Die Welt - 31.10.2019

(lily) #1

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DIE WELT DONNERSTAG,31.OKTOBER2019* FORUM 3


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W


enn es um die Wirtschaft
geht, ist die Stimmung in
Deutschland zurzeit weit
besser als die Lage. Weil die Arbeits-
losigkeit auf niedrigem Niveau verharrt
und die Steuerquellen unverändert
kräftig sprudeln, wähnen sich die meis-
ten Bürger – und mit ihnen die re-
gierenden Politiker – in trügerischer
Sicherheit. Denn der Status quo ist
äußerst komfortabel. Unternehmer und
Konzernlenker haben jedoch einen
ganz anderen Blick auf die Konjunktur,
sie interessiert die künftige Entwick-
lung. Die Wirtschaftsentscheider sehen
ihre Auftragsbücher, die steigende
Kostenbelastung und die Nachrichten
über immer neue Krisenherde in aller
Welt. Und das alles verspricht eine
weniger gemütliche Zukunft. Die Er-
gebnisse der aktuellen DIHK-Umfrage
unter 28.000 Unternehmern spiegeln
denn auch die wachsenden Sorgen der
Wirtschaftsentscheider wider. Die
Betriebe schrauben ihre Geschäfts-
entwicklung kräftig herunter. Und das

wiederum bedeutet für die nahe Zu-
kunft nichts anderes als: Einsparungen,
Rationalisierungen, Jobabbau.
Für das kommende Jahr rechnen alle
bedeutenden Auguren allenfalls noch
mit einem Miniwachstum. Doch selbst
diese bescheidende Annahme beruht
darauf, dass keine bedeutenden Risiken
auftauchen, also kein harter Brexit,
keine US-Strafsteuer auf deutsche
Autos, kein Konjunktureinbruch in
China und keine weiteren Belastungen
durch die GroKo, etwa im Energie-
bereich. Damit stecken in den aktuel-
len Wachstumsprognosen ziemlich
viele Hoffnungswerte. Zumal schon
eines dieser Risiken ausreicht, um alle
Konjunkturprognosen über den Haufen
zu werfen.
Nicht nur die Regierungschefs der
USA und Großbritanniens, Donald
Trump und Boris Johnson, sind für die
deutsche Wirtschaft unsichere Kanto-
nisten, die mit ihren erratischen Ent-
scheidungen Investitionsentscheidungen
enorm erschweren. Auch die Bundes-
regierung gilt als Blackbox. Verlässliche
Rahmenbedingungen gibt es nicht mehr.
Denn die GroKo lässt sich vom Zeitgeist
mal hierhin und mal dorthin treiben.
Wirtschaft spielt in der Politik kaum
mehr eine Rolle. Denn noch läuft’s ja.
[email protected]

GroKo als Konjunkturrisiko


KOMMENTAR


DOROTHEA SIEMS


D


as hat es noch nie gegeben: Die drei
Gründungsparteien der Bundesrepublik
plus der altrepublikanischen Neugrün-
dung der Grünen erreichen zusammen
nur mit Mühe und Not die absolute Mehrheit der
Mandate. In Tåhüringen ist das nun geschehen.
Wieder einmal spielt der Osten Deutschlands ei-
genartig Avantgarde.
Man mag das Thüringer Wahlergebnis als ein-
malige Besonderheit dieses Bundeslandes abtun.
Denn hier ist die Linkspartei gegen den Trend in
allen anderen östlichen Bundesländern nicht auf
dem Rückzug. Sie hat vielmehr sogar einen be-
trächtlichen Teil jenes heiligen gesellschaftlichen
Terrains erobert, den man die Mitte nennt. Der
beste Beweis: Selbst eine klare Mehrheit der CDU-
Wähler hält Bodo Ramelow für einen guten Mi-
nisterpräsidenten. Und doch ist das schlechte Ab-
schneiden der CDU mehr als eine landespolitische
Eigenart. Auch die Union ist von einem säkularen
Trend erfasst worden. Sie steigt gerade vom Podest
der Volkspartei herab. Und wer einmal unten ist,
schafft es vermutlich nie wieder hinauf.
Es gibt zwei Versuche, die Schrumpfung der
CDU zu erklären. Beiden ist gemeinsam, dass sie
den Grund dafür in falschen politischen Entschei-
dungen suchen. Wären diese unterblieben, so die
These, stünde die Partei auch heute noch in alter
Volksblüte da. Und für beide Fehler wird eine Ver-
antwortliche benannt: Angela Merkel. Der erste
Vorwurf lautet, die Bundeskanzlerin habe von ih-
rem Amtsantritt im Jahre 2005 an willentlich und
konsequent die Koordinaten der Partei nach links
verschoben. Sie habe damit den „Markenkern“ der
CDU zersetzt und die Partei der Beliebigkeit aus-
geliefert. Daher sei sie die eigentlich Schuldige am
Aufstieg der AfD.
Der zweite Vorwurf ist eine Variante des ersten.
Mit der Entscheidung für die Grenzöffnung im Sep-
tember 2015 habe Angela Merkel Recht gebrochen,
die Souveränität des Staates schwer beschädigt und
auch damit ein Feld rechts von der CDU geschaffen,
welches die AfD seitdem kraftvoll bespielt.
An beiden Vorwürfen ist etwas dran. Die heuti-
ge CDU hat mit der Helmut Kohls nicht mehr viel
zu tun. Und es war sicher ein Fehler, dass die
Bundeskanzlerin nicht darauf gedrängt hat, der
AAAusnahme des Septembers 2015 zügig einenusnahme des Septembers 2015 zügig einen
ffflüchtlingspolitischen Wurf folgen zu lassen.lüchtlingspolitischen Wurf folgen zu lassen.
Doch beide Vorwürfe kranken daran, dass sie
nicht nur Beschreibungen, sondern eben Vor-
würfe sind, dass sie moralisierend und skandali-
sierend daherkommen. Denn in Wahrheit hat die
CDU unter Angela Merkel nicht ihre Seele ver-
kauft. Sie hat vielmehr auf gesellschaftliche
Trends reagiert, die sehr mächtig waren und die
es mit und ohne CDU gibt und geben wird.
Die Lebensstile werden vielfältiger. Die Män-
nerdominanz ist unwiderruflich auf dem Rückzug.
Einige Minderheiten haben sich fast schon so etwas
wie Verfassungsrang erkämpft. Um anerkannt zu
werden, muss sich Autorität heute rechtfertigen,
und selbst dann wird sie mitunter nicht mehr hin-
genommen. Klassische Organisationsformen wie
Vereine, Kirchen oder Parteien verlieren ihre An-
ziehungskraft. Die Grenze zwischen national und
international ist immer schwerer zu ziehen.
Das alles hat die CDU nicht erfunden, ganz im
Gegenteil. Will sie aber nicht ein altbundesrepubli-
kanischer Folkloreklub werden, hat sie gar keine
andere Wahl, als sich mit diesen Trends auseinan-
derzusetzen. Deren Impulse aufzunehmen. Und ja,
sich ihnen manchmal auch anzupassen – siehe etwa
Horst Seehofer. Damit aber ist die alte Kantigkeit,
ist die alte Knorrigkeit, die die CDU früher zu-
mindest rhetorisch pflegte, dahin. Parteien sind
schon lange keine Leuchttürme mehr. Inzwischen
haben sie – auch die Grünen wird das Schicksal
noch ereilen – die Kraft verloren, wenigstens wie
Leuchttürme auszusehen.
Es gehört zu den Paradoxien der gegenwärtigen
deutschen Parteienlandschaft, dass es nur noch
eine Partei gibt, der ihre Wählerschaft das Leucht-

turmgehabe noch halbwegs abnimmt: die AfD.
Doch da sie in Fundamentalopposition zur gesell-
schaftlichen Wirklichkeit steht, kann sie nur einen
toten Winkel der Republik bewirtschaften.
Sieht man von der AfD ab, dann gilt heute, was
noch vor drei Jahrzehnten undenkbar gewesen
wäre: Alle Parteien können im Prinzip mit allen
anderen Parteien Regierungsbündnisse eingehen.
Und sie tun es inzwischen regelmäßig auch dann,
wenn sie dabei nicht ihr politischer Kompass,
sondern die schiere wahlarithmetische Not
treibt. Das letzte Teil-Tabu wäre gefallen, wenn
Linkspartei und CDU miteinander koalierten.
AAAuch hier mag die moralisierende Verurteilung,uch hier mag die moralisierende Verurteilung,
die parteipolitisches Tafelsilber beschwört und
Unvereinbarkeitsfähnchen schwenkt, ein Gefühl
der Befriedigung verschaffen. Die Retro-Kraft-
meierei von Friedrich Merz, der das heile Bild
einer alten CDU an die Wand projiziert, gehört
hierher. Doch damit geht der Blick auf das ver-
loren, was hier wirklich geschieht. Ob man das
gutheißt oder nicht, es gilt: Wenn alle mit allen
können, ist das nicht die endgültige Degeneration
unseres politischen Systems, sondern eher so
etwas wie dessen Vollendung.
Wie in kaum einem anderen politischen System
der Welt herrscht im deutschen geradezu das Ge-
bot des Ausgleichs, der Kooperation. Nicht als
Mahnung, sondern als institutionell gesicherter
Zwang. Aus vielfältigen Motiven haben die Gründer
der Bundesrepublik das angelsächsische Mehrheits-
wahlrecht verworfen, das – bisher zumindest –
klare Verhältnisse zwischen Regierung und Op-
position schafft. Unser Verhältniswahlrecht
schließt absolute Mehrheiten in der Regel aus, es
zwingt fast immer zu Koalitionen. Und je mehr
Parteien der Prozess der gesellschaftlichen Aus-
differenzierung hervorbringt, desto vielfältiger und
bunter werden unvermeidlich die Koalitionen. Und
dass alle mit allen können, war ohnehin von Anfang
an der Fall: Durch den Bundesrat sind die Länder
und ihre jeweiligen Regierungsparteien fest in den
politischen Prozess eingebunden. Wenn man will:
Alle regieren, immer schon. Alle handeln immer
schon alles mit aus. Alles ist immer Konsens. So
kommt es, dass keine Regierung je grundsätzliche
Entscheidungen ihrer Vorgängerin gänzlich rück-
gängig gemacht hat. Die Westbindung nicht, die
Ostpolitik nicht, die Agenda 2010 nicht. Und am
Ende auch den Atomausstieg nicht.
Dieses System hat vielleicht weniger mit einer
angeblichen Konsensseligkeit der Deutschen zu tun.
Es ist vielmehr eine Antwort auf den Geist der Un-
versöhnlichkeit, der die Weimarer Republik einst
ruinierte. Und, in längerer historischer Perspektive,
auf die jahrhundertelange Erfahrung konfessioneller
Spaltung, die zu ungeheuren Verwüstungen geführt
und Deutschland weit zurückgeworfen hat. Wenn
aber im bundesdeutschen Konsensstaat fast alle für
fast alles verantwortlich sind, ist niemand für das
Ganze, ist letztlich niemand verantwortlich. Der
Proporz schützt jede Partei vor der vollen Kon-
sequenz einer Wahlniederlage – sie regiert ja an-
derswo weiter mit. Wie die 14 Merkel-Jahre zeigen,
wird es schwer, Verantwortliche für politische Fehl-
entscheidungen zu finden. Und die Kehrseite: Fun-
damentale Entscheidungen können – wie die Ener-
giewende bewiesen hat und die Klimapolitik viel-
leicht noch zeigen wird – ohne jede kontroverse
Debatte im politischen Raum getroffen werden.
Da auf absehbare Zeit eine scharfe Wahlrechts-
änderung und eine gründliche Reform des politi-
schen Systems nicht möglich sind, bleibt es vorerst
beim allseitigen Gebot der Zusammenarbeit. Ver-
mutlich hat die Thüringer CDU gar keine andere
Wahl, als sich – in welcher informellen oder institu-
tionalisierten Form auch immer – mit Bodo Ra-
melow, aber auch mit seiner Partei ins Benehmen
zu setzen. Sie würde damit dem Zug der Zeit folgen.
Und so dem Geist der Republik, der Konfrontation
ablehnt, einen Dienst erweisen. Und zugleich ihren
Charakter einer Volkspartei weiter verlieren.
[email protected]

Merkel


ist


nicht


schuld


Von allen Seiten hagelt


es Vorwürfe gegen die


Kanzlerin. Einer lautet,


sie habe den Markenkern


der CDU zersetzt. Doch


es sind die Zeitläufte


gewesen, die die Partei


wie alle anderen auch


radikal veränderte


LEITARTIKEL


THOMAS SCHMID


Ihre Post an:


DIE WELT, Brieffach 2410, 10888 Berlin,


Fax: (030) 2591-71606, E-Mail: [email protected]


Leserbriefe geben die Meinung unserer Leser


wieder, nicht die der Redaktion. Wir freuen


uns über jede Zuschrift, müssen uns aber das


Recht der Kürzung vorbehalten. Aufgrund der


sehr großen Zahl von Leserbriefen, die bei


uns eingehen, sind wir leider nicht in der Lage,


jede einzelne Zuschrift zu beantworten.


radikale Tendenzen geschieht). Die
AfD, 2015 lediglich als europafeindliche
Kleinstpartei einzustufen, schaukelte
sich schnell an diesen Versäumnissen
der Bundesregierung hoch und gewann
kontinuierlich an Zuspruch, während
die heute nicht mehr großen Parteien
parallel dazu ihre Wähler verloren.
Dabei wirkt sich verantwortungsvolles
Handeln auch politisch aus, wie sich in
Dänemark zeigt: Dort wurde neben
strengen Einwanderungsregulierungen
u.a. bestimmt, dass Kinder nur mit
Beherrschung der Landessprache ein-
geschult werden. Hierzulande werden
nicht nur solche Vorschläge als rechts-
radikal und völkisch bezeichnet, was –
wie vieles andere auch – spürbar den
gesamten Kindern, dem Schulwesen
und dem Staat unermesslichen Scha-
den zufügt.

GERHARD KLUSSMEIER, ROSENGARTEN


wahrem Erfolg. Ich danke Ihnen herz-
lichst für das warme Gefühl, das Sie in
meinem Herzen entstehen lassen.

LUKAS SCHAAB, PER E-MAIL


Huawei


Zu: „Huawei ist der verlängerte Arm
Pekings“ vom 29. Oktober

Dem SPD-Bundestagsabgeordneten
Metin Hakverdi ist zu danken für sei-
nen zutreffenden Kommentar zum
5G-Netz-Bewerbungsverfahren. Wer
auch immer es für zielführend hält, als
ein Zulassungskriterium zum Anbieter-
verfahren eine Selbstauskunft der Fir-
men über ihre Vertrauenswürdigkeit zu
definieren, handelt fahrlässig, es sei
denn, dies wäre nur eine Höflichkeits-
floskel gegenüber den Machthabern in

Peking und die Entscheidung zum
Ausschluss von Huawei wäre schon
längst gefallen. Jedoch – wer mag daran
schon glauben?

DR. MARTIN KRUSE, LINGEN


Kompromiss


Zu: „Machtkampf in der CDU nach
Wahldebakel in Thüringen“
vom 29.Oktober

Es würde der Union gut anstehen, in
dieser extremen Situation in Thürin-
gen Kompromissbereitschaft zum
Wohle des Landes zu zeigen, ohne
gleich in den Verdacht zu geraten, die
Wiedereinführung des Sozialismus zu
unterstützen. Politische Parteien sind
kein Selbstzweck.

GÜNTER TIBUTT, PER E-MAIL


LESERBRIEFE


Warmes Herz


Zu: „Aufsteiger aller Länder, tragt
eine Rolex“ vom 26. Oktober 2018

Hiermit möchte ich meiner Begeiste-
rung und Freude über Ihren Kom-
mentar Ausdruck verleihen. Schon als
der Beitrag im Oktober 2018 erschei-
nen ist, war ich hellauf begeistert.
Noch immer nehme ich mir ab und an
Zeit und lese Ihren tollen Text erneut.
Eine Passage hat es mir hierbei be-
sonders angetan: „Wurde es am Mo-
natsende eng, schaute sie auf ihr Hand-
gelenk. Die Rolex war ihre Uhr, aber
auch ihr Kompass.“ Ich bin selbst Stu-
dent und trage (noch) keine Rolex am
Handgelenk. Aber Ihre Worte sind auch
eine Art Kompass für mich. Denn eine
Rolex ist die sozialdemokratischste
Uhr, die es gibt – und der Kompass zu

Unermesslich


Zu: „Auch ein Erbe Angela Merkels“
vom 30. Oktober

Eine treffende Analyse, die leider nur
ganz vorsichtig andeutet, wo Anfang
und Grund für die Erosion der CDU
(und letztlich auch der SPD) liegt – bei
der „deutschen Flüchtlingskrise“. Doch
es sind nicht die Flüchtlinge per se,
sondern die dabei unübersehbaren
Probleme durch überwiegend fremdes
Kulturgebaren, mit denen Länder und
Gemeinden und somit die Bürger all-
gemein im Stich gelassen werden. Es
zeigte sich sehr schnell, dass dem „Wir
schaffen das“ nichts nachkam, was z.B.
gravierenden Vorfällen zu folgen hat,
nämlich konsequente Ahndung von
Übergriffen und Verbrechen (so wie es
nun vernünftigerweise gegen rechts-

C


arola Rackete will Menschen
retten, weshalb die deutsche
Kapitänin im Sommer die Sea
Watch 3 mit 53 Mittelmeerflüchtlingen
an Bord nach Lampedusa steuerte.
Carola Rackete will das Klima retten,
weshalb die 31-jährige Norddeutsche bei
den Klimaaktivisten von „Extinction
Rebellion“ mitmacht.
Und Carola Rackete möchte unsere
Demokratie loswerden. „Es ist ein
schlechtes System, viel zu abhängig von
der Lobby und viel zu sehr davon be-
stimmt, dass Berufspolitiker auf Wie-
derwahl aus sind“, schreibt die pro-
minente Aktivistin in ihrem Buch
„Handeln statt Hoffen“, das sie am
Mittwoch in Berlin vorstellte. „Wir
müssen Demokratie neu erfinden“,
etwa in der Form von Bürgerversamm-
lungen, die „per Losverfahren“ zu-
sammengesetzt werden.
Das gab es schon im antiken Athen.
Aus dem Schulunterricht mögen die
Name Kleisthenes und Perikles hängen
geblieben sein. Ersterer dachte sich den
„Rat der 500“ aus, letzterer reformierte
ihn. In den Rat wurden Bürger (also
freie Männer; Sklaven und Frauen
mussten draußen bleiben) gelost, um
Beschlüsse für die Volksversammlung

vorzubereiten. Drücken galt nicht. Die
attische Demokratie funktionierte zwi-
schen 508 und 322 v.Chr. recht gut – im
Rahmen eines Stadtstaats mit 40.
Einwohnern. Dies auf einen modernen
Flächenstaat anzuwenden, wäre kühn –
hätte man eine Gesellschaft ähnlich der
heutigen im Sinn.
Das aber ist bei der Demokratie-
theoretikerin Rackete nicht der Fall. Sie
will einen „radikalen Systemwandel,
der dazu führt, dass die Gesellschaft
anschließend ganz anders aussehen
wird als jetzt“. Ein Zeitreisender würde
in 100 Jahre „wenig Bekanntes vor-
finden“. Die Aktivistin passt damit zu
„Extinction Rebellion“, einer Bewe-
gung, die Gewaltfreiheit predigt und
„nur“ zivilen Ungehorsam und Blocka-
den betreibt. Die sich aber nicht von
ihrem Gründer Roger Hallam aus Wales
distanziert, wenn der sagt, Regierun-
gen, die sich nicht zum Handeln zwin-
gen ließen, würden gestürzt – „und ja,
einige können dabei sterben“.
Rackete formuliert so etwas nicht.
Aber hinter ihrer Forderung nach radi-
kaler CO 2 -Reduzierung steckt eine
Gesamtabsage an unser System. Es
gebe keine „Flüchtlingskrise“, sondern
eine „Krise der globalen Gerechtigkeit“.
Umverteilung zu fordern ist legitim.
Aber Rackete und Hallam bestätigen,
dass es Gruppen wie „Extinction Rebel-
lion“ im Kern nicht um die Erderwär-
mung geht. Sondern um einen Öko-
sozialismus, für den das Klima als Er-
satzproletariat herangezogen wird.

Kapitänin mit Ersatzproletariat


PLATZ DER REPUBLIK


ANSGAR GRAW


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