Die Welt - 31.10.2019

(lily) #1
haben. Dieses Problem endet auch
nicht, wenn man auf Quotenaufnahme
umschwenkt, so wie Seehofer dies nun
vorschlägt. Die Frage ist: Was würde
geschehen, wenn Deutschland unge-
fffähr 25 Prozent aller in Griechenland,ähr 25 Prozent aller in Griechenland,
Italien und anderswo ankommenden
Flüchtlinge nach einer Quote aufneh-
men würde und trotzdem weitere
Flüchtlinge oder abgelehnte Asylbe-
werber von dort oder aus anderen Staa-
ten unerlaubt einreisen? Nach der ak-
tuellen Rechtsauffassung von CDU-
Führung und SPD darf man sie nicht an
der Einreise hindern. Daran hat sich
Seehofers CSU im vergangenen Jahr
vergeblich abgearbeitet. Falls es bei
diesen Differenzen bleibt, droht fol-
gendes Szenario: Deutschland nimmt
dann die „legalen“ Quotenflüchtlinge
auf – und illegale Migranten wie bisher
zusätzlich.

I


m Spätherbst seiner politischen
Karriere versucht Horst Seehofer
(CSU) noch einmal, die ganz große
Reform anzustoßen. Nachdem im
Juni 2018 seine Forderung nach Zu-
rückweisung von unerlaubt einreisen-
den Asylbewerbern direkt an der deut-
schen Grenze von der CDU-Führung
ausgebremst wurde, soll nun eine Re-
form des Gemeinsamen Europäischen
Asylsystems her.

VON MARCEL LEUBECHER

In den vergangenen Monaten hatte
der Bundesinnenminister nicht an Kri-
tik am bestehenden Dublin-System ge-
spart, jenem Kern des Asylsystems, das
regelt, welcher Staat für einen Asylbe-
werber zuständig ist. Auch hatte Seeho-
fer durchblicken lassen, dass er in sei-
nem Ministerium an einem Alternativ-
plan arbeiten lässt. Als er vor einigen
Wochen in Luxemburg erfolglos ver-
suchte, möglichst viele EU-Staaten zur
Quotenaufnahme von im Mittelmeer
aufgegriffenen Bootsmigranten zu be-
wegen, deutete er schon an, dass dies
ein „Pilotprojekt“ für eine gemeinsame
europäische Asylpolitik sein könnte.
Deutlicher wurde er am Dienstag in
München beim G-6-Innenministertref-
fffen der sechs bevölkerungsreichstenen der sechs bevölkerungsreichsten
Staaten der EU: „Wir müssen feststel-
len, dass das Dublin-Verfahren geschei-
tert ist“, es könne keine Grundlage
mehr für die weiteren Verhandlungen
sein. Er habe die deutschen Vorstellun-
gen seinen Kollegen präsentiert, dem-
nach sollen an den EU-Außengrenzen
bereits die Identitäts- und Sicherheits-
sowie auch eine erste Asylprüfung
stattfinden. Asylbewerber mit guter
Prognose würden dann von den EU-
Staaten, die wie Deutschland und
Frankreich an der Aufnahme nach
einem Verteilmechanismus mitma-
chen, aufgenommen und bekämen dort
das vollständige Asylverfahren, „bei
allen anderen erfolgt an und von der
AAAußengrenze“ die Rückführung „in dieußengrenze“ die Rückführung „in die
Herkunftsländer“ durch die Grenz-
schutzagentur Frontex. Solche Hot
Spots, aus denen direkt abgeschoben
wird, hatte auch schon der EU-Rat im
Juni 2018 als Ziel beschlossen, freilich
ohne greifbaren Erfolg. Wenn es nach
Seehofer geht, sollen schon in der er-
sten Jahreshälfte 2020 Gesetzesvor-
schläge erarbeitet werden, mit denen
die Reformen des Asylsystems dann in
der zweiten Jahreshälfte unter deut-
schem Ratsvorsitz und einer deutschen
Kommissionspräsidentin in EU-Richt-
linien übersetzt werden.
Hier liegt auch der erste große Knack-
punkt der neuen Reformidee: Warum
soll die EU-Kommission bald schaffen,
woran sie seit vielen Jahren kläglich
scheitert, nämlich die Herkunftsstaaten
zur Rücknahme ihrer Staatsbürger in
großer Zahl zu bewegen? Und: Heute
scheitern viele Abschiebungen daran,
dass die Identität der Betroffenen nicht
zweifelsfrei festgestellt werden kann
oder die abgelehnten Asylbewerber un-
tertauchen.
Das Hauptproblem ist aber: Jeder
Plan für eine Reform des geltenden
dddysfunktionalen EU-Asylsystems istysfunktionalen EU-Asylsystems ist
unausgegoren, solange nicht geklärt
ist, wie die unerlaubte Weiterreise ge-
stoppt wird. Das Dublin-System funk-
tioniert ja vor allem deswegen nicht,
weil die illegal Weiterwandernden weit
überwiegend nicht wieder in den zu-
ständigen Staat abgeschoben werden,
in dem sie zuerst EU-Boden betreten

Das bisherige Gemeinsame Europäi-
sche Asylsystem mit der Dublin-Verord-
nung ist nur die Antwort auf die Abrüs-
tung der nationalen Grenzen. Auf kei-
nen Fall wollten die damaligen Regie-
rungen der nördlichen EU-Staaten, dass
nun alle in den südlichen Ländern an-
kommenden Migranten einfach nach
Norden weiterreisen können, um dort
Asyl zu beantragen. Deswegen wurde
mit den Dublin-Verordnungen festge-
legt, dass in der Regel der Ersteinreise-
staat zuständig ist – es gibt aber viele
Ausnahmen, etwa für Kranke, Minder-
jährige oder Migranten, die schon Ange-
hörige in einem anderen Staat haben.
All diese Ausnahmen sowie die EU-
Freizügigkeit für Asylzuwanderer mit
AAAufenthaltstitel und vor allem die ille-ufenthaltstitel und vor allem die ille-
gale Weiterwanderung haben dazu ge-
ffführt, dass trotz „Dublin“ die reichenührt, dass trotz „Dublin“ die reichen
Staaten im Norden fast immer stärker

belastet waren, als die Ankunftsstaa-
ten. Das war nichts neues: Seit es ille-
gale Einwanderung aus anderen Konti-
nenten nach Europa in relevantem
Umfang gibt, also ab den späten 70er-
Jahren, sind Deutschland, Frankreich
und die Benelux-Länder Hauptziele.
Dort gab und gibt es bessere Arbeit,
einen tragfähigeren Sozialstaat und
eine größere Diaspora, die das Leben in
der Fremde leichter macht. Man kann
in die Daten der Statistikämter blicken,
um zu erkennen, dass in den angeblich
am stärksten belasteten Südländern
ein geringerer Anteil der Bevölkerung
zugewandert ist. So beträgt der Anteil
der im Ausland geborenen Bevölkerung
in Italien laut OECD zehn Prozent (6,
Millionen), in Griechenland sechs Pro-
zent (0,6 Millionen) und in Deutsch-
land 16 Prozent (13,2 Millionen). Auch
die Asylstatistik zeigt, dass Deutsch-

land im Vergleich mit Italien, Spanien
und Griechenland bereits seit den An-
fffängen des Schengenraumes Mitte derängen des Schengenraumes Mitte der
1 980er-Jahre und auch nach dem In-
krafttreten des Dublin-Übereinkom-
mens 1997 die meisten Asylanträge ver-
zeichnete.
In einem bemerkenswerten Aufsatz
in der „Zeitschrift für Gesetzgebung“
hat der Göttinger Europarechtler
Frank Schorkopf im Frühjahr unter der
Ü

rank Schorkopf im Frühjahr unter der
Ü

rank Schorkopf im Frühjahr unter der
berschrift „Die Dublin-III-Verord-
nung als Sinnbild dysfunktionaler EU-
Gesetzgebung“ eine kritische Be-
standsaufnahme geliefert. Das Dublin-
Recht sei eine „unionsrechtliche lex
imperfecta, die seit zwei Jahrzehnten
in juristischer Konstruktion wie admi-
nistrativem Vollzug dysfunktional ist
und die Mitgliedstaaten asymme-
trisch“ belaste. Für Schorkopf ist das
„zentrale Problem des Dublin-Rechts
die Sekundärmigration“, also „die Wei-
terreise von in die EU unrechtmäßig
eingereisten Drittstaatsangehörigen
aus dem Mitgliedstaat der Antragstel-
lung in einen anderen Mitgliedstaat,
ohne eine endgültige Entscheidung
über den Antrag abzuwarten“.
Exakt für dieses „zentrale Problem“
von „Dublin“, also die unerlaubte Wei-
terreise, wurde bisher noch kein proba-
tes Gegenmittel vorgeschlagen, auch
wenn die Dublin-Vereinbarung ersetzt
werden sollte. Zuletzt scheute die Koali-
tion vor einem harten Einschnitt zurück:
Im Vorlauf des im Sommer verabschie-
deten Gesetzespakets zur Migrationspo-
litik hatten Unionspolitiker darauf ge-
drängt, unerlaubt nach Deutschland wei-
terreisende Asylbewerber von Soziallei-
stungen auszuschließen. Dieser wirksa-
me Schritt fand aber in der schwarz-ro-
ten Koalition keine Mehrheit.
Lediglich ein Leistungsausschluss für
schon als Flüchtling Anerkannte wurde
beschlossen. Das betrifft zum einen nur
wenige Tausend Fälle jährlich, zum an-
deren können diese auch dagegen kla-
gen. Die EU-Kommission schlug schon
2016 eine reformierte Dublin-IV-Ver-
ordnung vor, die weitere Asylanträge in
der EU abschaffen sollte und nach der
volle Sozialleistungen nur noch im zu-
ständigen Staat gezahlt würden. Doch
diese Reform scheiterte.
Die künftige EU-Kommissionspräsi-
dentin Ursula von der Leyen (CDU)
machte schon vor Wochen deutlich,
dass sie einen neuen Anlauf zur Reform
des Gemeinsamen Europäischen Asyl-
systems nehmen wolle. Sie habe nie
wirklich verstanden, warum laut Dub-
lin-Vereinbarung ein Migrant dort blei-
ben müsse, wo er zuerst europäischen
Boden betritt, sagte sie im Juli, offenbar
in Unkenntnis der rechtlichen und fak-
tischen Lage.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
und Außenminister Heiko Maas (SPD) be-
grüßten damals jedenfalls die Ankündi-
gggung. Nun haben sie mit Seehofers Planung. Nun haben sie mit Seehofers Plan
konkrete Reformvorschläge auf dem
Tisch. Die Innenausschussvorsitzende
Andrea Lindholz (CSU) sagte WELT:
„Das Ziel, den individuellen Schutzan-
spruch bereits an den EU-Außengrenzen
zumindest kursorisch zu prüfen, halte ich
fffür absolut richtig.“ Die entscheidendeür absolut richtig.“ Die entscheidende
Herausforderung bei Seehofers Konzept
bleibe „die Rückführung der Migranten,
die keinen Schutzanspruch haben“. Hier
habe die EU ihre Möglichkeiten noch
nicht ausgeschöpft. Lindholz denkt „da-
bei an europäische Rückführungsabkom-
men, den Visa-Hebel und weitere Maß-
nahmen, um die Rücknahmebereitschaft
der Herkunftsländer zu erhöhen“.

Aufbruch ins


Ungewisse


Seehofers Plan zur Reform des EU-Asylsystems lässt


ungeklärt, wie die unerlaubte Weiterreise gestoppt wird.


Probleme bei der Abschiebung enden nicht, wenn ein


Verteilsystem etabliert wird


DPA

/ MICHAEL KAPPELER

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DIE WELT DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019* POLITIK 5


vor. Sie hatten damals einen Bagger und
ein Förderband besetzt und so die Koh-
lezufuhr gestoppt.
In einem Zivilprozess vor dem Land-
gericht Aachen, der derzeit unterbro-
chen ist, hat der Energiekonzern RWE,
dem das Kraftwerk in Weisweiler ge-
hört, einige der hier Angeklagten auf
Schadenersatz verklagt. Es geht um et-
wa 2,1 Millionen Euro. Der Ausgang des
Strafverfahrens vor dem Amtsgericht
dürfte bedeutend sein für das Zivilver-
fahren vor dem Landgericht. Die gewal-
tige Summe scheint die Angeklagten
nicht zu beeindrucken. Die jungen Leu-
te treten so auf, als hätten sie nichts zu
verlieren. Sie verdienen nach eigenen
Angaben kaum etwas bis gar nichts.
„Kein Beruf, kein Einkommen, ich bin
Vollzeitaktivist“, sagt etwa Hannes G.
Sie wollen den Prozess am Amtsge-
richt zu etwas Großem machen. Es geht
ihnen immerhin um nicht weniger als
um die Rettung der Erde. Sie hoffen wo-
möglich auf den „Hambi-Effekt“. Der
Widerstand im Forst am Rande des
Braunkohleabbaugebiets Hambach, das
von RWE betrieben wird, hat der Szene

D


ie Angeklagten sprechen von
„Notwehr“ und von einem
„Notstand“. Sie sind sich keiner
Schuld bewusst. Ihre Tat sei „gerecht-
fertigt“ gewesen und „nicht strafbar“.
Sie sagen, dass jemand anderes auf die
Anklagebank gehöre, ein Energiekon-
zern. Zwei junge Frauen und drei Män-
ner wollen die Verhältnisse umkehren,
nicht nur in diesem Prozess, sondern in
großem Stil, grundsätzlich, global. Sie
stellen nicht weniger als „das System“
infrage.

VON KRISTIAN FRIGELJ
AUS ESCHWEILER

In Saal 17 des Amtsgerichts Eschwei-
ler in Nordrhein-Westfalen müssen
sich seit Mittwoch die fünf selbst er-
nannten „Klimagerechtigkeitsaktivis-
ten“ im Alter zwischen 22 und 37 Jahren
wegen einer Blockade des Braunkohle-
kraftwerks Weisweiler im November
2 017 verantworten. Die Staatsanwalt-
schaft wirft ihnen Hausfriedensbruch,
Störung öffentlicher Betriebe und Wi-
derstand gegen Vollstreckungsbeamte

mit Baumbesetzern und gewaltbereiten
Störern eine riesige mediale Resonanz
beschert. Es gab solidarische Unterstüt-
zung selbst aus bürgerlichen Kreisen.
Dass ein Teil der Waldbewohner in Ver-
dacht steht, Straftaten zu begehen und
zu legitimieren, wirkte auf sie wenig ab-
schreckend.
Im Herbst 2018 wurden unter Beteili-
gung von mehreren Tausend Beamten
im Schichtdienst Dutzende Baumhäu-
ser geräumt und abgerissen. Sie galten
baurechtlich als unsicher, und es ging

darum, RWE zu helfen, damit der Kon-
zern die geplante Rodung vorantreiben
kann. Das NRW-Innenministerium
stoppte den mehrwöchigen Polizeiein-
satz, einen der größten der Geschichte
Nordrhein-Westfalens, nachdem ein
Blogger von einer Hängebrücke zu Tode
gestürzt war und ein Gericht im Eilver-
fahren die Fällungen vorläufig untersagt
hatte, solange eine Klage von Natur-
schützern im Hauptverfahren nicht ent-
schieden ist. Der RWE-Konzern kündig-
te an, dass eine Rodung bis zum Herbst
2020 vertagt werde.
Der Schutz des verbliebenen 200
Hektar großen Waldstücks zwischen
Köln und Aachen ist zum Symbol für
den Klimaschutz geworden. Selbst die
sogenannte Kohlekommission der
Bundesregierung, die sich für einen
Kohleausstieg bis spätestens 2038 aus-
sprach, berücksichtigte den Forst in ih-
ren Ausführungen und nannte ihn „er-
haltenswert“.
VVVor einigen Wochen tauchte sogaror einigen Wochen tauchte sogar
Greta Thunberg, die Ikone der Fridays-
fffor-Future-Bewegung, im Hambacheror-Future-Bewegung, im Hambacher
Forst auf. Für die Baumbesetzer war

diese Aufmerksamkeit beim Auftritt
ein großer Erfolg.
Der Sound der Hambianer zieht sich
auch durch den Prozess am Amtsgericht
Eschweiler. Mitstreiter haben im Netz
seit Tagen dazu aufgerufen, die Ange-
klagten zu unterstützen. Auf der Stra-
ßenseite gegenüber hängt ein Laken mit
der Aufschrift „System change not cli-
mate change“ (Systemwechsel, nicht
Klimawandel). Einige Dutzend Perso-
nen warten, einige an einem Feuertopf,
ein Kind ist sehen und ein Baby. Schlaf-
säcke liegen auf dem Rasen vor dem Ge-
bäude. Die Polizei ist mit mehreren
Mannschaftswagen gekommen. Auch
im Gericht halten sich Dutzende Beam-
te bereit. Doch drinnen bleibt es ruhig.
Die Angeklagten melden sich zu Be-
ginn mit aufeinander abgestimmten
Einlassungen zu Wort. Sie stellen Be-
weisanträge, nennen Zeugen und wol-
len beweisen, dass das Kraftwerk Weis-
weiler einen genau bezifferbaren Anteil
am Klimawandel habe und am Tod von
Menschen Schuld trage. Sie beantragen
unter anderem, Bundeskanzlerin Ange-
la Merkel und den NRW-Ministerpräsi-

denten Armin Laschet (beide CDU) in
den Zeugenstand zu rufen, um das Ver-
sagen der Politik beim Klimaschutz
deutlich zu machen. Sie legitimieren ih-
re Tat und sagen, mit ihrer Blockade des
Kraftwerks hätten sie immerhin er-
reicht, dass einige Tausend Tonnen des
klimaschädlichen Kohlendioxids weni-
ger in die Atmosphäre gelangt seien.
Der Prozess ist zunächst auf drei Tage
angesetzt. Das Gericht wird vermutlich
etliche Beweisanträge ablehnen und sich
auf die Straftaten konzentrieren. Die An-
geklagten haben durch ihre Einlassun-
gen die Taten eingestanden. Und sie ha-
ben noch etwas deutlich gemacht, was
Sicherheitsbehörden schon seit Länge-
rem alarmiert: Echter Klimaschutz geht
aus Sicht der Angeklagten nur mit einem
politischen Systemumsturz, mit der
Ü

olitischen Systemumsturz, mit der
Ü

olitischen Systemumsturz, mit der
berwindung des Kapitalismus. Aus ih-
rer Sicht ist keine der bestehenden Par-
teien wählbar, nicht einmal die Grünen.
Sie propagieren den „Klimawandel von
unten“ und Handlungen unabhängig von
Staat und Gesetz. Verfassungsschützer
kennen solche Einstellungen von Radi-
kalen und Extremisten.

„Kein Beruf, kein Einkommen, Vollzeitaktivist“


Angeklagte Klimaschutzaktivisten sehen die Blockade eines Kraftwerkes in NRW als Akt der Notwehr und offenbaren radikales Gedankengut


Demonstranten stärken den Angeklag-
ten den Rücken

DPA

/HENNING KAISER

USA


Spitzel verriet Versteck


von al-Baghdadi


Ein Informant im Versteck des IS-
Anführers Abu Bakr al-Baghdadi hat
zum Erfolg des US-Militäreinsatzes
gegen den Extremistenchef beigetra-
gen. Der Informant sei ein Funktionär
der Dschihadistenmiliz gewesen, be-
richtete die „Washington Post“. Er
habe präzise Informationen über al-
Baghdadis wechselnde Aufenthaltsorte
sowie den Grundriss des Anwesens
geliefert, das am vergangenen Wochen-
ende von US-Elitesoldaten angegriffen
worden war. Im Verlauf des Einsatzes
tötete der IS-Chef sich selbst, indem er
in einem Tunnel eine Sprengstoffweste
zündete. Der Informant sei während
des Angriffs nahe der Ortschaft Bari-
scha in Nordwesten Syriens anwesend
gewesen, berichtete die Zeitung unter
Berufung auf zwei amtierende und
einen früheren US-Regierungsmit-
arbeiter. Zwei Tage danach sei der
Mann zusammen mit seiner Familie
aus der Region herausgeholt worden.
Die Prämie von 25 Millionen Dollar
(22,5 Millionen Euro), welche die USA
für Hinweise zur Ergreifung al-Baghda-
dis ausgesetzt hatten, werde der Spion
entweder komplett oder zumindest
teilweise erhalten.

SYRIEN


Verfassungskomitee


tagt in Genf


Nach jahrelanger Vorbereitung sind in
Genf erstmals die Mitglieder des Ko-
mitees zur Ausarbeitung einer neuen
Verfassung für Syrien zusammenge-
kommen. Es ist auch das erste Mal seit
Beginn des Bürgerkriegs vor achtein-
halb Jahren, dass sich Vertreter der
Regierung von Baschar al-Assad und
der Opposition zu direkten Gesprä-
chen gegenübersitzen. Der UN-Sonder-
gesandte für Syrien, Geir Pedersen,
sprach von einem „Hoffnungsschim-
mer“. Assad stimmte der Teilnahme
einer Regierungsdelegation unter dem
Druck seines Verbündeten Russland zu.
Nach der Eröffnungszeremonie werden
45 Delegierte mit der Ausarbeitung
eines Verfassungsentwurfs beginnen.

BELGIEN


Chinesischer Kulturchef


ausgewiesen


Vor dem Hintergrund von Spionage-
Spekulationen hat Belgien einen rang-
hohen Vertreter Chinas des Landes
verwiesen. Dem Leiter des chinesi-
schen Konfuzius-Instituts, dessen Ar-
beit von Peking mit anderen Kultur-
instituten weltweit wie dem Goethe-
Institut verglichen wird, werde eine
„Gefährdung der nationalen Sicher-
heit“ vorgeworfen. Dem Politologen
Xinning Song wurde zudem für acht
Jahre der Aufenthalt in allen 26 Schen-
gen-Staaten untersagt. Zeitungen hat-
ten über einen Verdacht auf „Spionage“
zugunsten der chinesischen Regierung
berichtet, ohne jedoch weitere Details
zu nennen.

KOMPAKT


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