Handelsblatt - 30.10.2019

(Barry) #1
M. Brüggmann, R. Landgraf
Riad, Frankfurt

D


as Thema steht im
Raum, obwohl es zu-
nächst keiner an-
spricht. Erst um 10.23
Uhr in der saudi-arabi-
schen Hauptstadt Riad, fast zwei
Stunden nach Eröffnung des dreitägi-
gen Forums „Future Investment Ini-
tiative“ fällt der Name „Aramco“.
Aber nicht Yasir al-Rumayyan, der
Chairman des weltgrößten Ölkon-
zerns Saudi Aramco und Chef des
saudischen Staatsfonds PIF, spricht
darüber. Auch Banker und Großin-
vestoren wie Stephen Schwarzman,
Chef von Blackstone, oder Noel
Quinn, der Chef von HSBC, verlieren
kein Wort über den heiß erwarteten
Börsengang von Aramco.
Ein Russe, der Chef des Staats-
fonds Russian Direct Investment
Funds, spricht das Thema an. Kirill
Dmitrijew sagt am Dienstag im könig-
lichen Konferenzzentrum in Riad:
„Es ist sehr weise, das Geld aus dem
Aramco-Börsengang an den PIF zu
geben, der es dann in den Umbau
Saudi-Arabiens investiert.“ Aramco
Chairman al-Rumayyan wird es gerne
gehört haben.
Kurz danach erst meldet der staat-
liche saudische Nachrichtensender
Al-Arabiya, dass der Börsengang der
Saudi Arabian Oil Company, wie
Aramco offiziell heißt, am 11. Dezem-
ber erfolgen soll. Die Zeichnungsfrist
beginnt eine Woche vorher, der Preis
für die Aktie wird am 17. November
bekanntgegeben. Es handelt sich um
einen neuen Anlauf nach mehreren
Verschiebungen.

Neuer Börsenrekord


Mit einem erwarteten Volumen von
40 Milliarden Dollar für zwei Prozent
des Marktwerts von erhofften zwei
Billionen Dollar an der heimischen
Börse Tadawul würde es der größte
Börsengang der Geschichte. Den bis-
herigen Rekord hält der chinesische
Onlinehändler Alibaba aus dem Jahr
2014 mit einem Volumen von 25 Mil-
liarden Dollar. Weltweit herrscht an-

sonsten Flaute auf dem Markt für
Börsengänge. Angesichts von politi-
schen Unsicherheiten und einer sich
abschwächenden Konjunktur sind
die Unternehmen mit Aktienemissio-
nen zurückhaltend. Gleichzeitig
mussten die Börsengänge von Start-
ups wie dem Fahrdienstleister Uber
teilweise kräftige Kursrückschläge
hinnehmen, obwohl sie eigentlich
die Highlights des Jahres sein sollten.
Das Emissionsvolumen von 256 Bör-
sengängen im dritten Quartal lag mit
40 Milliarden Dollar um 22 Prozent
niedriger als im Vorjahreszeitraum.
Sarah Al Suhaimi, Chefin der Börse
Tadawul in Riad, mahnt trotz der
Rundfunkmeldung gegenüber dem
Handelsblatt zur Vorsicht: „Bisher
sind das alles nur Gerüchte. Es gibt
noch keine offizielle Ankündigung“,
sagt sie am Rande des mit 6 000 Teil-
nehmern und mehreren Staats-, Re-
gierungschefs und Monarchen be-
suchten FII-Forums. Sie sei aber
„sehr gut vorbereitet für den Aram-
co-Börsengang“.
Die offizielle Ankündigung des
Aramco-Börsengangs dürfte dem
mächtigen Kronprinzen Mohammed
bin Salman vorbehalten bleiben, der
faktisch für seinen kranken Vater,
den seit 2015 herrschenden 83 Jahre
alten König Salman, in der größten
Volkswirtschaft am Golf herrscht.
Prinz Mohammed ist auch Chairman
des PIF, dem der Privatisierungserlös
zufließen soll. Er ist Erfinder der „Vi-

sion 2030“, mit der er den Petrostaat
durch Investitionen in andere Indus-
trien und Zukunftstechnologien un-
abhängig von der Ölkonjunktur ma-
chen will. Mohammed ist aber auch
der Kronprinz, der nach Überzeu-
gung der CIA voriges Jahr den re-
gimekritischen Blogger Jamal Kha -
shoggi in der saudischen Botschaft in
Istanbul grausam töten ließ.
Vom Mega-Börsengang wollen alle
internationalen Großbanken profitie-
ren. Dazu zählen etwa JP Morgan,
Goldman Sachs, die Citigroup und
HSBC. Ganz oben steht die Invest-
mentboutique Moelis. Deren Vice-
Chairman, der ehemalige republika-
nische Mehrheitsführer im US-Kon-
gress, Eric Cantor, tritt auf dem
Investmentforum auf. Für Goldman
Sachs ist Dina Powell dabei, die bis
2018 Beraterin von US-Präsident Do-
nald Trump war. Dessen Schwieger-
sohn Jared Kushner ist auch in Riad.

Es geht um viel Geld
Als Kronprinz Mohammed, auch
MbS genannt, den geplanten IPO
2016 verkündete, wollte er fünf Pro-
zent des Konzerns an die Börse brin-
gen. Heute dürften es nur noch zwei
Prozent sein. Eine Bewertung unter-
halb des vom Kronprinzen genann-
ten Preises wäre eine Brüskierung
des Königshauses. Ohnehin hatten ei-
nige einflussreiche Saudis den ge-
planten Börsengang von Aramco als
„Verscherbeln der Kronjuwelen“ ge-

brandmarkt. Unternehmer wie Es-
sam Al Zamil und Jamil Farsi kamen
wegen ihrer Kritik am Aramco-IPO
auf Twitter und der Feststellung, das
saudische Öl gehöre dem Volk, 2017
sogar ins Gefängnis.
Doch vor zwei Wochen spielten die
angeheuerten 25 westlichen und asia-
tischen Banken nicht mit: Sie wollten
eine derart hohe Bewertung nicht ak-
zeptieren, hieß es am Rande des Fo-
rums in Riad. Auch die Investoren
stellen hohe Anforderungen. Bernd
Schröder, Fondsmanager bei Union
Investment, sagt: „Die bislang vor-
handene Unsicherheit muss mit einer
verlässlichen Ausschüttungspolitik
kompensiert werden. Eine Garantie
von 75 Milliarden Dollar bei den Aus-
schüttungen, wie offenbar ange-
dacht, spräche für eine Anlage.“ Rus-
sische Firmen wie Gazprom und Lu-
koil böten eine Aktionärsrendite von
acht bis neun Prozent. Außerdem
wird über Bonusaktien für Anleger
geredet, die Aramco-Aktien mindes-
tens sechs Monate halten. Schröder
hält eine Bewertung der Aktien mit
dem Sechs- bis Siebenfachen der Di-
vidende für „nicht unwahrschein-
lich“.
Befeuert werden soll der Börsen-
gang durch gute Geschäftszahlen. 68
Milliarden Dollar soll Aramco in den
ersten neun Monaten verdient ha-
ben, berichtet die Nachrichtenagen-
tur Bloomberg. Das weltweit gewinn-
trächtigste Unternehmen verdiente

Saudi Aramco


Weltgrößter Börsengang


läuft bald an


Der Mega-Ölkonzern aus Saudi-Arabien soll trotz Drohnenattacken auf


Raffinerien und einem niedrigen Ölpreis bald aufs Parkett gehen.


Kurstafel der Börse in Riad: Wann taucht dort die
Aktie des größten Ölkonzerns auf?

Bloomberg/Getty Images

2


BILLIONEN


Dollar Marktbewertung
erhofft sich das saudi-
sche Königshaus beim
Börsengang des
profitabelsten
Konzerns der Welt,
von Saudi Aramco.

Quelle: Insider


Private Geldanlage
MITTWOCH, 30. OKTOBER 2019, NR. 209

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