Handelsblatt - 30.10.2019

(Barry) #1
Dana Heide, Sha Hua, Christof Kerkmann,
Moritz Koch Peking, Berlin, Dortmund

A


m Rande der Kabinettssitzung am ver-
gangenen Mittwoch steckten Bundes-
außenminister Heiko Maas und Bun-
desinnenminister Horst Seehofer die
Köpfe zusammen. Nach Informationen
des Handelsblatts vereinbarten sie dabei, die Sicher-
heitsanforderungen für Lieferanten von 5G-Kompo-
nenten in weiteren Gesetzgebungsverfahren erheb-
lich zu verschärfen. Damit kommt die Bundesregie-
rung den Kritikern des chinesischen Netzausrüsters
Huawei in einem entscheidenden Punkt entgegen.
Denn die Vereinbarung der Minister bedeutet, dass
am Ende der Ressortabstimmung ein De-facto-Verbot
für Huawei-Produkte in kritischen Netzbereichen ste-
hen kann. Damit würde die Bundesregierung nun
doch den Forderungen von Sicherheitsexperten,
Nachrichtendiensten und einer wachsenden Zahl
von Bundestagsabgeordneten nachkommen.
Das Innenministerium werde sich nicht mit einer
technischen Prüfung von Risikokomponenten und ei-
ner Vertrauenswürdigkeitserklärung der Hersteller
begnügen, heißt es inzwischen aus Seehofers Res-
sort. Vielmehr solle die Glaubwürdigkeit solcher Er-
klärungen auch politisch bewertet werden. „Die Zu-
sicherung der Vertrauenswürdigkeit kann für sich al-
lein keine Aussage darüber treffen, ob die durch die
Hersteller zugesicherten Angaben auch zutreffend
sind“, erläuterte ein Sprecher des Ministeriums.
„Nicht alle erkannten Risiken – vor allem für die zu-
künftigen Telekommunikationsnetze – lassen sich ab-
schließend durch rein technische Vorgaben auffan-
gen.“ Dies könne gerade dann der Fall sein, „wenn
Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit bestimmter Her-
steller bestehen“.
Mit dieser Klarstellung geht das Bundesinnenmi-
nisterium auf die scharfe, fraktionsübergreifende Kri-
tik aus dem Bundestag ein. Die Abgeordneten haben
sich verärgert gezeigt, dass die Bundesregierung vor
zwei Wochen Sicherheitskriterien veröffentlicht hat-
te, in denen die Unabhängigkeit der Lieferanten von
ausländischen Regierungen keine Rolle spielte. Seit
Wochen tobt in Berlin ein heftiger Streit darüber, ob
Huawei am Aufbau des deutschen 5G-Netzes beteiligt
werden soll. Das Unternehmen unterliegt chinesi-
schen Sicherheits gesetzen, die es zwingen, mit dem
Geheimdienstapparat der Volksrepublik zu kooperie-

ren. Huawei-Gegner warnen, dass China 5G-Kompo-
nenten für Cyberangriffe nutzen könnte. Sie fordern
den Ausschluss chinesischer Lieferanten.
„Der öffentliche Druck zeigt offenbar Wirkung“,
sagte Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der
SPD-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt. „Es ist
gut, dass das Innenministerium klarstellt, dass eine
politische Bewertung der Risiken im 5G-Netz nötig
ist.“ Jetzt müsse die Regierung allerdings klar kom-
munizieren, ob die Auffassung des Innenministeri-
ums eine einheitliche Linie sei, forderte Schmid. So
sehen es auch die Huawei-Kritiker der Union. „Die
Äußerung des Innenministeriums ist ein Schritt in
die richtige Richtung“, sagte CDU-Innenpolitiker
Christoph Bernstiel dem Handelsblatt. „Entschei-
dend ist jetzt eine Positionierung der Kanzlerin und
des Parlaments in dieser für unser Land so bedeuten-
den Zukunftsfrage.“
Am Dienstag erhielten die Abgeordneten Argu-
mentationshilfe vom Bundesnachrichtendienst
(BND): Bei einer Anhörung des Parlamentarischen
Kontrollgremiums des Bundestags warnte BND-Chef
Bruno Kahl vor einer Beteiligung des chinesischen
Netzwerkausrüsters Huawei beim Aufbau des neuen
deutschen Mobilfunknetzes. Seine Behörde sei „zu
dem Schluss gekommen, dass die Infrastruktur kein
tauglicher Gegenstand ist für einen Konzern, dem
man nicht voll vertrauen kann“, sagte Kahl. Dieses

Vertrauen könne man einem Staatskonzern, der in
sehr großer Abhängigkeit von der Kommunistischen
Partei stehe, nicht entgegenbringen. Es gebe mögli-
cherweise Bereiche, in denen eine Beteiligung von
Huawei denkbar wäre. Dort, wo es um die „Kerninte-
ressen“ gehe, sollte dies jedoch nicht möglich sein.
Huawei wies die Vorwürfe von BND-Chef Kahl am
Dienstagabend in einer Stellungnahme zurück. Man
sei kein „staatliches Unternehmen“, sondern ein rein
privates. Der Konzern befinde sich weder in der Ab-
hängigkeit von der KP „noch vom chinesischen Si-
cherheitsapparat“. Von Anfang an sei Huawei in Fra-
gen der 5G-Netzwerksicherheit involviert gewesen
und habe dafür gesorgt, „dass Cybersicherheit in sei-
ne Technologieentwicklung und -bereitstellung inte-
griert ist“.
Der Schritt zum 5G-Netz ist mehr als eine reine
Weiterentwicklung der bestehenden Mobilnetztech-
nologie. Es ist um ein Vielfaches schneller als das bis-
herige 4G-Netz. Dazu gilt es als verzögerungsfrei, ver-
lässlich und kapazitätsstark. 5G soll künftig alles mit
allem vernetzen: Fabriken, Stromnetze, medizinische
Geräte, selbstfahrende Autos. Experten halten es da-
her für eine der wichtigsten Infrastrukturen des Lan-
des – und die Entscheidung über Lieferanten für eine
Frage der nationalen Sicherheit. Eine wachsende
Gruppe von Koalitionsabgeordneten versucht daher,
die Entscheidung über die Sicherheitsstandards ins

Pakt gegen


Huawei


Heiko Maas und Horst Seehofer vereinbaren nach starker


Kritik eine Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen für


das 5G-Netz. Das könnte in ein De-facto-Verbot münden.


Messestand von Huawei:
Die Beteiligung des
chinesischen Technologie-
konzerns am 5G-Netzaus-
bau wird stark kritisiert.

AFP

Huawei ist


der Meinung,


dass alle


Prüfungs -


kriterien auf


Fakten


beruhen


sollten.


David Wang
Vizechef von Huawei
Deutschland

Wirtschaft

& Politik

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MITTWOCH, 30. OKTOBER 2019, NR. 209


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