Focus - 02.11.2019

(Barré) #1

KULTUR


F o t o s :

Ivo Kocherscheidt/Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne

90 FOCUS 45/2019


tan schuf er die Skulpturenserie „Martin,
ab in die Ecke und schäm dich“.
Ein Junger Wilder war er nie, aber
er hat sich oft wie ein Wilder gebärdet.
Kippenberger lebte, wie er arbeitete,
bediente jedes Klischee. Er war spon-
tan, rotzfrech, blitzgescheit, ungehobelt,
charmant. Ein launiger Trinker und noto-
rischer Selbstdarsteller, dabei gut ausse-
hend und erfolgreich.
Einer, der das Geld, das er verdiente
oder erbte, sofort verprasste, ein Frauen-
schreck und Frauenknecht, ein Mann,
dessen Lieblingsessen Nudelauflauf war,
weil er das als Kind schon gern aß, und
ein besessener Maler. Als „eine Zigarette,
die an beiden Enden brannte“, beschreibt
ihn seine Schwester Susanne.
Geboren in Dortmund, aufgewachsen
in Essen, pflegte der Sohn eines Zechen-
direktors und einer Ärztin die Sprache des
Ruhrgebiets: offen, direkt, unverblümt,
unsentimental. Dabei trug er Maßanzüge
und gab den Dandy.
Mit Reisen, Drogen und Alkohol hielt
er die Selbstvermarktungsmaschine


in Schwung. In Berlin-Kreuzberg kam
Anfang der 1980er-Jahre der Durch-
bruch. Er bewirtete als Mitbetreiber des
Konzertclubs „SO 36“ Iggy Pop, gründe-
te die Punkband Die Grugas, versuchte
sich als Musiker und Schauspieler.
Maler blieb er. Als ihn einmal ein Punk
verprügelte, porträtierte er sich mit ban-
dagiertem Kopf ironisch in „Dialog mit

der Jugend“. Kommentare zur Politik
gab er meist in Form fröhlich-bunter Bil-
der ab. Als fröhliches Werbegirl malte er
1983 eine „sympathische Kommunistin“
samt Uniformmütze der Roten Armee.
Kurz vor seinem Tod ließ er sich mit
allen Spuren des körperlichen Verfalls
von seiner zweiten Frau Elfie Semotan
fotografieren. Sie blickt liebevoll durch
ihre Kamera auf ihren Mann. Seine ram-
ponierte Schönheit erinnert an gealter-
te Filmstars. Er übersetzte seinen Alko-
holismus in torkelnde Laternen oder
Werke mit Titeln wie
„Alkoholfolter“ und
stellte sich selbst, den
talentierten Netzwer-
ker, als „Spiderman“
im Atelier dar. Seinen
Abschied von Berlin
feierte er 1981 in der
Ausstellung „Lieber
Maler, male mir ...“,
die riesigen fotorealistischen
Werke hatte er von Plakatma-
lern anfertigen lassen. Auch
seine beiden berühmten Bilder
seines Stammlokals „Paris Bar“,
mit denen er sich lebenslanges
Gastrecht ermalte, fertigte ein
Plakatmaler – für ein Honorar
von 1000 D-Mark pro Bild.
Nach seinem Tod hielten
Galeristen seinen Nachlass
zurück, platzierten seine Wer-
ke lieber in Museen, sodass die
Preise stiegen. 2014 erzielte ein
Selbstporträt bei Christie’s den
Rekordpreis von 18 Millionen
Euro. Es zeigte ihn als nackten
Mann in schlabberiger weißer
Unterhose.
„Heavy Burschi“, so ein Bild-
titel, nannten ihn Freunde, einen
Berufsjugendlichen, der Bilder
am laufenden Band produzierte, aber
eine Einladung zur Documenta 1987 kurz
vor der Eröffnung absagte – aus Enttäu-
schung über den mangelnden Dialog zwi-
schen Künstler und Kurator. Seine Teil-
nahme an der Kasseler Weltkunstschau
zehn Jahre später erlebte er nicht mehr,
auch die Einladung zur Biennale nach
Venedig nicht. Dafür posierte er in seinem
letzten Lebensjahr als frisch angetrauter
Ehemann vor dem deutschen Pavillon in
den Giardini. Im Februar 1996 hatte er die
Wiener Fotografin Elfie Semotan gehei-
ratet. Trauzeuge war der Modedesigner
Helmut Lang. n

Er trommelte in einer


Punkband und holte


Iggy Pop in seinen Musik-


club nach Berlin


Politische Parodie
Die „sympathische Kommunistin“
mit Budjonowka-Mütze malte
Kippenberger 1983 als lächelnde
Werbe-Ikone. Bewusst mischte er
östlichen Propaganda-Stil mit
westlicher Pop-Ästhetik

Prekäre Existenz
Die Schiffbrüchigen auf
Géricaults Gemälde „Das
Floß der Medusa“ von 1819
stellte Kippenberger für
Fotos nach – und malte sich
später so

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