was nach der Verschmel-


zung aus der Comdirect-Zentrale in


Quickborn wird.


Es wird erwartet, dass die Com-
merzbank, die aktuell 82 Prozent an
Comdirect hält, in den nächsten Ta-
gen ein offizielles Übernahmeange-
bot vorlegt. Der Comdirect-Vorstand
muss den Aktionären dann innerhalb
von 14 Tagen eine Annahme oder Ab-
lehnung der Offerte empfehlen.
Walter wollte sich am Dienstag
nicht dazu äußern, ob er das in Aus-
sicht gestellte Angebot attraktiv fin-
det. Aber er zeigte sich zuversicht-
lich, dass die Onlinebank bei der
Neuausrichtung ihres Mutterkon-
zerns wichtige Impulse setzen kann –
beispielsweise bei Apps, mit denen
Kunden ihre Bankgeschäfte über das
Smartphone abwickeln. Comdirect
habe schon länger einen klaren Fo-
kus auf Mobile Banking, erklärte der
Vorstandschef. „Insofern glaube ich,
dass wir sehr, sehr viel mitbringen
mit dem erfolgreichen Geschäft, das
wir bei Comdirect in den letzten Jah-
ren aufgebaut haben.“
Auf der anderen Seite sieht Walter
auch Chancen, nach einem Zusam-
menschluss mit der Commerzbank
neue Angebote zu entwickeln. Kon-
ten für Geschäfts- und Unternehmer-
kunden bietet Comdirect im Gegen-

satz zu den Konkurrenten ING und
DKB bisher beispielsweise nicht an –
und das findet Walter schade.
Die Strategie „Commerzbank 5.0“
sieht neben der Integration von Com-
direct einen Verkauf der polnischen
Tochter M-Bank vor. Bis 2023 will das
Frankfurter Institut so eine Eigenka-
pitalrendite von mehr als vier Pro-
zent erzielen. Die Bank betont, sie
habe sich damit Ziele gesetzt, „die sie
angesichts des aktuellen Zinsumfelds
und der makroökonomischen Aus-
sichten für realistisch hält“.
Viele große Investoren sind dage-
gen enttäuscht. „Das ist Magerkost“,
sagte einer von ihnen dem Handels-
blatt. Er hätte sich vom Vorstand am-
bitionierte Ziele und stärkere Sparbe-
mühungen gewünscht. Ein anderer
Großaktionär bezeichnete die Strate-
gie ebenfalls als enttäuschend. Gut
sei allerdings, dass die Bank nun ei-
gentlich nur noch positiv überra-
schen könne. Zumindest im dritten
Quartal hat sich das bewahrheitet.
Der Gewinn stieg um 35 Prozent auf
294 Millionen Euro. Analysten hatten
deutlich weniger erwartet.


Kommentar Seite 28



Finanzen & Börsen
MITTWOCH, 30. OKTOBER 2019, NR. 209


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