Die Welt - 13.11.2019

(Martin Jones) #1

H


arald Christ ist Unterneh-
mer, Investor und Selfma-
de-Millionär. Der Arbei-
tersohn gehörte 2009
dem SPD-Schattenkabi-
nett als Bundeswirtschaftsminister an
und wurde von Andrea Nahles zum Mit-
telstandsbeauftragten der Partei beru-
fen. Warum er den Posten zum Jahres-
ende niederlegt und was ihn an Norbert
Walter-Borjans stört, der zum neuen
SPD-Chef gewählt werden möchte, ver-
rät Christ im Interview.

VON ANSGAR GRAW

WELT: Herr Christ, die SPD hat sich
bei der Grundrente durchgesetzt, es
gibt keine Bedürftigkeitsprüfung. Ist
das gut für die SPD – und zugleich
schlecht für die Kassen des Sozial-
staats?
HARALD CHRIST: Zunächst einmal
freue ich mich, dass eine Lösung gefun-
den werden konnte, die vielen Bedürfti-
gen hilft. Das zeigt einmal mehr, das die
GroKo liefert, und das mit einer sozial-
demokratischen Handschrift. Es stärkt
außerdem meine Position, diese Koaliti-
on bis zum Ende ihre Arbeit machen zu
lassen und sich auf keine Experimente

bei der Wahl der Parteivorsitzenden
einzulassen. Ich denke, die Belastung
der Kassen des Sozialstaates sollten wir
uns aus vielerlei Hinsicht bei diesem
Kompromiss leisten können. Das Geld
kommt am Ende überwiegend auch wie-
der dem Konsum zugute.

Was halten Sie denn vom Vorschlag
vom Vorsitz-Kandidaten Norbert
Walter-Borjans, die SPD solle keinen
Kanzlerkandidaten, sondern allen-
falls einen Spitzenkandidaten aufstel-
len?
Ich halte von dem Vorschlag überhaupt
nichts, er ist populistisch. Wer glaubt,
dass man damit im derzeitigen Wahl-
kampf um den SPD-Vorsitz in eigener
Sache punkten kann, der irrt. Die Sozi-
aldemokratische Partei muss immer
den Anspruch haben, den Kanzlerkandi-
daten zu stellen und kanzlerfähig zu
sein. Wir wissen ja auch gar nicht, wie
die Entwicklung weitergeht. Die CDU
hat ihre Personaldebatte noch vor sich.

Sie raten zur Wahl von Olaf Scholz?
Es ist kein Geheimnis. Ich rate zur Wahl
von Klara Geywitz und Olaf Scholz, weil
ich für Stabilität und für eine Fortfüh-
rung der großen Koalition bin – immer

„GEHT


NICHT DEN


LINKEN


JUSOS AUF


DEN LEIM“


4


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4 POLITIK *DIE WELT MITTWOCH,13.NOVEMBER


So steht es in einem Schreiben des Mi-
nisteriums an den haushaltspolitischen
Sprecher der Grünen-Bundestagsfrakti-
on, Sven-Christian Kindler. Da sich laut
dem Schreiben, das WELT vorliegt, die
gesamten Verwaltungskosten für den
AAAufbau der GmbH im kommenden Jahrufbau der GmbH im kommenden Jahr
aaauf gut 360 Millionen Euro belaufen sol-uf gut 360 Millionen Euro belaufen sol-
len, ist nach derzeitigem Stand davon
aaauszugeben, dass davon mehr als 36 Pro-uszugeben, dass davon mehr als 36 Pro-
zent an externe Beratungsfirmen flie-
ßen. Und weil das Ministerium schon vor
den Bundestagsbeschlüssen zur Errich-
tung der GmbH im Jahr 2018 vorberei-
tende Beratungskosten in Höhe von
knapp 17 Millionen Euro geltend ge-
macht hatte, dürfte die tatsächliche Ge-
samthöhe solcher Honorare in die Nähe
von 150 Millionen Euro kommen.
Und das bei einem Vorhaben, bei dem
es fast nur um die Zusammenlegung von
staatlichen Verwaltungen geht. Denn im
Zentrum der Reform steht, aus den Stra-
ßenbauverwaltungen der Länder diejeni-
gen Kräfte dem Bund zuzuordnen, die

A


nfangs sollten es 24 Millionen Eu-
ro sein. So viel wollte der frühere
Bundesverkehrsminister Alexan-
der Dobrindt (CSU) externen Beratern
zahlen, wenn die Zuständigkeit für deut-
sche Autobahnen zentralisiert wird.

VON MATTHIAS KAMANN

Doch Mitte Oktober 2019 sagte Dob-
rindts Nachfolger und Parteifreund An-
dreas Scheuer, dass 86 Millionen Euro an
Beratungskosten nötig seien, um die Au-
tobahn GmbH des Bundes aufzubauen.
Diese soll ab 2021 die bisherige Mischzu-
ständigkeit von Bund und Ländern erset-
zen und für Verwaltung, Erhaltung und
Bau der Autobahnen allein zuständig
sein. Aber jetzt sind die geplanten Bera-
tungskosten noch einmal um gut 50 Pro-
zent gestiegen.
Bis Ende 2020, bis zur vollständigen
Errichtung der Autobahn GmbH, plant
das Verkehrsministerium mit Berater-
kosten in Höhe von 131,5 Millionen Euro.

fffür die Autobahnen zuständig sind. Dieseür die Autobahnen zuständig sind. Diese
Umschichtungen in der Staatsverwal-
tung sollen von privaten Beratern beglei-
tet werden. Kümmern sollen die sich, so
schreibt das Ministerium, nicht nur um
„Rechts- und Steuerberatung“ sowie
elektronische Systeme, sondern auch um
„Projekt-, Change-, Organisations- und
Personalmanagement“ sowie um „Sach-
mittelverwaltung“ und „Betriebswirt-
schaft“.
Kindler sieht das nicht ein. „Verkehrs-
minister Scheuer sollte mehr auf die eige-
nen Fachleute und die Expertise im Haus
vertrauen und weniger auf teure, private
Unternehmensberater von außen“, sagte
der Grüne WELT. „Sparsame Haushalts-
ffführung und eine richtige Prioritätenset-ührung und eine richtige Prioritätenset-
zung scheinen Fremdworte für Andreas
Scheuer bei der Autobahnreform zu
sein.“ Ein „wahrer Goldesel“ sei das Pro-
jekt „für Großkanzleien und Unterneh-
mensberater“ – aber zahlen müssten die
Bürger. Nach Ansicht von Kindler zeigt
sich an Scheuers teurer Ratsuche bei Ex-

ternen, dass der Minister mit dem Projekt
„hoffnungslos überfordert“ sei.
Der extreme Kostenanstieg wirft zu-
dem die Frage auf, ob jene Reform etwas
bringt. In den jahrelangen Debatten über
eine Zentralisierung der Autobahnzu-
ständigkeit wurde stets verheißen, dass
es hohe Effizienzgewinne und Synergie-
effekte gäbe, wenn sich nicht mehr Bund
und Länder gemeinsam in der sogenann-
ten Auftragsverwaltung um die Autobah-
nen kümmern würden, sondern der
Bund alles allein regelt. Zumindest in
nächster Zeit gibt es aber statt Einspa-
rungen hohe Beraterkosten.
AAAuch die Angaben des Ministeriumsuch die Angaben des Ministeriums
fffür die Zeit, wenn die GmbH tätig seinür die Zeit, wenn die GmbH tätig sein
soll, lassen Zweifel an einer Effizienzre-
volution aufkommen. Im Brief an Kind-
ler finden sich erstmals Angaben zu den
voraussichtlichen Verwaltungskosten
der GmbH nach ihrer Errichtung: 2021
soll der „Gesamtmittelbedarf Verwal-
tungskosten“ bei fast 1,4 Milliarden Euro
liegen; 2022 und 2023 seien es dann je-

gaben gemacht haben. Zu den Vorgängen
im Umweltministerium will die AfD-
Fraktion in dieser Woche einen weiteren
Untersuchungsausschuss beantragen.
Doch wird wohl keine andere Fraktion
zustimmen. Denn wie der umweltpoliti-
sche AfD-Sprecher Karsten Hilse sagte,
habe seine Fraktion nicht versucht, die
VVVerhältnisse im Schulze-Ministeriumerhältnisse im Schulze-Ministerium
zunächst durch andere Mittel, etwa An-
fffragen, aufzuklären. „Diese Mühe wollenragen, aufzuklären. „Diese Mühe wollen
wir uns ersparen“, sagte Hilse. Aber ein
Untersuchungsausschuss als schärfstes
Schwert des Parlaments wird gemeinhin
erst eingesetzt, wenn Fraktionen sich ei-
ne solche Mühe gemacht und damit kei-
nen Erfolg hatten.
Bereits so weit gekommen ist dies
nach Ansicht aller Oppositionsfraktio-
nen bei einem anderen Thema, das wie-
derum Verkehrsminister Scheuer be-
trifft: Vermutlich Mitte Dezember wird
der Bundestag einen Untersuchungsaus-
schuss zur Pkw-Maut einsetzen. Der
dürfte Scheuer neuen Ärger bescheren.

Bei Verkehrsminister Scheuer steigen die Beraterhonorare extrem


Über 130 Millionen Euro fließen beim Aufbau einer zentralen Autobahn-Verwaltung des Bundes an externe Firmen. Eigentlich sollte das Projekt Einsparungen bewirken


weils gut 1,3 Milliarden. Solche Verwal-
tungskosten wirken sehr hoch. Vor allem
wenn man bedenkt, dass im Bundes-
haushalt für Bau, Betrieb und Erhaltung
sowie Verwaltung aller Bundesfernstra-
ßen (inklusive Bundesstraßen) derzeit
Gesamtausgaben von gut zehn Milliar-
den Euro veranschlagt werden.
Hinzu kommt die Frage, ob es all der
externen Berater überhaupt bedarf. Das
betrifft mehrere Ministerien. Ein Unter-
suchungsausschuss des Bundestags be-
schäftigt sich bereits mit den exorbitan-
ten Beraterhonoraren, die das Verteidi-
gggungsministerium in der Amtszeit derungsministerium in der Amtszeit der
designierten EU-Kommissionspräsiden-
tin Ursula von der Leyen (CDU) zahlte.
Zudem erntete das Bundesumweltminis-
terium unter Svenja Schulze (SPD) kürz-
lich harsche Kritik des Bundesrech-
nungshofes: Laut diesem könnte das
Ressort zwischen 2014 und 2018 externe
Unterstützungsleistungen im Wert von
rund 600 Millionen Euro erhalten haben
und hierüber womöglich unrichtige An-

Der Berliner
UUUnternehmernternehmer
Harald Christ

PICTURE ALLIANCE / IMAGEBROKER

/JOACHIM E. RÖTTGERS

unter der Voraussetzung, dass die sozi-
aldemokratische Handschrift deutlich
erkennbar bleibt. Ich halte nichts da-
von, dass man vorzeitig aus Koalitionen
rausgeht, die inhaltlich bisher eine ganz
gute Arbeit machen.

Selbst bei einer Wahl von Scholz und
Geywitz könnte doch der Parteitag
beschließen, die Koalition zu been-
den.
Ich kenne diese Planspiele und Spekula-
tionen. Aber ich glaube, wenn Klara
Geywitz und Olaf Scholz Parteivorsit-
zende sind, ist das auch ein Mandat, in
der Koalition zu bleiben. Und das wäre
auch aus staatspolitischer Sicht verant-
wortungsvoll. Ich glaube nicht, dass der
Parteitag das neu gewählte Tandem von
Anfang an derart belasten würde.

Nur 53 Prozent der Mitglieder
haben sich an der ersten Runde
der Abstimmung beteiligt.
Das zeigt, dass fast die Hälfte der
Parteimitglieder mit dem gan-
zen Verfahren und dem der-
zeitigen Zustand der Par-
tei wirklich nicht einver-
standen sind. Deswegen
haben sie bisher ver-

mieden, sich am Verfahren zu beteili-
gen. Das ist für eine Volkspartei wie die
SPD ein verheerendes Signal.

Wird die SPD nicht mehr gebraucht?
Für mich ist eindeutig, dass die SPD ge-
braucht wird. Wir dürfen nicht verges-
sen, dass die Sozialdemokratische Par-
tei gerade sowohl in der Bundesregie-
rung als auch in vielen Landesregierun-
gen und -parlamenten gute politische
Arbeit macht. Die SPD ist die Partei, die
es schaffen kann, die notwendige ökolo-
gische Transformation mit ökonomi-
schem Sachverstand in eine sozial-öko-
logische Marktwirtschaft zu überfüh-
ren. In ihrer Historie hat die SPD oft be-
wiesen, dass sie es versteht, große
Transformationen zu begleiten und vor
allem die Menschen auf diesem
Weg mitzunehmen.

Was kommt nach der Perso-
naldebatte?
Die SPD muss verstehen, dass
sich nicht nur das gesam-
te Parteienspektrum

verändert hat. Sondern auch das, was
die Menschen da draußen interessiert.
Ebenso hat sich verschoben, wie kom-
muniziert wird. Gerade bei jungen Men-
schen gibt es heute eine andere Erwar-
tungshaltung an Demokratie und die
Parteien. Dem wird in der SPD bislang
zu wenig Rechnung getragen. Man ist
viel zu sehr Richtung Vergangenheit
orientiert, als dass man wirklich den
Mut hätte, die Zukunft zu gestalten.

Es fehlt an Zukunftsglauben?
Ich habe den Eindruck, dass die SPD
zurzeit weitgehend inhaltliche Positio-
nierungspolitik für die Delegierten und
für die Parteimitglieder macht, aber
vergisst, dass am Ende viele Millionen
Wählerinnen und Wähler zur Wahlurne
gehen. Mit einer Binnenpolitik, mit ei-
ner Binnendiskussion erreichen wir we-
der die Herzen noch den Verstand der
Wähler. Auf diesem Weg kommen wir
nie auf bessere Umfragewerte. Wir
müssen nicht die Politik machen, die
sich vielleicht der ideologisch linksori-
entierte Delegierte wünscht, sondern
die Politik, die die Wähler gut finden.

Die SPD hat für die Mittelschicht,
vom Facharbeiter aufwärts, wenig im
Angebot.
Die SPD ist die Partei des sozialen Auf-
stiegs, sie hat jahrzehntelang durch eine
sozialdemokratische Bildungspolitik
und andere Entscheidungen vieles dafür
getan. Jetzt, wo viele Menschen aufge-
stiegen sind, gibt es konzeptionell keine
ausreichenden Antworten mehr, son-
dern eher eine Politik gegen die eigene
Klientel. Die Sozialdemokratie ist dabei,
die Mitte weitgehend aufzugeben. Das
übrigens ist auch ein Grund, warum ich
erklärt habe, im Dezember mein Amt
als Mittelstandsbeauftragter aufzuge-
ben.

Und weitere Gründe?
Der andere Grund ist, dass mich Andrea
Nahles in ihrer Funktion als Partei- und
Fraktionsvorsitzende ernannt hat. Da-
rum stelle ich jetzt dieses Amt für einen
Neuanfang zur Verfügung. Ich hatte mit
Andrea Nahles eine sehr gute und enge
Zusammenarbeit. Die neue Führung,
sowohl der Fraktion als auch der Partei,
hat überhaupt keinen Wert mehr auf
diese Zusammenarbeit gelegt. Auch das
ist ein Signal. Und dagegen richte ich
mit der Ankündigung meines Abtritts
einen Appell an die Parteibasis, bitte
vernünftig zu wählen und nicht irgend-
welchen Verführungen von irgendwel-
chen linken Jusos auf den Leim zu ge-
hen. Das muss man sich mal überlegen,
der Walter-Borjans sieht Kevin Kühnert
als kanzlerfähig. Da kann ich nur sagen,
einen solchen Kurs werde ich nicht mit-
gehen. Sind solche Leute noch in der
Realität unterwegs?

Unter Walter-Borjans blieben Sie bei
Ihrem Rücktritt, aber unter Scholz
würden Sie es nochmals machen?
Ich werde definitiv keinen Rücktritt von
meiner Aussage machen. Ich stelle das
Amt des Mittelstandsbeauftragten zur
Verfügung, dabei bleibt es, egal, wer
Parteivorsitzender wird. Wenn Walter-
Borjans und Frau Esken Parteivorsit-
zende werden, akzeptiere ich natürlich
das demokratische Ergebnis der Mit-
glieder. Dann werde ich aber für mich
die politische Entscheidung treffen
müssen, ob ich den Kurs dieser Kandi-
daten noch mitgehen kann.

Es könnte auf die Rückgabe das Par-
teibuchs hinauslaufen?
Ich will das jetzt nicht ankündigen, aber
ich schließe nichts aus.

Unternehmer Harald Christ hört als SPD-Mittelstandsbeauftragter auf. Seine


Partei sei dabei, die Mitte aufzugeben. Dazu, dass Vorsitzkandidat Walter-Borjans


Juso-Chef Kühnert für kanzlertauglich hält, sagt er: „Sind solche Leute noch in der


Realität unterwegs?“


A


mira Mohamed Ali und Dietmar
Bartsch sind das neue Führungs-
duo der Linken im Bundestag.
Die Fraktion bestätigte am Dienstag
den bisherigen Co-Vorsitzenden
Bartsch im Amt und wählte die nieder-
sächsische Bundestagsabgeordnete zur
Nachfolgerin von Sahra Wagenknecht.
Wagenknecht war nach vier Jahren als
Fraktionsvorsitzende nicht noch einmal
zur Wahl angetreten.
Für Bartsch stimmten 44 Abgeordne-
te, das waren nach Angaben eines Frak-
tionssprechers 63,7 Prozent. Bei der
letzten Wahl 2015 hatte er noch 80 Pro-
zent der Stimmen bekommen. Für den
weiblichen Part des Führungsduos hat-
te sich neben Mohamed Ali die stellver-
tretende Vorsitzende der Fraktion, Ca-
ren Lay, beworben. Beide bekamen im
ersten Wahlgang keine Mehrheit. In ei-
nem zweiten Wahlgang sprachen sich
dann 36 Abgeordnete für Mohamed Ali
aus – das entspricht 52,2 Prozent. Caren
Lay holte 29 Stimmen, 42 Prozent.
Die Rechtsanwältin Mohamed Ali
sitzt erst seit 2017 für die Linke im Bun-
destag und wird dem linken Flügel der
Partei zugerechnet, zu dem auch Wa-
genknecht gehört. Öffentlich größer in
Erscheinung getreten ist sie bisher
nicht. In der Fraktion hat sich Moha-
med Ali bisher um Verbraucher- und
Tierschutz gekümmert sowie um Recht
und Ernährung. In ihrem Bewerbungs-
schreiben für den Vorsitz hatte sie es als
zentrale Aufgabe bezeichnet, die Frakti-
on wieder zusammenzuführen. Die Zeit
mit Sahra Wagenknecht an der Spitze
war geprägt von Streit zwischen Wagen-
knecht und der Parteispitze um Katja
Kipping und Bernd Riexinger. Wagen-
knecht sieht eine Politik der offenen
Grenzen für alle kritisch und ist der An-
sicht, ihre Partei habe sich von ihrer ei-
gentlichen Klientel entfernt. Die Ausei-
nandersetzungen und ein Burn-out hat-
ten Wagenknecht nach eigenen Anga-
ben schließlich zum Rückzug von der
Fraktionsspitze bewogen.
Sie habe den Tag nun auch herbeige-
sehnt, sagte sie vor der Fraktionssit-
zung. Einen Rückzug aus Politik und Öf-
fentlichkeit plant Wagenknecht aller-
dings nicht. Ihr Bundestagsmandat
nimmt die 50-Jährige weiter wahr – und
auch eine erneute Kandidatur für den
Bundestag bei der nächsten Wahl kann
sie sich nach eigenen Angaben zum ak-
tuellen Zeitpunkt gut vorstellen, wie sie
sagte. dpa

AAAmira Mohamedmira Mohamed


Ali ersetzt


WWWagenknechtagenknecht


Neues Führungsduo


bei der Linken-Fraktion


Amira Mohamed Ali und Dietmar
Bartsch führen künftig die Fraktion

D

PA

/CARSTEN KOALL

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