Die Welt - 13.11.2019

(Martin Jones) #1

D


ie Bauwirtschaft kann den
anhaltenden Branchen-
boom ohne zusätzliches
Personal aus dem Ausland
nicht schaffen. Der Chef
der Bundesvereinigung Bauwirtschaft
(BVB), Marcus Nachbauer, warnte in
Berlin vor einer Zuspitzung der Perso-
nalengpässe, wenn es bei den geplanten
Regelungen bleibt.

VON MICHAEL GASSMANN

VVVor allem forderte Nachbauer eineor allem forderte Nachbauer eine
VVVerlängerung der sogenannten erlängerung der sogenannten Westbal-
kan-Regelung, die Arbeitern aus dieser
Region einen erleichterten Aufenthalt in
Deutschland ermöglicht – noch. Ende
2 020 soll sie auslaufen. „Dies bedeutet
fffür deutsche Baubetriebe einen schwe-ür deutsche Baubetriebe einen schwe-
ren Rückschlag“, sagte der Verbands-
chef. „Gerade einfache, von heimischen
Arbeitnehmern nicht mehr ausgeübte
Tätigkeiten – Stichwort: Eisenbiegen –
werden von angelernten, aber sehr er-
fffahrenen Arbeitnehmern aus den West-ahrenen Arbeitnehmern aus den West-
balkan-Staaten ausgeführt.“
Das neue Fachkräfteeinwanderungs-
gesetz werde dem Bau dagegen nicht
helfen. Schon in der Vergangenheit hatte
der Lobbyist gewarnt, die neue Regelung
dürfe nicht nur für hochqualifizierte
Kräfte wie Akademiker und IT-Spezialis-
ten gelten. Genau das ist aus seiner Sicht
aber eingetreten. Arbeitskräften aus der
Baubranche mit ihren berufspraktischen
Erfahrungen hingegen biete das neue
Gesetz keine Möglichkeit, einen Aufent-
haltstitel für Deutschland zu bekommen.
VVVor vier Jahren hatte die Bundesregie-or vier Jahren hatte die Bundesregie-
rung für Menschen aus Albanien, Bos-
nien-Herzegowina, Kosovo, Mazedo-

nien, Montenegro und Serbien die ge-
setzlichen Bestimmungen für den Zu-
gang zum deutschen Arbeitsmarkt gelo-
ckert. Noch bis Ende des kommenden
Jahres können sie in Deutschland für je-
de Beschäftigung eine Aufenthaltser-
laubnis erhalten, ausgenommen Leihar-
beit. Dazu müssen sie ein verbindliches
Arbeitsplatzangebot von einem Arbeit-
geber vorlegen und die sonstigen visa-
rechtlichen Voraussetzungen erfüllen.
Rund ein Drittel der über diese Rege-
lung erteilten Visa gehe derzeit an Ar-
beitnehmer im Baugewerbe, sagte Nach-
bauer. Falle sie weg, würden sich nicht
nur die Personalengpässe am Bau ver-
schärfen, es müsse zugleich mit einem
Anstieg von Schwarzarbeit und illegaler
Beschäftigung gerechnet werden. Auch
der Zentralverband des Deutschen
Handwerks (ZDH) drängt auf eine Ver-
längerung. Er hat nach eigenen Angaben
bereits Gespräche mit dem Bundesar-
beitsministerium aufgenommen, die auf
eine Verlängerung oder eine „wirkungs-
gleiche Neuregelung“ abzielen. „Aller-
dings befinden sich diese Gespräche
noch im Anfangsstadium“, heißt es beim
Handwerksverband.
AAAuch einige andere Wirtschaftsver-uch einige andere Wirtschaftsver-
bände wie der Gaststättenverband De-
hoga hatten das Modell zuvor begrüßt.
AAAus der Politik kam Unterstützung vonus der Politik kam Unterstützung von
Stephan Thomae, Fraktionsvize der FDP
im Bundestag. Doch es gibt auch viel
Skepsis in der Arbeitsmarktforschung.
Befürchtet werden Missbrauch und un-
erwünschte Auswirkungen, etwa Druck
auf weniger qualifizierte Arbeitnehmer.
AAAuch der Hauptverband der Deutschenuch der Hauptverband der Deutschen
Bauindustrie, der vor allem große Kon-
zerne vertritt, sprach sich am Dienstag

„für eine Zuwanderung nach Qualifikati-
onsmerkmalen der Bauausbildungsberu-
fffe aus“. Hier bestehe der größte Bedarfe aus“. Hier bestehe der größte Bedarf
und Missbrauch bei der Zuwanderung
lasse sich so besser ausschließen, hieß
es.
Die Beschäftigung wird den Mitglieds-
fffirmen der Bundesvereinigung Bauwirt-irmen der Bundesvereinigung Bauwirt-
schaft, zu denen viele kleine und mittle-
re Unternehmen gehören, derweil so
bald nicht ausgehen. Verbandschef
Nachbauer erwartet einen anhaltenden
AAAufschwung, obwohl es einige bremsen-ufschwung, obwohl es einige bremsen-
de Faktoren wie die Schwäche vieler ex-
portorientierter Industriezweigegebe.
Im Dienstleistungsbereich zeige sich
diese Zurückhaltung aber bisher nicht.
AAAuch angesichts des weiter hohen Be-uch angesichts des weiter hohen Be-
darfs an Wohnungen und des dringli-
chen Ausbaus der Infrastruktur in
Deutschland werde das Geschäft weiter
kräftig wachsen.
„„„Wir blicken auf ein insgesamt gutesWir blicken auf ein insgesamt gutes
Baujahr 2019 und auch mit viel Zuver-
sicht auf das kommende Jahr“, sagte er.
Das Umsatzplus falle in diesem Jahr mit
fffünf Prozent voraussichtlich noch ein-ünf Prozent voraussichtlich noch ein-
mal einen Prozentpunkt höher aus als
im März prognostiziert. Auf die gesamte
Branche gerechnet macht das einen Un-
terschied von vier Milliarden. 2020 wer-
de der Umsatz wohl fast 370 Milliarden
Euro erreichen, nach 354 Milliarden im
laufenden Jahr. Der deutsche Arbeits-
markt sei leergefegt, nachdem die Mit-
gliedsfirmen die Zahl ihrer Jobs allein in
den vergangenen vier Jahren um 145.
auf mehr als 3,3 Millionen erhöht hätten.
Die Auftragswelle sei trotzdem zu meis-
tern, wenn der Bund für verlässliche
Rahmenbedingungen sorge, sagte Felix
Pakleppa, Geschäftsführer der Bundes-
vereinigung Bauwirtschaft: „Dann kön-
nen die Unternehmen auch in Maschi-
nen und Personal investieren.“ Befriste-
te Maßnahmen wie das Baukindergeld
trügen dazu nicht bei.
Die Bundesvereinigung Bauwirtschaft
erwartet für das kommende Jahr einen
Anstieg der Fertigstellungen auf 310.
WWWohnungen. Das wären gut 20.000ohnungen. Das wären gut 20.
mehr als im vergangenen Jahr. Die Ein-
ffführung eines Mietendeckelsührung eines Mietendeckelswie in Ber-
lin lehnt Pakleppa ab. Gegen den Woh-
nungsmangel helfe nur eins, sagte er:
„Bauen, bauen, bauen.“ Der Mietende-
ckel bewirke das Gegenteil. Angesichts
steigender Mieten in den Ballungsgebie-
ten, sei der Staat in der Pflicht, mehr für
den sozialen Wohnungsbau zu tun,
meinte Nachbauer. Mindestens 80.
WWWohnungen müssten jährlich gebautohnungen müssten jährlich gebaut
werden, solle der Bedarf gedeckt wer-
den. „Davon sind wir allerdings weit ent-
fffernt, und das obwohl der Bund den so-ernt, und das obwohl der Bund den so-
zialen Wohnungsbau ab kommendem
Jahr mit jährlich einer Milliarde Euro
weiter fördert“, so der Verbandschef.
Dass der Bund die Investitionen in die
öffentliche Infrastruktur von jährlich 14
Milliarden auf 17 Milliarden Euro über
die nächsten vier Jahre hochfahren will,
sei zu begrüßen, aber auch dringend
notwendig – und zudem eine „Herkules-
aufgabe“. Nach Jahren des Schrumpfens
müsse die öffentliche Hand etwa bei Au-
tobahnen erst einmal ihre Planungs-
kompetenz zurückgewinnen, das größe-
re Ausgabevolumen managen und das
vorhandene Planungspersonal sowie die
unterschiedlichen IT-Systeme von den
Ländern auf den Bund überführen.
Denn bis 2021 geht im Autobahnbaudie
sogenannte Auftragsverwaltung durch
die Länder in direkte Bundesverantwor-
tung über.

Der Boom in der Branche kennt kein Ende – doch der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Erleichterungen


beim Zuzug von hochqualifizierten Fachkräften helfen den Firmen kaum. Sie brauchen Eisenbieger


   


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Großer Bedarf an Fachkräften


Quelle: Bundesvereinigung Bauwirtschaft


Zahl der Beschäftigten in der Bauwirtschaft


..


Prognose


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9


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DIE WELT MITTWOCH,13.NOVEMBER2019 SEITE 9


WIRTSCHAFT


Schicksal der deutschen


Wirtschaft hängt an Trump Seite 11


Handelskrieg


THOMAS COOK


Reisen sind für


2 020 abgesagt


Bittere Nachricht für die verbliebe-
nen Kunden von Thomas Cook in
Deutschland: Der insolvente Ver-
anstalter sagte alle Reisen ab Januar
2020 ab. Wer die Reise schon teil-
weise oder ganz bezahlt hat, muss
sich an den Versicherer von Thomas
Cook wenden. Die Zurich Gruppe
Deutschland muss aber nur für 110
Millionen Euro haften – diese Sum-
me ist schon um Längen überschrit-
ten. Eine genaue Aufstellung will
Zurich Anfang Dezember veröffent-
lichen. Die Thomas Cook GmbH
mit Marken wie Neckermann, Öger,
Bucher und Air Marin war in den
Strudel der Pleite des britischen
Mutterkonzerns geraten und hatte
am 25. September Insolvenz ange-
meldet. Das Unternehmen musste
die Rückflüge und teils auch Hotel-
kosten bezahlen, um die Kunden
nach Hause zu holen. Im Touris-
musausschuss des Bundestages war
Ende Oktober bekannt geworden,
dass allein die Rückholung gestran-
deter Urlauber aus dem Ausland 80
Millionen Euro kostete. Diese Sum-
me konnte der Versicherer Zurich
am Dienstag nicht bestätigen – „wir
haben eine ungefähre Idee, aber es
wäre zu früh, darüber zu sprechen“,
sagte ein Unternehmenssprecher.
Zu den Rückführungskosten kom-
men die Ansprüche der Urlauber,
die eine Reise bei Thomas Cook bis
Ende des Jahres gebucht hatten,
aber nicht antreten konnten. Diese
Ansprüche summierten sich laut
Zurich bis 1. November auf über 250
Millionen Euro; rund 150.000 Kun-
den meldeten demnach bisher An-
sprüche an. Dazu kommen nun die
Ansprüche derer, die 2020 eine
Reise bei Thomas Cook gebucht und
dafür auch schon eine Anzahlung
gemacht haben. Die Summe, für die
Zurich haftet, ist auf 110 Millionen
Euro begrenzt.

LUFTHANSA


Weitere Streiks erst


einmal nicht geplant


Im Tarifkonflikt um die Flugbeglei-
ter bei der Lufthansa sind weitere
Streiks vorerst vom Tisch. Die Ka-
binengewerkschaft Ufo und die
Fluggesellschaft haben sich auf eine
Schlichtung geeinigt. Unterdessen
will bei der Lufthansa künftig noch
eine dritte Gewerkschaft mitmi-
schen. Man werde sich zeitnah mit
der Bitte um Sondierungsgespräche
an das Unternehmen wenden, kün-
digte ein Sprecher der Industriege-
werkschaft Luftverkehr (IGL) in
Frankfurt an. Am Tag zuvor sei in
einer konstituierenden Sitzung der
IGL-Fachbereich „Cabin Union“
gegründet worden.

DEUTSCHE BANK


Stimmung der


Mitarbeiter besser


Trotz des radikalen Konzernumbaus
hat sich die Stimmung in der Beleg-
schaft der Deutschen Bank in die-
sem Jahr einer Mitarbeiterbefra-
gung zufolge etwas verbessert.
Demnach ist die Hälfte der Beschäf-
tigten weltweit stolz darauf, bei
dem Institut zu arbeiten, im Vorjahr
waren es 47 Prozent. Insgesamt gab
es bei 36 von 53 Fragen Verbes-
serungen. Die Deutsche Bank wollte
sich auf Anfrage dazu nicht äußern.
Vorstandschef Christian Sewing
schrieb in einer internen Mail an die
Beschäftigten: „Viele von Ihnen sind
der Meinung, dass die Deutsche
Bank insgesamt ein attraktiverer
Arbeitgeber geworden ist – darüber
freuen wir uns besonders.“ Die
Verbundenheit mit dem Unterneh-
men verbesserte sich ebenso wie
das Gefühl, sich einbringen zu kön-
nen. Allerdings sieht Sewing noch
viel Luft nach oben. „Wir müssen
schneller entscheiden und Verant-
wortung besser delegieren.“ Fast die
Hälfte der Mitarbeiter weltweit
nahm an der Befragung im Septem-
ber teil.

KOMPAKT


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Angesichts der schwächeren Kon-
junktur hat Arbeitgeberpräsident
Ingo Kramer Politik und Gewerk-
schaften zu einem Zukunftspakt
aufgefordert. „Der Wind bläst uns
gerade mit voller Wucht ins Ge-
sicht“, sagte Kramer am Dienstag
auf dem Arbeitgebertag in Berlin. Es
gehe darum, Deutschland wetter-
fest zu machen. Konkret schlug
Kramer ein „Belastungsmoratori-
um“ vor. Der Koalitionsvertrag
gehöre auf den Prüfstand,alle noch
geplanten Belastungen von Firmen
müssten auf den Prüfstand. Außer-
dem müssten Genehmigungsver-
fahren für den Ausbau der Infra-
struktur schneller werden. Deutsch-
land brauche zudem eine Bildungs-
offensive. Die Sozialabgaben müss-

ten bei 40 Prozent gedeckelt werden



  • sie liegen knapp darunter.
    Die „Wirtschaftsweisen“ und die
    Bundesregierung hatten zuletzt ihre
    Prognose für das Wachstum der
    deutschen Wirtschaft deutlich ge-
    senkt. Vor allem die exportstarke
    deutsche Industrie wird von der
    schwächeren Weltwirtschaft, in-
    ternationalen Handelskonflikten und
    dem Brexit belastet. Bundeskanz-
    lerin Angela Merkel (CDU) wandte
    sich mit Blick auf die schwächere
    Konjunktur gegen „hektische Maß-
    nahmen“.Auch Vizekanzler Olaf
    Scholz (SPD) hatte sich gegen Kon-
    junkturpakete ausgesprochen. Die
    Bundesregierung wolle an ihrer
    soliden Haushaltspolitik festhalten,
    sagte Merkel.


Arbeitgeber wollen Zukunftspakt


N


ächste Anklage gegen Volkswa-
gen-Manager: Nachdem bereits
mehrere Strafverfahren wegen
des Dieselbetrugsund mutmaßlicher
Marktmanipulation laufen, hat die
Staatsanwaltschaft Braunschweig nun
eine weitere Anklage gegen zwei frühere
VVVW-Vorstände, einen ehemaligen undW-Vorstände, einen ehemaligen und
einen aktuellen hochrangigen Manager
des Wolfsburger Konzerns wegen Un-
treue erhoben. Die Angeklagten sollen
Betriebsräten bewusst zu hohe Gehälter
zugeschanzt haben, so die Behörde.

VON PHILIPP VETTER

Nicht unter den Angeklagten ist bis-
lang VW-Betriebsratschef Bernd Oster-
loh, der zu den Empfängern der zu ho-
hen Gehälter gehört haben soll. Aller-
dings läuft auch gegen Osterloh ein Er-
mittlungsverfahren wegen des Ver-
dachts der Beihilfe zur Untreue. Diese

Ermittlungen sind aber offenbar noch
nicht abgeschlossen.
Laut der Staatsanwaltschaft geht es
um erhebliche Summen, die den Arbeit-
nehmervertretern zu viel bezahlt wor-
den sein sollen. Allein Osterloh habe
zzzwischen 2011 und 2016 rund 3,125 Millio-wischen 2011 und 2016 rund 3,125 Millio-
nen Euro mehr erhalten, als ihm eigent-
lich zugestanden hätte. Insgesamt sollen
fffünf Betriebsräte in diesen Jahren zuünf Betriebsräte in diesen Jahren zu
viel Geld bekommen haben, die Gesamt-
summe beläuft sich laut den Ermittlern
auf gut fünf Millionen Euro.
Betriebsräte dürfen gesetzlich keine
höheren Gehälter erhalten, als Mitarbei-
ter des Unternehmens in einer ver-
gleichbaren Position. Diese Regelung
soll verhindern, dass Arbeitnehmer al-
lein aufgrund ihres Postens im Betriebs-
rat mehr oder weniger Geld bekommen,
sodass ihr Verhalten gegenüber dem Un-
ternehmen beeinflusst werden könnte.
Doch in der Praxis ist diese Vorgabe häu-

fffig schwer nachvollziehbar, insbesonde-ig schwer nachvollziehbar, insbesonde-
re, wenn einzelne Betriebsräte wie
Osterloh viele Jahre als Arbeitnehmer-
vertreter tätig sind. Dann muss ange-
nommen werden, welche Karriere der
Mitarbeiter in dem Unternehmen in der
Zwischenzeit hätte machen können,
wenn er nicht Betriebsrat geworden wä-
re.
VVVolkswagenolkswagenhält die Vorwürfe der
Staatsanwaltschaft für unbegründet.
„Die Volkswagen AG hält an ihrer
Rechtsauffassung fest, dass im Zusam-
menhang mit der Festlegung der Vergü-
tung einzelner Betriebsratsmitglieder
kein strafrechtlich relevantes Fehlver-
halten festgestellt werden kann“, teilte
das Unternehmen mit. Für die Ange-
klagten gelte weiterhin die Unschulds-
vermutung, zudem sei das Unterneh-
men selbst nicht unter den Beschuldig-
ten, sondern lediglich die einzelnen Mit-
arbeiter. VW hatte Ende 2017 die Gehäl-

ter von einigen Betriebsräten wie Oster-
loh drastisch gekürzt, als die Vorwürfe
und Ermittlungen bekannt wurden.
Osterloh selbst äußerte damals in ei-
nem Interviewauf der Homepage „IG
Metall bei Volkswagen“ Kritik am
Schritt des Vorstands. „Ich denke, dass
hier jetzt nach der jüngsten Aktion der
Braunschweiger Staatsanwaltschaft ei-
nige im Unternehmen auf 110 Prozent si-
chergehen wollen. Deshalb gibt man
strafrechtlichen Befürchtungen eine hö-
here Priorität als arbeitsrechtlichen
WWWürdigungen, die von anerkannten Ex-ürdigungen, die von anerkannten Ex-
perten stammen“, wurde er dort zitiert.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft
scheint nun aber der Vorsichtsmaßnah-
me des VW-Managements recht zu ge-
ben. Osterloh denke, seine Eingruppie-
rung im Management vergleichbar zu ei-
nem Bereichsleiter sollte „in Ordnung“
sein. Der Betriebsratschef hatte 2015 das
Angebot abgelehnt, Personalchef bei

VVVW mit einem Millionengehalt zu wer-W mit einem Millionengehalt zu wer-
den.
Das sieht man bei der Staatsanwalt-
schaft Braunschweig völlig anders. Bei
VVVolkswagen habe es eine „Kommissionolkswagen habe es eine „Kommission
Betriebsratsvergütung“ gegeben, die
üüüber Eingruppierungen, Gehaltserhö-ber Eingruppierungen, Gehaltserhö-
hungen und Bonusvergaben an Arbeit-
nehmervertreter entschieden habe, teilt
die Behörde mit.
Insgesamt soll es so zu 29 Fällen von
Untreue gekommen sein.Das Landge-
richt Braunschweig muss nun über die
Zulassung der Anklage zum Prozess ent-
scheiden. Beim Betriebsrat betont man,
dass Osterloh bereits vor einiger Zeit
angeboten habe, bei den Behörden zu
den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Bis-
lang sei er aber noch nicht vernommen
worden. Grundsätzlich gelte: „Die Ver-
gggütung der Betriebsräte legt nicht Herrütung der Betriebsräte legt nicht Herr
Osterloh fest. Bereits deshalb trifft ihn
keine Verantwortung.“

VVVW soll Betriebsräten bewusst Millionen zu viel gezahlt habenW soll Betriebsräten bewusst Millionen zu viel gezahlt haben


Staatsanwaltschaft klagt vier Manager an. Allein Betriebsratschef Osterloh hat demnach mehr als drei Millionen zu viel erhalten


Bau warnt vor


Ende der


Westbalkan-Regelung


Die Baubranche rechnet im nächsten Jahr mit einem Umsatz von 370 Milliarden Euro


AFP VIA GETTY IMAGES

/THOMAS KIENZLE

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