Focus - 02.11.2019

(Barré) #1
WIRTSCHAFT

52 FOCUS 45/2019

Im Krimi um den Berliner Galeristen Michael Schultz, den einstigen Großsprecher des


deutschen Kunstmarkts, packt jetzt erstmals einer der Geschädigten aus


Die große Kunst der kleinen Gaunerei


E

r wolle endlich sein Geld
zurück. Und zwar schnell.
Der Anrufer, ein Unter-
nehmer und Kunstsammler
aus Norddeutschland, war
ziemlich ungehalten. Der
Berliner Galerist Michael
Schultz wusste, warum. Immerhin hatte
der Mann ihm über die Jahre große Sum-
men als „Privatdarlehen“ gewährt. Mit
der versprochenen Rückzahlung hatte
sich Schultz immer wieder Zeit gelas-
sen – um die Tilgung schließlich ganz
einzustellen. Inzwischen schuldete er

dem Mann sechs Millionen Euro. Also
stimmte er einem Treffen mit seinem
Gläubiger in einem Berliner Restaurant
zu. Das war vor acht Wochen. Der Gläu-
biger kam. Schultz nicht. Der Samm-
ler, der sich offenbar damit abgefunden
hat, dass er sein Geld nie mehr kriegen
wird, will über den früheren Freund und
Geschäftspartner Schultz kein Urteil fäl-
len: „Ich bin einfach enttäuscht. Tief
enttäuscht.“
Ent- und getäuscht fühlen sich der-
zeit einige von dem Berliner Galeristen,
der sich über Jahrzehnte als Laut- und

Großsprecher des deutschen Kunstmarkts
gefiel. Der 67-jährige Schultz, so der Vor-
wurf der Berliner Staatsanwaltschaft, soll
mehrere Kunstwerke mittels gefälschter
Zertifikate und Dokumente als originale
Schöpfungen bedeutender Künstler aus-
gegeben haben.
In mindestens einem Fall soll er die
Fälschung eines Gemäldes von Gerhard
Richter in Umlauf gebracht haben. Durch
derartige Betrügereien soll Schultz einen
Schaden von mehreren Millionen Euro
verursacht haben. Die Staatsanwaltschaft
erwirkte einen Haftbefehl gegen den Ver-

Verurteilter Richter

Dieses Gemälde, angeblich das
Werk „Abstraktes Bild 705-2“
von Gerhard Richter, brachte
der Galerist Michael Schultz in
Umlauf. Er gab es einem seiner
Sammler als Ausgleich für eine
größere Geldsumme, die er
ihm schuldete und nicht zu-
rückzahlen konnte. Der
Sammler wollte das Gemälde
(Wert etwa eine Million Euro)
über Christie’s versteigern
lassen. Das Auktionshaus
sicherte sich ab und fragte
beim Gerhard Richter Archiv
in Dresden nach. Der Leiter er-
kannte die Fälschung. Er hatte
das Original (Bild unten) frü-
her in der Galerie von Schultz
gesehen

TEXT VON MARKUS KRISCHER
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