Neue Zürcher Zeitung - 14.11.2019

(Marcin) #1

Donnerstag, 14. November 2019 WIRTSCHAFT 25


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Elon Musk wählt den Grossraum Berlin


als europäischen Produktionsstandort von Tesla SEITE 27


ABB holt sich für seine di gitale Transformation


Hilfe aus dem Silicon Valley SEITE 31


Sunrise beendet das UPC-Drama vorerst


Der Mobilfunkanbieter hat den Kaufvertrag gekündigt – UPC-Besitzer Liberty Globalsteht nun unter Druck


STEFAN HÄBERLI


Nachdem der Sunrise-Verwaltungsrat
in den vergangenenWochen mit krea-
tiven Methoden versucht hatte, die um-
strittene UPC-Übernahme zuretten, hat
er nun dieReissleine gezogen. DieTele-
komfirma hat am Dienstag den Kauf-
vertrag mit dem Besitzer des Kabel-
netzbetreibers UPC,Liberty Global,
gekündigt. Sunrise beziffertdieKos-
ten des Übungsabbruchs auf bis zu 125
Mio.Fr. Darin enthalten ist die bekannte
Konventionalstrafe von 50 Mio. Fr., die
Liberty Global wegen derKündigung
desVertrages zusteht. Zudem sind be-
reitsKosten für die Integration von
UPC von 24 Mio. Fr. angefallen.Weitere
19 Mio. Fr. erhalten dieBanken, welche
die Kapitalerhöhung begleitet hätten.
UnterdemStrich bleibt einRest von
rund 30 Mio. Fr., der für Berater,An-
wälte und so weiter ausgegeben wurde.


«Setzen Gespräche fort»


Liberty Global hat bereits in der Nacht
auf Mittwoch signalisiert, dass dieKün-
digung des Kaufvertrags nicht das Ende
derVerhandlungen sein muss. «Wir set-
zen unsere Gespräche mit demVerwal-
tungsrat oderFreenet über eine mög-
licheTr ansaktion fort», liess sich Mike
Fries, der Chef der amerikanischen
Firma, zitieren.Das deutsche Unterneh-
menFreenet, das rund 25% der Sunrise-
Aktien hält,hatte sich amvehementes-
ten gegen die Übernahme gestemmt.


UPC Schweiz, die verschmähte Braut,
nahm die Ankündigung des Mutterkon-
zerns zurKenntnis. Bis eine «mögliche
künftigeTr ansaktion» stattfinde, werde
man den«Wachstumsplan weiterhin er-
folgreich umsetzen» und in denAusbau
des Kabelnetzes investieren, erklärte die
UPC-Chefin SeverinaPascu.
Die imFebruar angekündigte Über-
nahme von UPC ist an einerRebellion
der Sunrise-Aktionäregescheitert. Kri-
tisiert wurden vor allem zwei Punkte:


Zum einen erschien einigen der Kauf-
preis von 6,3 Mrd.Fr. zu hoch. Zum
anderen befürchteten einige Aktionäre
wegen der Kapitalerhöhung um 2,8 Mrd.
Fr. – ursprünglich wären gar 4,1 Mrd.Fr.
geplant gewesen – eineVerwässerung
ihrer Anteile. Obwohl sich die Sunrise-
Führung stets siegessicher gab,musste
sie am 22. Oktober ihre Niederlage ein-
gestehen. Die ausserordentliche Gene-
ralversammlung,die über den UPC-
Deal hätte befinden sollen, sagte sie in
letzter Minute ab.
Mit diesem umstrittenen Manö-
ver hielt der Sunrise-Verwaltungsrat
das Geschäft noch einigeTage am Le-
ben. Denn Sunrise und Liberty Glo-
bal einigten sich darauf, dass die Ab-
sage der Generalversammlung nicht
mit einem Nein der Aktionäre gleich-
zusetzen sei. Zugleich wurde dem ame-
rikanischenKonzern dasRecht einge-
räumt,innert 30Tagen erneut eine Sun-

rise-Generalversammlung einzuberufen.
DaLibertyGlobal von dieserOption
nicht Gebrauch machte, konnte Sunrise
den Kaufvertrag am Dienstag kündigen.
Damit hat die Sunrise-Führung einen
Schwebezustand verhindert. Denn der
Kaufvertrag wäre bisam 27.Februar gül-
tig gewesen.

Dass Sunrise den Kaufvertrag ge-
kündigt hat, heisst nicht, dass die UPC-
Übernahme endgültig vomTisch ist.
UPC Schweiz istein Klotz am Bein, den
Liberty Global lieber heute als morgen
loswerden möchte.Das zeigen die vor
wenigen Tagen veröffentlichten Quar-
talszahlen desKonzerns. Mit einem

Umsatzrückgang von 3,3% schnitt UPC
Schweiz von allenLändergesellschaften
am schlechtesten ab. Dass die UPC-Che-
finPascu von «einem Zuwachs bei unse-
ren Abonnementen» spricht, grenzt an
Schönfärberei. Zwarkonnte derAder-
lass bei denTV- und Internet-Abonne-
ments in derTat gebremst werden. Ge-
stoppt wurde er allerdings nicht.
Zulegenkonnte dieFirma nur bei
den Mobilfunk-Abos. In diesem Bereich
agiertUPC– wenn auch erfolgreich – als
eine ArtWiederverkäuferinvonSwiss-
com, da dieFirmakein eigenes Mobil-
funknetz betreibt. Zudem brach der
freie Cashflow im vergangenen Quar-
tal um einenViertel ein. Liberty Glo-
bal erklärt dies mit «Projekt- und Mar-
ketingausgaben im Zusammenhang mit
Wachstumsinitiativen».DerVerdacht
liegt auf der Hand, dass man viel Geld
in die Hand genommen hat,um den ge-
fährdetenVerkauf an Sunrise mit einem
Parforce-Akt zuretten.

ZweiterVersuch möglich


DieKündigungdesVertrages ermög-
licht, dass an der entscheidenden Stell-
schraube gedreht werden kann: dem
Kaufpreis. Zwar betonte der Sunrise-
Verwaltungsrat im Streit mit dem wider-
spenstigenAktionärFreenet,dass jener
angemessen sei.Laut gängigen Bewer-
tungsmethoden mag dies zutreffen.Doch
entscheidendist nicht,welcheZahl ein
Bewertungsmodell ausspuckt.Letztlich
ist ein KaufpreisVerhandlungssache.
Dader potenzielle Kreis der Interes-
senten für UPC überschaubar ist, dürf-
ten sich die «Kabel-Cowboys» auf neue
Verhandlungen einlassen. Liberty Glo-
bal und Sunrisekennen sich aus rund
fünfzehn Monate dauerndenVerhand-
lungen bestens. Und am wichtigsten:
Liberty Global hat im Übernahmepoker
bereits mehrfach geblinzelt. Soboten
die Amerikaner kurz vor der Gene-
ralversammlung plötzlich an, Sunrise-
Aktien imWert von bis zu 500Mio. Fr.
zu kaufen.Damit wollten sie derFurcht
der Sunrise-Aktionäre vor einerVer-
wässerung entgegenwirken.Auch die
Annullierung der Generalversammlung
in letzter Minute nahmen die UPC-Be-
sitzer gelassen hin.Dies alles deutet dar-
auf hin, dass das letzteWort noch nicht
gesprochen ist.

DasGeschäft von Sunrise läuft gut.DerinZürichbeheimateteKonzern gewinntKunden in allenBereichen dazu. C. BEUTLER / KEYSTONE

Telekomkonzern macht Gewinnsprung


(awp)· Der zweitgrössteTelekomkon-
zern der Schweiz hat im dritten Quartal
einen Umsatz von 474 Mio. Fr. erzielt,
1%mehr als imVorjahr. Der bereinigte
Betriebsgewinn vor Abschreibungen
und Amortisationen (Ebitda) stieg um
9,4% auf161Mio.Fr.,wie Sunrise mit-
teilte. Das Plus war aber vor allem einer
Änderung der Buchführung für ope-
ratives Leasing zu verdanken.Auf ver-

gleichbarerBasis wäre der Ebitda um
2% gestiegen. Sunrise verdoppelte je-
doch denReingewinn um gut die Hälfte
auf 48 Mio. Fr. Damit hat Sunrise die Er-
wartungen derFinanzgemeinde über-
troffen. Die Steigerung auf allen Ebe-
nen gelang dank dem gut laufenden Ge-
schäft mit Mobilfunk-Abos, Internet,TV
und Geschäftskunden, erklärte Sunrise.
Man habe überallKunden gewonnen.

Die Arbeit von Kurer
ist noch nicht beendet
Kommentar auf Seite 13

Die Niederlande setzen die Kühe auf Diät


Massnahmen zur Senkung der Stickstoffemissionen umfassen auch Tempo 100 tagsüber auf den Autobahnen


CHRISTOPH G. SCHMUTZ, BRÜSSEL


In denNiederlandengilt vielerorts auf
denAutobahnen bereits eine Höchst-
geschwindigkeit von 100 km/h, und bald
soll diese Grenze aus Umweltgründen
tagsüber auf dem gesamten Strassen-
netz gelten.Das gab die niederländische
Regierung am Mittwoch in Den Haag
bekannt. Demnach darf die bisherige
Maximalgeschwindigkeit von 120 oder
130 km/h auf den betroffenenAbschnit-
ten nur noch zwischen 19 Uhr und 6 Uhr
gefahren werden.
Die neueRegel istTeil eines Mass-
nahmenpaketes,um den Stickstoffaus-
stoss zu verringern. Es tritt in Kraft, so-
bald dasParlament die entsprechende
Notstandsgesetzgebung («Aanpak Stiks-
tof») gutgeheissenhat. Das geht aus
einem Schreiben hervor, das das Minis-
terium fürLandwirtschaft, Natur und
Lebensmittelqualität am Mittwoch dem
Parlamentsvorsitzenden hat zukom-
men lassen. Eskönne in diesem schwie-
rigen DossierkeineTabus geben, twit-


terte Ministerpräsident MarkRutte. Nie-
mand möge Einschnitte, aber es gehe um
höhereInteressen. Neben der Umwelt-
belastungstehen laut derRegierung
auch Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Gericht stoppt laxe Praxis


Ausgangspunkt dieser Entwicklung war
ein Urteil des höchstenVerwaltungs-
gerichts der Niederlande am 29. Mai.
DerRaadvan State entschied, dass die
Behörden künftigBaubewilligungen für
Projekte mit negativerAuswirkung be-
züglich Stickstoffausstossin der Nähe
von Naturschutzgebieten nicht mehr so
einfach wie bisher genehmigen dürfen.
Denn das 20 15 lancierte «Programma
Aanpak Stikstof» (PAS) ist laut dem
Europäischen Gerichtshof nichtverein-
bar mit EU-Recht.Das PAS erlaubte die
Überschreitung der Grenzwerte,wenn
dafür Kompensationsmassnahmen in
der Zukunft vorgesehen wurden.
Das war nach dem EuGH-Urteil im
November 20 18 nicht mehr möglich,

und rund 18000 Bauprojekte wurden
deshalb sistiert, darunter zahlreiche Er-
weiterungsbauten vonBauern. Allge-
mein gilt die Nutztierhaltung als Haupt-
grund für die in vielen Schutzgebieten
über den Grenzwerten liegendeKon-
zentration von Stickstoff imBoden.
Dazu kann eskommen, wennLandwirte
ihreFelder zu stark düngen. DieBauern
bezweifeln jedoch die Zahlen derRegie-
rung und fühlen sich zum Klimasünden-
bock gestempelt.
Das vonRutte nun vorgestelltePaket
enthält drei Massnahmen, die kurzfris-
tig zu geringeren Stickstoffablagerungen
führen sollen.
Neben denAutofahrern nimmt die
Regierung insbesondere dieViehzüch-
ter insVisier. Sie sollen ihrenKühen
weniger Proteine füttern. Dadurch ver-
ringern sich die Ammoniak-Emissio-
nen.Ammoniak ist eineVerbindung von
StickstoffundWasserstoff. Die Umstel-
lung derFütterung soll für 47% der ge-
planten Stickstoffeinsparungen sorgen,
die Geschwindigkeitsreduktion macht

16% aus.Als dritte Massnahme sollen
schliesslich die Subventionen für den
Umbau von Schweinezüchtereien von
12 0Mio.€auf180Mio.€erhöht wer-
den (37%). In diesem Bereichkönnen
Abluftreinigungsanlagen die Stickstoff-
emissionen verringern.

Bauvorhaben fortsetzen


Die eingesparte Menge Stickstoff soll
zu 30% die Natur entlasten. Dierest-
lichen 70%sollendazu dienen, entspre-
chende Emissionen neuerBauprojekte
zukompensieren.Dafür wird einRegis-
ter eingerichtet.Verschiedene Stras-
seninfrastrukturprojekte werden dank
der geringeren Höchstgeschwindigkeit
ermöglicht. Die landwirtschaftlichen
Massnahmen wiederum sollen zum
Bau von 75000 Wohnungen im nächs-
tenJahr beitragen.Aufgrund der sistier-
ten Bewilligungen fürchteten vieleBau-
arbeiter um ihre Stelle, was im Oktober
zu Protesten desBaugewerbes in Den
Haag geführt hatte.

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