Die Welt - 31.10.2019

(lily) #1

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6 POLITIK DIE WELT DONNERSTAG,31.OKTOBER


Offensive letztlich vor allem innenpoli-
tische Ziele – nämlich die Spaltung des
breiten Oppositionsbündnisses aus
HDP und CHP, das Erdogans AKP bei
den Kommunalwahlen wichtige Groß-
städte abgejagt hatte. Denn nur dank
der Leihstimmen von HDP-Wählern
konnte die CHP die Bürgermeister-
ämter in Istanbul, Ankara und Antalya
erobern.
Nun wolle Erdogan die beiden Partei-
en gegeneinander ausspielen, damit die-
se Allianz nicht irgendwann seine eigene
Macht bedrohen könne, so vermutete

man zu Beginn der Offensive. Die CHP
wwwürde auf keinen Fall als Unterstützerinürde auf keinen Fall als Unterstützerin
der kurdischen YPG dastehen wollen,
die als Ableger der in der Türkei verbo-
tenen kurdischen Arbeiterpartei PKK
gilt. Die CHP war letztlich gezwungen,
die Militäroffensive mitzutragen. Tat-
sächlich stimmte die CHP im Parlament
fffür den Militäreinsatz, wenn auch, inür den Militäreinsatz, wenn auch, in
den Worten ihres Vorsitzenden Kemal
Kilicdaroglu, „mit erheblichen Bauch-
schmerzen“. Das Votum werde die kur-
dische Basis der HDP unversöhnlich ge-
gen die CHP aufbringen, erwarteten vie-

le. Bei Halil Arkan in Nusaybin hat das
fffunktioniert. Doch der Ton der HDP ge-unktioniert. Doch der Ton der HDP ge-
genüber der CHP ist bemerkenswerter-
weise nicht kritischer geworden, als er
es ohnehin schon war.
„Die HDP behält die Zukunft im Auge
und verfolgt einen klugen Weg, um das
Bündnis im demokratischen Lager nicht
zu schädigen“, so erklärt Ertugrul Kürk-
cü, Ehrenvorsitzender der HDP, den
moderaten Kurs seiner Partei. Das
Bündnis mit der größeren Oppositions-
partei sei vor den letzten Wahlen auf ge-
sellschaftlicher Ebene entstanden. Die

H


alil Arkan ist aufgebracht.
Der ganze drahtige Körper
des Bauarbeiters ist in Be-
wegung, sein dunkel ge-
bräuntes Gesicht zeigt
WWWut. „Da auf der anderen Seite lebenut. „Da auf der anderen Seite leben
unsere Verwandten!“, ruft Arkan und
zeigt in die Richtung, wo ein Stachel-
drahtzaun seinen Heimatort Nusaybin
in Türkei von Kamischli auf der syri-
schen Seite der Grenze trennt. Beide
Orte sind mehrheitlich von Kurden be-
wohnt. „Wir sind Geschwister“, sagt Ar-
kan. „Wir bekommen ihr Leiden aus we-
nigen Hundert Metern Entfernung mit.“

VON TUNCA ÖGRETEN
AUS ISTANBUL

AAAber es scheint, als gelte seine eigent-ber es scheint, als gelte seine eigent-
liche Wut nicht der türkischen Armee,
die die kurdischen Gebiete auf der ande-
ren Seite erobert hat, sondern der größ-
ten türkischen Oppositionspartei:
„„„Wenn die CHP nicht für den Militär-Wenn die CHP nicht für den Militär-
einsatz gestimmt hätte, würden jetzt
unsere Verwandten nicht sterben“, sagt
Arkan. Die Kurden dürften die CHP nie
wieder unterstützen, komme, was wolle.
AAAber seinen wirklichen Namen möchteber seinen wirklichen Namen möchte
er nicht veröffentlichen lassen. Nein,
auch kein Foto. Die Angst wächst, auch
bei den Kurden in der Türkei.
Die türkische Offensive gegen die
KKKurden in Nordsyrien hat weltweit Kri-urden in Nordsyrien hat weltweit Kri-
tik und mitunter Entsetzen hervorgeru-
fffen. Die kurdisch-arabische SDF-Miliz,en. Die kurdisch-arabische SDF-Miliz,
gegen die der türkische Präsident Recep
Tayyip Erdogan vorgeht, war ein wichti-
ger Verbündeter im Kampf gegen die
Terrorgruppe IS. Ihr Gebiet galt als be-
sonders stabil und wenigstens ansatz-
weise demokratisch regiert. Weil Erdo-
gan einen Großteil der syrischen Flücht-
linge aus der Türkei in dem Gebiet an-
siedeln will, fürchten Beobachter eine
Bevölkerungsverschiebung oder gar eth-
nische Säuberungen im von vielen Kur-
den bewohnten Nordosten Syriens.
AAAber auch in der Türkei führt die Invasi-ber auch in der Türkei führt die Invasi-
on zu neuem Druck auf die Kurden. Auf
allen Ebenen.
Die prokurdische Oppositionspartei
HDP hat sich vom ersten Tag an klar
gegen die Offensive gestellt. Gegen
mehrere ihrer Abgeordneten wird des-
wegen ermittelt. Die Bürgermeisterin-
nen der Städte Hakkari, Nusaybin und
Ercis bei Van wurden abgesetzt, inhaf-
tiert und durch kommissarische Ver-
walter ersetzt.
AAAuch kurdische Bürgerinnen und Bür-uch kurdische Bürgerinnen und Bür-
ger der Türkei sind justiziellen Sanktio-
nen ausgesetzt. Mehr als 200 Menschen
wwwurden dafür festgenommen, dass sie inurden dafür festgenommen, dass sie in
den sozialen Medien Kritik an der Ope-
ration geübt oder auch nur auf zivile To-
desopfer hingewiesen hatten. 30 Perso-
nen wurden wegen Terrorpropaganda
inhaftiert. Regierungsnahe Medien be-
zeichnen quasi jeden, der gegen den
Krieg ist, als Landesverräter.
AAAber der Bruch hat auch die große Po-ber der Bruch hat auch die große Po-
litik erreicht. Etliche Kommentatoren
mutmaßten, Erdogan verfolge mit der

Basis der CHP und die der HDP müss-
ten einander in Zukunft wieder in die
AAAugen blicken können. Um dazu beizu-ugen blicken können. Um dazu beizu-
tragen, formuliere die HDP ihre Kritik
an der CHP mit Bedacht.
Dennoch sieht Kürkcü bei der CHP-
Basis keine große Begeisterung für die
Haltung der Parteispitze. Die grenz-
überschreitende Offensive der Regie-
rung zu unterstützen sei so etwas wie
eine unumgängliche Verpflichtung, die
von einigen staatshörigen Köpfen aus
dem Altbestand der Partei umgesetzt
werde.

AAAber auch innerhalb der CHP sind ei-ber auch innerhalb der CHP sind ei-
nige unzufrieden mit diesem Kurs. Der
Istanbuler CHP-Abgeordnete Sezgin
Tanrikulu zeigt sich immer gern auf der
Straße und basisnah. Gegen ihn laufen
Ermittlungen, weil er öffentlich erklär-
te: „Das ist ein Krieg gegen die Kurden.“
Und der Abgeordnete Ali Seker bezeich-
nete die Syrien-Operation als „eine Ne-
belbombe, die auf die innenpolitischen
Probleme der Türkei abgefeuert wurde“.
AAAber das Oppositionsbündnis dürfteber das Oppositionsbündnis dürfte
noch weiteren Druck aushalten müssen,
ebenso wie die kurdische Bevölkerung in
der Türkei und ihren Nachbarländern.
„Ich glaube nicht, dass die Offensive vor-
bei ist. Ankara geht nicht nur in Syrien,
sondern in insgesamt vier Ländern ge-
gen die Kurdinnen und Kurden vor“, sagt
HDP-Ehrenpräsident Kürkcü. „Man hat
schon die Ärmel hochgekrempelt, um
die Autonomieforderungen der Kurden
in der Türkei zu zerschmettern.“
VVVor wenigen Monaten konnte der in-or wenigen Monaten konnte der in-
haftierte HDP-Vorsitzende Selahattin
Demirtas über seine Anwälte einen
Tweet veröffentlichen, in dem er seine
Basis dazu aufforderte, bei den Kommu-
nalwahlen für die CHP-Kandidaten zu
stimmen, und Millionen Kurden taten
es. Jetzt ist die kurdische Wählerschaft
gespalten. Manche sagen, wie Bauarbei-
ter Arkan, sie würden nie wieder für die
CHP stimmen. Andere wissen, dass die
Offensive dazu gedacht ist, die Opposi-
tion zu spalten, und wollen sich genau
deshalb nicht davon abbringen lassen,
wieder CHP zu wählen.
Mehmet Bekri gehört zur letzteren
Gruppe. Er stammt aus Diyarbakir und
lebt seit Langem in Istanbul. Bei den
Kommunalwahlen wählte er den CHP-
Kandidaten Ekrem Imamoglu. „Das war
nötig, um die AKP zu schwächen, des-
halb habe ich es getan“, sagt er. Die Of-
fffensive hat Erdogan seiner Meinungensive hat Erdogan seiner Meinung
nach gestartet, um die kurdischen und
türkischen Wähler davon abzubringen,
ein Bündnis gegen die AKP zu schmie-
den. Die Kurden, sagt er, seien politisch
klug genug, um darauf nicht hereinzufal-
len. Entscheiden werden letztendlich
die Stimmen der im Westen der Türkei
lebenden Kurden. Es ist wahrscheinli-
cher, dass sie das oppositionelle Bünd-
nis gegen die AKP weitertragen und die
Offensive primär aus innenpolitischer
Sicht bewerten. Vermutlich werden wie-
der einmal die Nachrichten, die Demir-
tas aus dem Gefängnis schickt, das
Schicksal des Oppositionsbündnisses
und damit auch des Landes entscheiden.
AAAhmet Silvan lebt ebenfalls in Istan-hmet Silvan lebt ebenfalls in Istan-
bul. Er ist wütend auf die CHP. „Jedes
Mal, wenn Erdogan Hilfe braucht,
kommt die CHP angerannt“, sagt der 30-
Jährige. Er werde die CHP nicht mehr
wählen. Auch nicht, wenn der HDP-Chef
aus dem Gefängnis wieder dazu aufruft?
„Das ist etwas anderes. Aber Demirtas
hat zu der Militäroffensive noch nichts
gesagt. Er soll erst einmal das letzte
WWWort sprechen, dann sehen wir weiter.“ort sprechen, dann sehen wir weiter.“

Aus dem Türkischen von Oliver Kontny


Gesetzen des Libanon darf nur ein Sun-
nit das Amt des Premiers innehaben; zu
Hariri gibt es kaum Alternativen. Die
Forderungen der Protestler reichen
aber noch weiter. Sie wollen einen
Rücktritt der gesamten Regierung und
eine Reform des politischen Systems.
Damit fordern sie einen Rivalen he-
raus, der weitaus gefährlicher ist als Ha-
riri: Hassan Nasrallah, Führer der
mächtigen schiitischen Hisbollah-Miliz.
So wächst die Gefahr, dass der wichtigs-
te Verbündete des Iran in Nahost auf
Gewalt zurückgreifen muss, um die
Proteste zu unterbinden. Münden Bei-
ruts überwiegend friedliche Demons-
trationen in ein Blutbad?
Nicht, dass der Libanon sich die Pro-
teste leisten kann. Seit zwei Wochen
liegt das öffentliche Leben lahm. Ursa-
che für den Unmut ist die seit Jahrzehn-
ten andauernde Misswirtschaft, die den
Libanon in eines der am tiefsten ver-
schuldeten Länder der Erde verwandel-
te. Der Staat versorgt seine Bürger nur
unregelmäßig mit Strom und Wasser.
„Korruption ist überall“, sagte Paula Ya-
coubian, die einzige Abgeordnete, die
keiner politischen Partei angehört, der
„New York Times“. „Man sieht die Kor-
ruption in den Flüssen, die nur schwar-

D


ie Teilnehmer der Proteste, die
den Libanon seit dem 17. Okto-
ber erschüttern, sind freudevol-
le Eskapaden gewöhnt. Seit Tagen zie-
hen Zauberer durch die Straßen, Men-
schen feiern mit Wasserpfeifen und
spärlich bekleidete Damen führen auf
Verkehrsinseln verführerische Bauch-
tänze auf. Am Dienstagnachmittag er-
reichte die Stimmung aber einen Höhe-
punkt. In einer kurzen Fernsehanspra-
che verkündete der sichtbar von Stress
gezeichnete Premierminister Saad al-
Hariri, dass er einer zentralen Forde-
rung der Demonstranten nachkommen
werde: „Es ist Zeit für einen großen
Schock, um der Krise entgegenzutre-
ten“, sagte er. „Ich gehe zum Präsiden-
tenpalast, um den Rücktritt der Regie-
rung zu präsentieren.“

VON GIL YARON
AUS TEL AVIV

Aus Tausenden Kehlen war Jubel zu
hören. Doch die Freude könnte verfrüht
sein. Denn es bleibt völlig unklar, was
nun passiert. Präsident Michel Aoun
kann Hariris Rücktrittsgesuch ablehnen
oder er beauftragt den Premier erneut
mit der Regierungsbildung. Laut den

ze, stinkende Abwasserkanäle sind. Man
sieht sie an 220 Kilometern Küste, an
der man wegen Verschmutzung nicht
schwimmen kann.“
Der seit Jahren aufgestaute Frust
entlud sich am 17. Oktober, als bekannt
wwwurde, dass die Regierung Kommunika-urde, dass die Regierung Kommunika-
tion per Internet besteuern will. Seit-
her blockieren Hunderttausende die
wichtigsten Verkehrsadern und halten
Schulen, Banken und viele Geschäfte
geschlossen. Das libanesische Pfund
verliert rapide an Wert. Wirtschaftsex-
perten warnen vor einem Kollaps. Das
wollen Nasrallah und sein Patron, die
Islamische Republik Iran, um jeden
Preis verhindern. Eigentlich sollte der
Libanon nämlich als ihr gemeinsames
VVVorzeigeobjekt dienen. Seit Jahren un-orzeigeobjekt dienen. Seit Jahren un-
terstützen die Ayatollahs die Hisbollah
mit Hunderten Millionen Dollar pro
Jahr, rüsten sie mit ihren besten Waf-
fffen aus, darunter mehr als 100.000 Ra-en aus, darunter mehr als 100.000 Ra-
keten. So konnte die Hisbollah Baupro-
jekte und ein dichtes soziales Netzwerk
fffür Libanons Schiiten finanzieren, dieür Libanons Schiiten finanzieren, die
lange die Unterschicht im von ethni-
schen und religiösen Trennlinien ge-
zeichneten Land bildeten.
Im Gegenzug lieferte die Hisbollah
dem persischen, schiitischen Iran ein

Entree in die mehrheitlich sunnitische,
arabische Welt, indem sie die Ayatol-
lahs zu Verbündeten des heroischen
Widerstands im Kampf gegen Israel
und den amerikanischen Imperialis-
mus stilisierte und so ihre Einflussnah-
me legitimierte. Die Strategie schien
aufzugehen. Die Hisbollah ist die
mächtigste Miliz im Libanon, verfügt
über mehr Waffen als die libanesische
Armee und hat im Süden einen Staat im
Staate errichtet. Seit neun Monaten re-
giert sie im Rahmen einer breiten Ko-
alition mit. Das Bündnis mit ihrem

einstigen Erzrivalen Hariri verlieh der
Miliz, die von vielen westlichen Staa-
ten als Terrororganisation kategori-
siert wird, ein Maß an Legitimation.
All das wird nun infrage gestellt. Auf
Anweisung Teherans kämpften Tausen-
de Hisbollah-Milizionäre in Syriens
Bürgerkrieg mit. Hunderte fielen, Tau-
sende wurden verwundet. Die Versor-
gung der Hinterbliebenen und Kriegs-
versehrten erfordert enorme Summen,
just zu einer Zeit, in der harte US-Sank-
tionen den Iran in den Bankrott trei-
ben. Teheran hat deshalb die Zuwen-
dungen an die Hisbollah drastisch ge-
kürzt. Nun werden im Libanon Gehäl-
ter und Renten gestrichen, Dienstleis-
tungen eingestellt. Das Modell Hisbol-
lah droht an Syriens Bürgerkrieg zu
zerbrechen. Im Libanon wächst selbst
unter Schiiten der Unmut über die
Misswirtschaft der Widerstandsbewe-
gung, die lange als Vorkämpferin der
Armen und Unterdrückten galt. In Li-
banons Süden demonstrierten Schii-
ten, griffen gar Büros der Hisbollah an
und kritisierten Nasrallah.
Der will diese Anfeindungen nicht
mehr dulden. Zeigte er anfangs noch
VVVerständnis für die Demonstranten,erständnis für die Demonstranten,
änderte er inzwischen seine Rhetorik.

Die Proteste würden von „ausländi-
schen Staaten und Geheimdiensten“
organisiert, behauptete er vor kurzem.
Die Hisbollah-nahe Nachrichtenseite
„al-Manar“ bezeichnet die friedlichen
Demonstranten inzwischen als „Bandi-
ten“. Die Absicht ist klar: Die Protestler
sollen zu Verrätern abgestempelt und
so für vogelfrei erklärt werden. Nasral-
lah hat sein Arsenal bereits gegen den
libanesischen Staat eingesetzt. Im Jahr
2 008 brachten bewaffnete Milizionäre
binnen Stunden ganz Beirut in ihre Ge-
walt, um Hariris Versuch zu vereiteln,
Kommunikationsnetzwerke der His-
bollah zu verstaatlichen. Auch jetzt be-
gnügt Nasrallah sich nicht mit Worten.
Immer wieder entsandte er Anhänger,
um den Demonstranten gewaltsam ent-
gegenzutreten.
Bis Dienstag gelang es der Armee, das
zu verhindern. Doch kurz vor Hariris
Rede erschienen plötzlich Hunderte
schwarz gekleidete Hisbollah-Anhänger
in Beirut, skandierten bedrohlich
„Schiiten, Schiiten!“, und fielen schließ-
lich über friedliche Protestler her. Sie
steckten ihre Zelte in Brand und trieben
sie mit Knüppeln auseinander, bis die
Polizei die Zusammenstöße mit Tränen-
gas beendete.

RRRücktritt des Premiers löst Jubel und Gewalt im Libanon ausücktritt des Premiers löst Jubel und Gewalt im Libanon aus


Die Proteste zwingen Saad al-Hariri zum Abgang, den Demonstranten reicht das aber nicht. Die Gefahr von Unruhen steigt


Ein Demonstrant schwenkt auf dem
Märtyrerplatz die libanesische Flagge

DPA

/MARWAN NAAMANI

Die Anerkennung des Völkermords an
den Armeniern durch das US-Re-
präsentantenhaus hat zu neuen
Spannungen zwischen den USA und
der Türkei geführt. Der türkische
Präsident Recep Tayyip Erdogan rea-
gierte erbost und sagte in einer Rede
in Ankara, der Beschluss sei die „größ-
te Beleidigung unseres Volkes“. Der
Schritt habe keinen Wert und werde
von der Türkei nicht anerkannt. Die

Türkei bestellte zudem den US-Bot-
schafter David Satterfield ein. Auch
ein Treffen von Erdogan und US-Prä-
sident Donald Trump steht womöglich
auf der Kippe.
Das US-Repräsentantenhaus hatte
eine Resolution verabschiedet, in der
es heißt, die USA würden den Völker-
mord an den Armeniern anerkennen
und die Tötung von 1,5 Millionen Arme-
niern durch das Osmanische Reich

verurteilen. Demokraten und Republi-
kaner stimmten mit überwältigender
Mehrheit für den Beschluss – und das
in einer Zeit, in der sich die beiden
politischen Lager mit Blick auf das
mögliche Amtsenthebungsverfahren
gegen US-Präsident Trump eigentlich
unversöhnlicher denn je gegenüber-
stehen. Die Türkei als Nachfolgerin des
Osmanischen Reiches gesteht den Tod
von 300.000 bis 500.000 Armeniern

während des Ersten Weltkrieges ein
und bedauert die Massaker. Eine Ein-
stufung als Völkermord weist sie je-
doch strikt zurück. Erdogan sagte,
man wolle eine Vertreibung als Ge-
nozid darstellen, und betonte, im
islamischen Glauben sei ein Völker-
mord strikt verboten.Während des
Ersten Weltkrieges waren Armenier
unter anderem auf Todesmärsche in
die syrische Wüste geschickt worden.

Völkermord-Votum: USA erzürnen Erdogan


TTTürkische Polizisten ziehen Kurden von der Straße, die gegen den Militäreinsatz in Nordsyrien demonstrierenürkische Polizisten ziehen Kurden von der Straße, die gegen den Militäreinsatz in Nordsyrien demonstrieren


AFP

/YASIN AKGUL

Erdogans Offensive gegen die syrischen Kurden erhöht auch den Druck auf die Kurden in der Türkei.


Hunderte wurden bereits verhaftet – das hat auch ernsthafte Auswirkungen auf das Oppositionsbündnis


Das geteilte Leid


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