Süddeutsche Zeitung - 31.10.2019

(Chris Devlin) #1

Im späten Jura, hier vor152 MillionenJahren, hat sich Nordamerika bereits deutlich von Südamerika und
Afrika gelöst; auch Gondwana beginnt zu zerbrechen. Ein noch kleiner Atlantik bildet sich. Da sich zu der
Zeit keine Landmasse in der Nähe der Pole befindet, gab es wohl keine großen Inlandeisschilde, das
Klima war warm. Der Jura war eine erste Blütezeit der Dinosaurier, auch der auf der Fränkischen Alb
gefundene Urvogel Archaeopteryx stammt aus dieser Zeit.


Vor66 Millionen Jahrenstartete das Paläogen buchstäblich mit einem Knall: Der Einschlag eines riesigen
Meteoriten, womöglich gekoppelt mit vulkanischen Aktivitäten, führte zu einem Massenaussterben
unter anderem auch der Dinosaurier. Dieses Ereignis lässt sich bis heute an einer Iridium-Anomalie
nachweisen, der sogenannten K-P-Grenze. Die Kontinente hatten bereits weitgehend ihren heutigen
Platz, Nord-und Südamerika waren aber noch getrennt, Europa eine Inselwelt.

Zu Beginn des Erdzeitalters Jura – hier vor ungefähr195 Millionen Jahren– zerfällt Pangäa weiter: Laura-
sia (Nordamerika und Europa) spaltet sich wieder vom südlich gelegenen Gondwana ab. In Mitteleuropa
überflutet das von Norden kommende Meer nach und nach ganz Deutschland. Aus dieser Zeit stammen
die Ammoniten, die man heute noch findet, etwa auf der Schwäbischen Alb. Sie gelten als Leitfossilien
des Juras. Aus dem Unterjura stammt auch das Fossil des ersten Säugetieres, gefunden in China.

Geologen sprechen bereits von einem Eiszeitalter – früher gab es auch den Begriff Weltwinter –, wenn
mindestens ein Pol von einem Eisschild bedeckt ist. Demnach befindet sich die Erde seit 2,7 Millionen
Jahren in einer solchen Epoche. Die letzte Eiszeit im umgangssprachlichen Sinne erreichte ihr Maximum
vor21000 bis 18 000 Jahren. Damals waren 32 Prozent der Landfläche der Erde von zum Teil kilometer-
dicken Gletschern bedeckt, darunter ganz Nordeuropa.

Vor514 Millionen Jahrenim Spätkambrium dominierte der Großkontinent Gondwana den Süden der
Erdkugel, aus ihm entstanden später Afrika, Südamerika, Indien, Madagaskar, Australien, die Antarktis
und die Arabische Halbinsel. Während aus den ersten vier Milliarden Jahren der Erdgeschichte kaum
Fossilienfunde bekannt sind, explodierte im Kambrium das Leben: Vermutlich dank besserer Umwelt-
bedingungen im Meer, etwa mehr Sauerstoff, entstanden damals fast alle heutigen Tierstämme.


Vor306 Millionen Jahrenbefand sich die Erde im Karbon-Zeitalter, das seinen Namen aus gutem Grund
trägt: Damals entstanden aus vorübergehend reicher subtropischer Vegetation die Kohleflöze, die später
einmal die Grundlage der Industrialisierung werden sollten. Anfangs befand sich noch ein Meeresraum
zwischen Laurussia und Gondwana. Zum Ende des Karbon kollidierten jedoch die beiden Landmassen
und vereinigten sich zum Superkontinent Pangäa.


An der Grenze


Heutzutagesind dieKontinente hübsch verteilt über den Globus, getrennt von Ozeanen. Doch insbeson-
dere der Vergleich der Küstenlinien Südamerikas und Afrikas ließ Kartografen seit dem 17. Jahrhundert
vermuten, dass sie einst näher beieinanderlagen. Einige Autoren vermuteten, die biblische Sintflut hätte
die Kontinente auseinandergerissen. Erst nach 1960 setzte sich allgemein die Theorie der Kontinental-
drift durch, die zugleich eine Prognose macht: Die Kontinente werden sich weiter verschieben.


Keine500 Millionen Jahreist es her, da lag der Südpol in der Region des heutigen Algeriens. Im Lauf des
Ordoviziums genannten Erdzeitalters wanderte er dann langsam nach Westafrika. Neben Gondwana gab
es in der Zeit noch die drei kleineren Kontinente Laurentia, Baltica und Siberia, nach und nach brachen
weitere Klein- und Mikrokontinente von Gondwana ab. Sie alle aber liegen noch in dem gleichen, weltum-
spannenden Panthalassischen Ozean.

Zerfallsprozesse


Weltwinter


Auch in Zukunft werden sich die Kontinente bis zu zehn Zentimeter pro Jahr bewegen. Dank der moder-
nen Satellitenvermessung können Geologen begründete Prognosen machen. So wird sich zum Beispiel
Indien weiterhin unter den Himalaja schieben und womöglich unter Tibet verschwinden. In50 Millionen
Jahrenwird sich Niederkalifornien entlang des San-Andreas-Grabens vom Kontinent trennen, Nordameri-
ka und Grönland im Uhrzeigersinn drehen und nach Süden driften.

Etwa390 Millionen Jahrevor unserer Zeitrechnung, im frühen Devon, zeigten sich die Folgen einer
ungeheuren Kollision: Im vorangegangenen Silur waren die beiden Urkontinente Laurentia und Baltica
zusammengestoßen. Es entstand der Kontinent Laurussia, das sogenannte kaledonische Gebirge wuchs
in die Höhe. Und im Urozean wimmelte es von Fischen. Später im Devon beherrschte ihn ein räuberi-
scher, neun Meter langer Panzerfisch, der Dunkleosteus.

Im Erdzeitalter des Perm stieß auch noch Sibiria zu Pangäa hinzu, der Superkontinent Pangäa erreichte
mit 138 Quadratkilometern seine größte Ausdehnung, und der Ural faltete sich auf. Hier ist die Situation
vor255 Millionen Jahrenzu sehen. Im Gebiet des heutigen Sibiriens kommt es zu Vulkanausbrüchen, die
mehrere Hunderttausend Jahre dauern und letztlich das größte Massenaussterben der Erdgeschichte
verursachen. Und am Ende des Perm zeigt auch Pangäa erste Auflösungserscheinungen.

Alle Kontinente werden sich neu mischen: Unter anderem wird Afrika nach Norden vorstoßen und eine
neue Gebirgskette im Mittelmeer auffalten. Nord- und Südamerika werden sich trennen und dann Seite
an Seite neu positionieren. Grönland wird irgendwann südlich des heutigen Perus und die Antarktis
gemeinsam mit Mexiko am Äquator liegen. Und wenn die hier dargestellte Prognose stimmt, könnten
sich die Landmassen in250 Millionen Jahrenzu einem neuen Superkontinent vereinigt haben.

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Trennungsangst?Der mögliche Abschied Großbritanniens von Europa macht vielen Menschen


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18 ZEICHEN DER ZEIT Donnerstag/Freitag, 31. Oktober/1. November 2019, Nr. 252 DEFGH

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