Neue Zürcher Zeitung - 14.11.2019

(Marcin) #1

Donnerstag, 14. November 2019 WIRTSCHAFT 29


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Jetzt gehen die


Kryptobanken


auf Kundenfang


Schweizer können digitale Anlagen
jetzt über eine Bank handeln

WERNER GRUNDLEHNER

Im vergangenenAugust haben die Seba
Bank undSygnum von der Eidgenös-
sischenFinanzmarktaufsichtFinma als
erste Kryptoinstitute eineBanklizenzer-
halten. DieSeba Bank hat dieseWoche
nach einer einmonatigenTestphase jetzt
das offizielle «Onboarding» aufgenom-
men.Auf Deutsch heisst das: Die Seba
Bank wirbtKunden an, die beim Institut
Vermögensverwaltung,Handel, Aufbe-
wahrung sowieFinanzierungenvon und
mit digitalenWerten beziehenkönnen.
Fünf Kryptowährungen (Bitcoin,
Ether, Stellar, Litecoin, Ether Classic)
könnenKunden vorerst mit der Seba-
Wallet-App, der Seba-Card und durch
E-Banking verwalten und in traditio-
nelleWährungen tauschen. Die Seba-
Card erachtet der CEO der Kryptobank
als wichtigen Schritt zur Masseneinfüh-
rung von Kryptowährungen. Ein weite-
res Standbein soll dieTokenisierung von
Wertschriften, aber auch vonRechten,
Patenten undrealenWerten werden.

Indirekt zumMassenpublikum


Ein herausragendes Produkt von Seba
soll dieVerwahrung von digitalenVer-
mögenswerten «am sichersten Ort der
Welt» werden. Dieses «deep cold sto-
rage» weist einen stolzen Startpreis von
25000 Fr. auf, dafür sollen weder Bit-
coins noch PrivateKeys gestohlen wer-
den oder verloren gehenkönnen.
Auch Sygnum hat die Geschäftstätig-
keit mit einer kleinenAnzahl vonKun-
den aufgenommen.Wenn die Finma
feststellt, dass dieAnforderungenin
diesem«Testbetrieb» erfüllt werden, will
Sygnum im ersten Quartal 2020 mit der
systematischen Akquisition vonKun-
den beginnen. Direkt sollen institutio-
nelle Investoren und qualifizierte Pri-
vatkunden angesprochen werden – das
Massenpublikum indirekt überPartner.
Um das Geschäft in die Gewinnzone
zu bringen, braucht die SebaBank neue
Mittel. Das Institut plant einToken-Offe-
ring, das eine Millionensumme im drei-
stelligen Bereich einbringen soll. Die 100
Mio.Fr.,welche dieFirma vor18 Mona-
ten zur Gründung aufgenommen hatte,
dürften zum grösstenTeil verbraucht
sein.Vorerst ist das Seba-Angebot auf
institutionelle und qualifizierte Anleger
aus der Schweiz limitiert, die mindestens
100000 Fr. auf ein Seba-Konto einzah-
len. EndeJahr soll das Angebot auf aus-
ländischeKunden ausgeweitet werden.

Allesaus einer Hand


Sowohl Seba als auchSygnum berich-
ten voneinem grossen Interesse aufdem
SchweizerFinanzplatz an Krypto-Ban-
king.Da mutendie angestrebtenKun-
denzahlen, für Seba im dreistelligen Be-
reich, bescheiden an. Zudem ist dem Be-
obachter noch nicht klar, in welche Rich-
tung dieBanken sich bewegen wollen.
Einerseits bieten sie Massenprodukte
an wie die Seba-App, die sich mitRe-
volut und N26 vergleichenlässt, ande-
rerseits werden vor allem Grosskunden
und Institutionelle angesprochen.
Derzeit wollen dieKunden vor allem
Kryptowährungen handeln und verwal-
ten.Das unmittelbarePotenzial der
Kryptobanken besteht darin, alles aus
einer Hand in einemregulierten Um-
feld anzubieten.Auf lange Sicht ist die-
ses Geschäft aber nicht das, was den
Kryptobereich attraktiv macht. Der
grosseDurchbruch wäredie Digitalisie-
rung vonVermögenswerten.
Dieses Geschäft mit digitalisierten
Vermögenswerten wie Aktien, Obliga-
tionen und anderen Beteiligungen an
realenWerten wärerentabler. Die Stan-
da rds für eine derartigeTokenisierung
sind aber noch nicht festgelegt. Die un-
abhängige SchweizerVereinigung Capi-
tal Markets andTechnology Association
hat dieseWoche einen Entwurf für Stan-
dards für die sichereVerwahrung digi-
talerVermögenswerte durch professio-
nelleFinanzintermediäre bei ihren Mit-
gliedern in dieVernehmlassung gegeben.

Portugal umwirbt seine Emigranten

Die wirtschaftliche Erholung bietet Rückkehrern neue Chancen, wenn sie gewisse Abstriche machen


THOMAS FISCHER, LISSABON


«Wir haben über dieRückkehr lange
diskutiert», sagtdie 28-jährige Mafalda,
die mit ihrem Mann Hugo von Brüssel
nachViseu, im NordenPortugals,umzu-
ziehen plant.Während eines Gesprächs
per Skype schwenkt sie denLaptop auf
ein Papier an derWand, auf dem das
Paar dasFür undWider notiert hat. Zu
den Pros derRückkehr nach vierJah-
ren imAusland zählen die Sonne, das
Essen, dieFamilie und dieWohnung,
die Mafaldas Eltern ihnen überlassen.
All das überwog die Contras wie die oft
verschlossene Mentalität daheim, weni-
ger gute Arbeitsbedingungen und die
Tatsache, dass mancheFreunde von frü-
her «nicht mehr dieselben»seien.


Arbeitenfür die Miete


Mafalda hat Pharmazeutik studiert und
danach in Lissabon in einer Apotheke
gearbeitet. Sie wollte in die Industrie,
fand aberkeinenJob. Hugo spürte als
TV-Kameramann dieWirtschaftskrise.
Zusammen verdiente das Paar rund
1400 € pro Monat, wobei einer von bei-
den nur für die Miete arbeitete. Unter
dem Strich habe dasPaar «bezahlt, um
zu arbeiten», sagt Mafalda. 2015 zogen
die zwei erst in die Schweiz, wo Mafalda
in Genf hospitierte. Sie fand danach
Arbeit bei einem grossen Pharmaunter-
nehmen in Belgien, wo sie mit «Leuten
aus allerWelt» in einem Ambiente mit
«superoffener Mentalität» arbeitete.
«Was wir von hier wollten, haben
wir jetzt», sagt Mafalda. Ihre Erfahrung
zähle nun inPortugal.Sie fandArbeit bei
einem Pharmabetriebin Viseu, wo ihre
Elternzu Hausesind.Ihr Mann hat zwar
nochkeinenJob, das Paar siehtPortugal
aber in einer besserenLage als vor vier
Jahren und hofft auf einen Zuschuss von
bis zu 6500€,mit dem der Staat ausge-
wanderteLandsleute zurücklocken will.
Ausharren oder auswandern – in die-
sem Dilemma sahen sich vielePortugie-
sen in den Krisenjahren2011 bis 2014,
als die Arbeitslosenquote auf über16%
kletterte. Ohne die massenhafteAus-
wanderung wäresie noch höher ge-
wesen. Das Nationale Statistikinstitut
schätzt die Zahl derPortugiesen,welche
das Land allein zwischen 2011 und 20 15
verliessen auf 240000, im Schnitt also
fast 48 000 proJahr.Von einer massen-
haftenRückkehr kann nochkeine Rede
sein. In denJahren 2016 bis 2018 sind
abernur nochknapp 34 000 Frauen und
Männerfortgezogen.Die Zahl derPor-
tugiesen in der Schweiz ist vom 2016 er-
reichten Höchststand von 270 000 mitt-
lerweile auf 264 000 gefallen.
Noch abwarten oder heimkehren –
dieseFrage stellt sich manchen Emi-
granten, die jetzt mit ihrer «saudades»,
der sprichwörtlichen Sehnsucht, ha-
dern. InPortugal geht es wirtschaft-
lich aufwärts, die Arbeitslosenquote
ist auf unter 7% gefallen.In der Auto-


und derTextilindustrie, am Bau und im
Tourismus, aber auch imrecht dynami-
schen IT-Bereich fehltPersonal.Als An-
reiz zurRückkehr hat dieRegierung im
Sommer das Programm «Regressar»
(«Zurückkehren») lanciert. Es richtet
sich an die bis 2015 Fortgezogenen.
Ihnen winkt dieses und nächstesJahr
ein Zuschuss zu denKosten, die mit dem
Wechsel verbunden sind – wenn sie
eine unbefristete Anstellung nachwei-
sen. Unabhängig davon müssen sie bis
zu fünfJahre lang nur die Hälfte ihrer
Einkünfte versteuern.Von Juli bis Mitte
Oktober gingen rund 3200Anfragen von
Interessenten ein, aber nur knapp 400
Anträge, von denen 112 bewilligt und 38
abgelehnt wurden.AmtlicheDaten über
die Nutzung der steuerlichenVergünsti-
gung liegen noch nicht vor.

Notfallsin die Schweiz zurück


DerBauarbeiter AgostinhoPereira hat
auf seinenAntrag nochkeine Antwort
erhalten.Als Heimkehrer fand er aber
rasch eine feste Stelle imBausektor.
Insgesamt 12Jahre war er imAusland


  • ohne seineFrau und die zwei Kinder,
    die mittlerweile16 und 10Jahre alt sind.
    Erst arbeitete er in Spanien, danach in
    der Schweiz, naheLausanne. Er ver-
    misste aber seineFamilie undkehrtean-
    gesichts der wirtschaftlichenVerbesse-
    rung vor einigen Monaten zurück.
    «Wirklich gut läuftes inPortugal
    noch nicht», sagt Agostinho. Sein Lohn


betrage weniger als einViertel dessen,
was er in der Schweiz verdient habe,
wenigstens vorerst mangelt es aber nicht
an Arbeit. Leider habe der Mangel an
Personal bisher nur in geringem Masse
zu Lohnerhöhungen geführt, bedauert
der Bauarbeiter.Auch Ökonomen wun-
dern sich darüber, dass die Löhne trotz
reger Konjunktur eher moderat gestie-
gen sind.Für auffällig vieleJobs wird
nicht viel mehr als der Mindestlohn von
600€monatlich gezahlt.
AgostinhoPereira stammt aus Marco
de Canaveses, 50 Kilometeröstlich von
Porto. Die Gemeindeverwaltung unter-
hält seitJahren ein Büro zur Beratung
von Emigranten. Noch immer kämen
Anfragen von Leuten, die fortwollten,
sagt die Büroleiterin, Joana Novais. Zahl-
reicher seien heute aber die Anfragen
vonMenschen, die anRückkehr däch-
ten. EinigeDutzend seienalleinseitAn-
fang 2018 nachMarco zurückgekehrt. Sie
kamen vor allem aus der Schweiz, aber
auch ausFrankreich und Deutschland.
In diesenLändern lägen die Löhne
höher als inPortugal.Viele Rückkeh-
rer suchten aber wieder die Nähe zur
Familie, sagtJoana Novais. Manche neh-
men dafür eine gewisse Unsicherheit in
Kauf, so auch die 35-jährigeTeresa und
ihr gleichaltriger Mann. Sie ist Buch-
halterin,er Sportlehrer. Das Paar zog
2013 von Marco in die Schweiz, wo sie
zuletzt inLausanne in einemKosme-
tiksalon arbeitete und er alsTrainer.
Im Jahr 2018 fiel die Entscheidung zur
Heimkehr. Noch fehlen sichereJobs,
Anfang 2020 erwartetTeresa aber das

erste Kind. Sollten dieDinge inPortugal
nicht gut laufen, «wäre die Schweiz wie-
der unsere ersteWahl», sagtsie.

Suche nach Fachkräften


Portugal will generell mehrFachkräfte
anlocken. Vor allem im Ingenieur-
wesen, in derForschung und Entwick-
lung sowie fürIT, Software und Cyber-
sicherheit fehlten Arbeitskräfte, sagt
FranciscoReis vomPersonalvermittler
MichaelPage inPorto. Einerseits seien
viele Ingenieure emigriert, andererseits
weise der portugiesische Arbeitsmarkt
in neueren Bereichen noch eine «ge-
wisse Unreife» auf. International tätige
Unternehmen wolltenihr Personal kul-
turell stärker diversifizieren, mit Leuten
aus der EU und von Übersee.
DerWechsel nachPortugal bedingt
nicht selten Einbussen beim Gehalt. Es-
senziell, meintReis, sei da die Motiva-
tion zur Mitwirkung an einem Projekt.
Ins Gewicht fallen aber auch Annehm-
lichkeiten wie das Klima, der soziale
Friede und touristische Attraktionen.
Und dann gibt es noch einen speziellen
steuerlichen Anreiz fürFachkräfte.
Schon seit 2009 gilt das «Regime für
nicht gewohnheitsmässigeResidenten»,
die Aktivitäten«von hoherWertschöp-
fung» nachgehen wie Manager, Informa-
tikerinnen, Ärztinnenund Wissenschaf-
ter. Sie zahlen maximal zehnJahre lang
einen Einkommenssteuersatz von nur
20%. BisMärz diesesJahres machten
aber nur rund 2200Fachkräfte von die-
ser Möglichkeit Gebrauch.

DerImmobilienmarkt in Lissabon boomt.Die Löhne in derBaubranche halten mit der Nachfrage aber nicht Schritt. BLOOMBERG

gegründet 1888

Themonolingual and bilingualway at FGZ

Info-Anlass zu den


Vorbereitungs-


klassen


Montag, 18. November 2019
18.30Uhr,Zimmer605

WeitereInfo-Anlässe: http://www.fgz.ch
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