KUNSTMARKT
Fotos: Gerhard Richter, Anastasia Muna
FOCUS 45/2019 53
dächtigen. Nur wegen seiner angegriffe-
nen Gesundheit ist Schultz noch frei.
Der Krimi um den einstigen Liebling
der Berliner Kunstsociety gibt Einblick
in eine Branche, in der große Namen gro-
ßes Geld versprechen – und in der eine
große Klappe offenbar ausreicht, um die
Hoffnung auf märchenhafte Gewinne zu
schüren. Eine Branche, die womöglich
genau so funktioniert wie die einst legen-
dären Gelage von Michael Schultz: erst
der Rausch, dann der Kater.
Typisch für den kollektiven Kopf-
schmerz, der die Wichtigen und Möchte-
gern-Wichtigen der Kunstszene erfasst
hat: Viele leiden, und fast alle schweigen.
Weil man nicht zugeben will, dass man zu
denjenigen gehört, die Schultz reinlegte.
Vielleicht aber auch, weil man lieber nicht
erklären will, woher das viele Geld eigent-
lich kam, mit dem Schultz sein Reich des
bunten Scheins und der schattenhaften
Deals aufbaute.
Einer redet nun doch. Der Sammler
aus Norddeutschland, dem Schultz noch
sechs Millionen Euro schuldet, offenbarte
gegenüber FOCUS unter Zusicherung sei-
ner Anonymität, wie er dem Kunsthändler
auf den Leim ging.
Er sei, so der Sammler, seit Jahrzehn-
ten mit Schultz befreundet. Vor etwa fünf
Jahren habe ihn der Galerist das erste
Mal um Geld gebeten. Die privaten Kre-
dite seien anfangs auch zurückgezahlt
worden, irgendwann jedoch nicht mehr.
Offenbar konnte Schultz den Sammler
auch als Investor gewinnen. Er überre-
dete ihn, bestimmte teure Gemälde zu
erwerben, und versprach, diese Bilder in
Kommission für einen noch höheren Preis
weiterzuverkaufen. Als Provision soll der
Galerist zehn Prozent der Verkaufssumme
gefordert haben.
Wohl weil die versprochenen Gewin-
ne immer länger ausblieben, versuchte
Schultz, seinen Gönner mit Informatio-
nen über die fantastische Dimension der
geplanten Deals bei Laune zu halten.
Schultz, so der Sammler, habe ihm von
einem „380-Millionen-Dollar-Geschäft“
vorgeschwärmt. Der Galerist soll dem-
nach behauptet haben, er habe mehrere
Kunstwerke in der Schweiz gekauft und
sei jetzt gerade dabei, dieses „Paket“ über
Südamerika an einen Kunden in New
York zu vermitteln.
Doch der Multimillionen-Coup lös-
te sich in nichts auf. Der Sammler for-
derte immer dringlicher die Rückgabe
des bereits gezahlten Geldes. Bei einem
Treffen in Miami Ende des vergangenen
Jahres will er sich mit Schultz geeinigt
haben. „Ich wusste, die sechs Millionen
sehe ich nie wieder. Also schlug ich die
Rückzahlung von 3,5 Millionen Euro vor.“
Schultz soll damals erleichtert und sofort
einverstanden gewesen sein. Er habe ver-
sprochen, die Rückgabepflicht schriftlich
zu bestätigen. Er bestätigte sie nie. Und
er zahlte nie. Dem Sammler war längst
klar, dass er Schultz nicht mehr trauen
konnte, als er aus der Kunstszene erste
Gerüchte hörte, dass die Galerie seines
Schuldners offenbar kurz vor dem wirt-
schaftlichen Ruin stand. Ein Freund sagte
ihm: „Da braut sich was zusammen.“
Für den Sammler besaßen diese
zunächst vagen Botschaften einige Bri-
sanz. Hatte er Schultz doch nicht nur
große Summen überlassen. Auch zwei
Gemälde aus seinem Besitz befanden sich
seit einiger Zeit in der Galerie von Schultz.
Es handelte sich um ein Werk von Picasso
mit einem Schätzwert von 1,5 Millionen
Euro und ein Bild von Damien Hirst für
etwa 500 000 Euro. Schultz soll verspro-
chen haben, diese Gemälde zu verkaufen.
Mehrfach versuchte der Sammler in
den vergangenen Monaten, mit Schultz
in Kontakt zu kommen. Vergeblich. Dann,
im September, blieb die Galerie in der
Mommsenstraße geschlossen. Am Telefon
antwortete niemand mehr.
Der Sammler erfuhr, dass Schultz Kon-
kurs angemeldet hatte. Und noch eine
ziemlich bittere Nachricht erreichte ihn.
Seine beiden Gemälde hatte Schultz
einem Frankfurter Bankhaus überlassen.
Schultz hatte die Bilder von Picasso und
Hirst, die ihm gar nicht gehörten, schlicht
verpfändet.
Der Sammler wusste, dass er jetzt um
seine Bilder kämpfen musste. Also bat
er eine renommierte Berliner Kanzlei,
spezialisiert auf Kunstrecht, sein Mandat
zu übernehmen. Die Kanzlei lehnte mit
Bedauern ab. In dieser Causa, so teilte
man dem verzweifelten Sammler mit,
vertrete man bereits die Interessen jener
Frankfurter Bank – die offenbar auch Geld
an Schultz verloren hat.
Der Sammler will nun mithilfe eines
anderen Anwalts die Rückgabe seines
Eigentums erstreiten. Bei dem Geldhaus
handelt es sich um die Westend Bank, die
Geld gegen Sachwerte – also Kunstwer-
ke, Oldtimer oder Immobilien – verleiht.
Die Westend Bank, so die etwas blumige
Eigenwerbung auf der Website, zähle zu
„Europas führenden Spezialfinanzierern
hochwertiger Sachwertdarlehen“. Um es
etwas nüchterner auszudrücken: Das
edle Institut funktioniert nach den Regeln
eines Pfandhauses.
Nach FOCUS-Recherchen hatte die
Westend Bank dem Berliner Galeristen
schon mehrfach mit Krediten ausge-
Fremdes Eigentum verpfändet?
Michael Schultz soll zwei Gemälde, die ihm
nicht gehörten, bei der Frankfurter Westend
Bank (unten) beliehen haben
„Die Wogen schlagen im Augenblick leider sehr hoch.
Vieles steht in der Presse, und was man da liest, hört sich
wahrlich nicht gut an“ Michael Schultz in einer Mail am 21. Oktober