Hochschulabsolventen
Weniger Akademiker
Erstmals seit fast 20 Jahren
sinkt die Zahl der Nachwuchs-
akademiker. Vor allem bei
Naturwissenschaftlern, aber
auch bei Ingenieuren.
Barbara Gillmann Berlin
S
eit Jahren diskutiert Deutsch-
land über die Akademiker-
schwemme, die Zahl der Stu-
denten erreichte zuletzt die Rekord-
marke von 2,87 Millionen. Nun ist die
Zahl der Hochschulabsolventen erst-
mals seit 2001 gesunken: 2018 waren
es rund 499 000, ein Prozent weni-
ger als im Jahr zuvor. Zuvor war die
Zahl der Neuakademiker Jahr für Jahr
kräftig gestiegen: 2006 etwa lag sie
erst bei 266 000.
Die Zahl der Anfänger überstieg
erstmals im Jahr 2011 die Schwelle
von einer halben Million. Seither sta-
gniert sie auf hohem Niveau von gut
500 000. Das soll nach den Progno-
sen der Kultusminister auch die kom-
menden Jahre so bleiben.
Besonders betroffen vom erstmali-
gen Rückgang sind die MINT-Fächer,
an deren Absolventen am Arbeits-
markt besonders großer Mangel
herrscht. Am stärksten sank die Zahl
der Abschlüsse in den Naturwissen-
schaften und in Mathematik. Sie
ging um zwei Prozent auf knapp
54 000 zurück. Auch die Zahl der In-
genieurexamen ging zurück, aller-
dings nur leicht um 0,3 Prozent auf
129 190. Auch in der größten Grup-
pe, den Rechts-, Wirtschafts- und So-
zialwissenschaften, melden die Sta-
tistiker einen Rückgang von einem
halben Prozent auf gut 197 000. Ge-
stiegen ist dagegen die Zahl der neu-
en Mediziner.
Experten der Wirtschaft registrie-
ren den Rückgang der MINT-Kräfte
mit Sorge: „Der Rückgang bei den
Absolventenzahlen gerade bei den
MINT-Kräften macht schon ein wenig
Sorge“, sagt Axel Plünnecke vom In-
stitut der deutschen Wirtschaft. Denn
insgesamt „dürfte der Bedarf in den
kommenden Jahren im Zuge der Digi-
talisierung, der steigenden For-
schungsaktivitäten für die Transfor-
mation der Wirtschaft, vor allem auf
den Feldern Mobilität und Energie-
wende weiter steigen“.
Der erhöhte Bedarf hatte zu deut-
lichen Engpässen insbesondere bei
IT geführt, die nur dank einer star-
ken Zuwanderung nicht noch größer
wurden. „Daher sollten dringend die
hohen Abbrecherquoten gesenkt
und mehr Personen für ein MINT-
Studium gewonnen werden“, so
Plünnecke.
Den stärksten Rückgang von zwei
Prozent gab es bei den Bachelor-Ab-
schlüssen, die rund die Hälfte der Ab-
gänger ausmachen. Gestiegen ist da-
gegen die Zahl der Master-Abschlüsse
und die der Lehramtsprüfungen.
Warum vor allem Bachelor-Ab-
schlüsse zurückgegangen seien, darü-
ber könne man vorerst nur spekulie-
ren, erklärt Christian Tauch vor der
Hochschulrektorenkonferenz. Es
könnte sein, dass wegen der guten
Konjunktur mehr Studierende ohne
Abschluss direkt in den Arbeitsmarkt
gegangen sein, mehr im Ausland stu-
dieren oder eine längere Praxisphase
eingelegt hätten. Die Arbeitgeber hal-
ten den Rückgang der Absolventen
für eine logische Konsequenz der de-
mografischen Entwicklung.
Hochschulen
2,
MILLIONEN
Studierende gab es
2018/19 in Deutschland.
Quelle: Destatis
Hochschulabsolventen: Ihre Zahl geht erstmals zurück.
dpa
Wirtschaft & Politik
MITTWOCH, 30. OKTOBER 2019, NR. 209
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