Focus - 02.11.2019

(Barré) #1

POLITIK


Fotos: dpa

32 FOCUS 45/2019


... UND WO STEHT ER?

Jens Spahn
Der Gesundheitsminister unter-
lag 2018 beim Rennen um den
CDU-Chefposten klar. Geschadet
hat ihm das allerdings nicht,
im Gegenteil: Viele in der CDU
schätzen ihn für seine Beharr-
lichkeit und dafür, dass er sich
seither der Sacharbeit widmet.
Als potenzieller Kanzlerkandidat
ist Spahn noch im Rennen

TEAM AKK

Peter Altmaier
Der
Wirtschafts-
minister ist
Landsmann
und Vertrauter

Paul Ziemiak
Als General-
sekretär zur
unbedingten
Loyalität
gezwungen

Julia Klöckner
Die Bundes-
landwirt-
schaftsministe-
rin zeigt sich
solidarisch

TEAM MERZ

Roland Koch
Wünscht sich
CDU-Führungs-
personal mit
Visionen – wie
Merz


Carsten
Linnemann
Ihm ist das
Wirtschafts-
profil der CDU
zu schwammig

Tilman Kuban
Wagte als Erster
den offenen
Angriff auf die
CDU-Vorsitzen-
de AKK

TEAM LASCHET

Ursula von der
Leyen
Gilt als
Vertraute des
NRW-Minis-
terpräsidenten

Daniel Günther
Ist ähnlich
liberal wie
Armin Laschet
und Gegner von
Merz

Ralph
Brinkhaus
Der
Fraktionschef
ist loyaler
Landsmann

Wer steht wo in


der CDU?


Noch wäre Zeit genug, für den Ende
November in Leipzig stattfindenden
CDU-Parteitag einen Antrag zur Neuwahl
des Parteivorsitzes einzubringen. Aber
damit rechnet ernsthaft niemand in der
CDU. Das gilt auch für den Vorschlag der
Jungen Union, den Kanzlerkandidaten
per Urwahl zu bestimmen. Damit würde
der CDU-Chefin der erste Zugriff ver-
wehrt – genau das wollen Kuban, Merz
und andere Gegner von Kramp-Karren-
bauer erreichen.

Brandgefährliche Lage für die CDU
Mit dem offen ausgebrochenen Macht-
kampf ist eine für die CDU brandgefähr-
liche Lage entstanden. In einer öffentli-
chen Erklärung prangerten am Mittwoch
15 führende Bundestagsabgeodnete
der CDU das „selbstzerstörerische“ und
„extrem schädliche Verhalten“ einzelner
an. „Die vorgebrachten Attacken waren
ebenso politisch kopflos wie
maßlos in Stil und Inhalt“,
heißt es in der Erklärung.
Es wächst die Sorge, das
der CDU-Richtungsstreit wie
bei der SPD in einer Abwärts-
spirale mündet. „Diese Situ-
ation verlangt von allen ein
Höchstmaß an Verantwor-
tung“, mahnte Kramp-Kar-
renbauer. „Ich bin dieser Ver-
antwortung in dieser Debatte
bisher gerecht geworden, und
alle anderen müssen sich ent-
scheiden, ob sie dieser Ver-
antwortung auch gerecht
werden wollen.“ Ihr sprang
Schleswig-Holsteins Minis-
terpräsident Daniel Günther
(CDU) bei. Offenbar gehe es
darum, Merkels Lebensleis-
tung zu kritisieren, mit der die
CDU vier Wahlen gewonnen
habe, sagte Günther. Die For-
derung nach einem vorzeiti-
gen Ende von Merkels Amts-
zeit bezeichnet er mit Blick
auf Merz als „Debatte, die von
älteren Männern geführt wird,
die vielleicht nicht ihre Karrie-
reziele in ihrem Leben erreicht haben“.
Er „halte das nicht für hilfreich, gerade
wenn das von der Seitenlinie kommt“.
Der Vorwurf von Günther könnte auch
auf Roland Koch zutreffen. Der frühere
hessische Ministerpräsident, lange ein
Gegenspieler der Kanzlerin, griff Merkel
und AKK mit einem Artikel im „Cicero“

»Das ist eine
Debatte, die
von älteren
Männern
geführt wird,
die vielleicht
nicht ihre
Karriereziele
in ihrem Le-
ben erreicht
haben«
Daniel Günther,
Ministerpräsident von
Schleswig-Holstein

an. Die Union laufe durch den fortwäh-
renden Verlust von Wählern Gefahr, dem
Schicksal der SPD zu folgen, schrieb
Koch. „Das ist nicht eine Folge gesell-
schaftlicher Entwicklungen, es ist das
Versagen von politischer Führung.“ Koch
charakterisierte die Kanzlerin als eine
Regierungschefin, die sich nur noch von
der Meinungsforschung leiten lässt.
„Hätte Kohl seine Entscheidungen von
Meinungsumfragen abhängig gemacht,
hätte er nichts bewirkt.“
Anders als seine politischen Enkel hätte
Kohl aber wohl kaum zugelassen, dass
sich die CDU in einen Führungskampf
verstrickt, dessen Ende und Ergebnis
nicht absehbar sind. Ein einziger Blick auf
die SPD müsste als Warnung genügen –
die Sozialdemokraten haben seit 1990
zwölf Parteichefs verschlissen. Dement-
sprechend sind sie in der Wählergunst nur
noch ein Schatten ihrer einstigen Grö-
ße und stehen am Vorabend
einer erneuten Vorsitzenden-
wahl am Tiefpunkt ihrer poli-
tischen Bedeutung.
Dabei hatte Merkel exakt
das zu verhindern versucht, als
sie vor fast genau einem Jahr
zur Überraschung ihrer Par-
tei auf den Vorsitz verzichtete
und ihre Kritiker wissen ließ,
dass sie am Ende ihrer Amts-
zeit nicht mehr für eine wei-
tere Kanzlerschaft zur Verfü-
gung stehen werde. Dem war
ein Wahlergebnis in Hessen
vorausgegangen, das, ver-
glichen mit Thüringen, fast
noch als Erfolg verbucht wer-
den konnte; immerhin gelang
der CDU die Fortführung der
Regierungskoalition mit den
Grünen.
Doch die Kanzlerin hatte
den wachsenden Druck ge-
spürt – und ihm nachgegeben.
Anfang des Jahres war die
CDU noch stolz auf den ruhi-
gen Führungswechsel. Die Par-
teiführung bezeichnete die
Regionalkonferenzen mit den
drei Kandidaten AKK, Merz und Jens
Spahn als „fairen Wettbewerb“, ja sogar
als „Festspiele für die innerparteiliche
Demokratie“. Davon ist nichts mehr
geblieben.
Noch bevor klar ist, ob die Bundes-
regierung überhaupt bis 2021 hält oder
ob die SPD die Koalition vorzeitig ver-
Free download pdf