WIRTSCHAFT KUNSTMARKT
Fotos: Eva Oertwig/SCHROEWIG, babiradpicture - abp, Getty Images, dpa
54 FOCUS 45/2019
holfen. Schultz belieh dem-
nach immer wieder Gemälde.
Im Fall der Bilder von Picasso
und Hirst muss es ihm gelun-
gen sein, die Frankfurter
Geldgeber davon zu überzeu-
gen, dass diese Kunstwerke
ihm gehören.
Nutzte er dazu gefälsch-
te Dokumente? Gegen-
über FOCUS wollte Schultz
sich nicht äußern. Auch das
Frankfurter Bankhaus gab
sich verschlossen. Man bitte
um Verständnis, so formulier-
te es eine „externe Pressestel-
le“ des Unternehmens, „dass
sich die Westend Bank zu den
genannten Fragen nicht äußern“ werde.
Der Fall des norddeutschen Sammlers
zeigt deutlich, in welchem Bereich Schultz
seine offenbar zweifelhaften
Geschäfte betrieb – im soge-
nannten „secondary market“.
Wie andere Galeristen
auch, handelte Schultz nicht
nur mit Werken jener Künst-
ler, die er direkt unter Vertrag
hatte (dazu zählen SEO, Cor-
nelia Schleime und Stephan
Kaluza).
Er kaufte und verkauf-
te auch die Schöpfungen
berühmter Künstler, die nicht
ihm „gehörten“. Darunter
waren Bilder so prominen-
ter Meister wie Anselm Kie-
fer, Georg Baselitz oder eben
Picasso und Hirst.
Auf diesem „Zweitmarkt“
lockt offenbar eine deutlich
höhere Rendite – einfach
deshalb, weil die gehandel-
ten Künstler bereits berühmt
sind und der Wert ihrer Arbeit
dementsprechend etabliert ist.
Schultz etwa hatte immer
wieder mit Bildern von Ger-
hard Richter gehandelt,
obwohl dieser Künstler nicht
von ihm als Galerist betreut
wurde. Mehrere Sammler
erwarben von Schultz Werke
des weltberühmten Malers
aus Dresden. Und: Schultz
hatte über Jahre immer wie-
der Bilder von Richter im
Angebot, wenn er auf einer
der großen Kunstmessen aus-
stellte.
Auffällig: Schultz bezahlte offen-
bar einen seiner Geldgeber mit einem
gefälschten Richter-Gemälde. Das Origi-
nal dieses Gemäldes gehör-
te tatsächlich eine Zeit lang
zum Besitz des Berliner
Galeristen.
Dietmar Elger, der Lei-
ter des Dresdener Gerhard
Richter Archivs, der die Fäl-
schung erkannt hatte, ver-
mutet, dass dieses Gemälde
in China gefakt wurde.
Schultz war mehrere Jah-
re gerade auf dem asiati-
schen Markt sehr aktiv und
behauptete eine Zeit lang, er
habe Filialen in Peking und
Seoul gegründet.
Hat der Galerist womög-
lich weitere Fälschungen
in Umlauf gebracht? Die
Spezialisten des Berli-
ner Landeskriminalamts,
die bei Schultz Razzien
und Beschlagnahmungen
durchführten, gehen derzeit
die Liste der Kunden des
Verdächtigen durch. Das
Problem der Fahnder: Sie
brauchen Geschädigte, die
mit ihnen reden und einen
möglichen Betrug anzeigen.
Das aber will kaum jemand
tun.
Der Verdacht liegt nahe,
dass einige der privaten
Kreditgeber von Schultz
nur deshalb so verschlossen
sind, weil sie die dubiosen
Bilder-Deals mit Schwarz-
geld finanzierten. Die von
FOCUS befragten Kunden
des Verdächtigen erklären
allerdings, bei ihren Investi-
tionen sei alles legal und mit
Rechnung gelaufen.
FOCUS liegt die Kunden-
liste von Schultz in Auszügen
vor. Dort stehen die Namen
und Kontaktdaten höchst
illustrer und extrem scheu-
er Zeitgenossen. Zwei Dinge
haben die meisten gemein-
sam: viel Geld und wenig
Lust zu reden.
Da ist der Milliardär in
New York, der angeblich
im Alter von 17 Jahren sein
erstes Gebäude kaufte und
inzwischen ein Immobilienimperium
in Washington, Boston und New York
errichtete. Von Schultz soll er einen
Picasso erworben haben.
Da ist der deutsche Filmproduzent, die
Hotelbesitzerin in Kitzbühel, der einst
berühmte Baulöwe aus Berlin, mehre-
re Ärzte, ein Ehepaar im Gastronomie-
gewerbe, ein Banker, der frühere Chef
eines Private-Equity-Unternehmens und
der Boss eines bundesweit bekannten
Finanzvertriebs. Auch er ein Milliardär,
auch er lässt mitteilen, er könne gerade
nicht sprechen.
Ganz so verschlossen wie seine einsti-
gen Kunden ist Schultz selbst im Übrigen
nicht. Zwar will er gegenüber der Öffent-
lichkeit nicht reden, er verschickte aber
kurz nach Bekanntwerden der Betrugs-
vorwürfe gegen ihn am frühen Abend
des 21. Oktober eine Mail an 14 Künstler.
Er schrieb, die Wogen würden „im
Augenblick leider sehr hoch“ schlagen.
Was in der Presse über ihn zu lesen sei,
höre sich „wahrlich nicht gut an“. Es
sei aber auch vieles falsch. Mit seinen
Anwälten sei er dabei, die „Vorwürfe
Punkt für Punkt zu entkräften“.
Die Kernbotschaft an die „lieben
Künstler“: Alle ihre Bilder, die bei ihm
eingelagert seien, würden sie „zurück-
bekommen“. Schultz: „Die Liste, in
der alles bis auf den Punkt vermerkt
ist, wem welches Bild gehört, liegt dem
vorläufigen Insolvenzverwalter vor. Die
Aufarbeitung wird noch einige Zeit in
Anspruch nehmen, erfolgt aber.“
Und noch etwas hatte Schultz mitzu-
teilen: „Diese schwierige Zeit werde ich
durchstehen, seid versichert. Sobald ich
Neues berichten kann, melde ich mich
bei euch. Euer Michael.“ n
Spektakuläre
Kunstfälle
Feierbiest Schultz mit Partnerin (l.) und der Kulturbeauftragten Monika Grütters
Cornelius Gurlitt
2013 deckte FOCUS
seinen versteckten
NS-Kunstschatz auf
Wolfgang Beltracchi
Der Maler fälschte Bilder
im großen Stil und kam
hinter Gitter
Helge Achenbach
Der Kunstberater wurde
wegen Betrugs verurteilt,
ist jetzt wieder frei
Mary Boone
Die New Yorker Galeristin
sitzt wegen Steuerhinter-
ziehung im Gefängnis
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