Süddeutsche Zeitung - 31.10.2019

(Chris Devlin) #1
interview: lea hampel
und cornelius pollmer

E


in Altbau in Leipzig, unten neue
Büroräume, oben eine wahre
Bibliothek von Wohnung, in wei-
ßen Billy-Regalen stehen etwa
10000 Bücher. Aktuelle Litera-
tur, ältere aus allen Weltteilen, dazwi-
schen: der Verleger Michael Faber vom Ver-
lag Faber & Faber, runde Brille und graue
Locken. Faber hat den einst eingeschläfer-
ten Verlag der Familie gerade wiederbe-
lebt, mit Belletristik, Kulturgeschichte
und aufwendig Illustriertem.


SZ: Herr Faber, reden wir über Geld. Wie
irre ist es, in diesen Zeiten sein Geld in ei-
ne Verlagsgründung zu stecken?
Faber: Schon als ich den Verlag das erste
Mal gründete, Anfang der Neunziger, be-
kam ich lange kein Geld, weil die Geschäfts-
idee nicht plausibel war. Bei der zehnten
oder elften Bank, der Banker war verzwei-
felt, ich auch, fragte er nach meinen Sicher-
heiten. Ich sagte, die Bücher, die ich zu dru-
cken plante, und ihr Bestand im Lager seien
die Sicherheiten. Da meinte er: Ja, wenn das
Papier wenigstens nicht bedruckt wäre ...!
In seinen Augen entwertete ich einen beleih-
baren Gegenstand. Als Verleger tut man et-
was, was im normalen ökonomischen Pro-
zess scheinbar töricht ist – und gleichzeitig
zieht man daraus eine große Freude.
Wie ist es Ihnen gelungen, einen Verlag zu
gründen?
Es gibt immer Zufälle. Erst kam ein Inves-
tor, den ich zehn Wochen als Mandat bera-
ten hatte. In jener Zeit hatte ich mich wie-
der komplett infiziert mit der Branche.
Dann kam auf Empfehlung ein zweiter
Investor auf mich zu. Er hatte eine Menge
Geld und wusste nicht recht, was er damit
tun sollte. Da habe ich gesagt: Können Sie
mir geben, ich mache aus Ihrem großen
Vermögen ein kleines.(lacht)
Damit haben Sie gegründet?
Und mit meinem eigenen Geld. Ich arbeite
komplett ohne Bank.


Weil es ohnehin nicht gegangen wäre?
Ja. Es ist für die Hygiene sehr angenehm,
ohne Bank zu arbeiten. Ich kann mich an
strapaziöse Jahre mit regelmäßigem Re-
porting erinnern. Banken verstehen be-
stimmte Amplituden der Tätigkeit nicht,
wir sind diskontinuierlich im Tun, saison-
abhängig, für Banker schrecklich.
Sie haben mal gesagt, Angst sei ein Natur-
zustand des Menschen. Haben Sie keine
Angst, im Buchgeschäft zu scheitern?
Doch, habe ich. Aber weil wir Angst haben,
sind wir so beweglich. Jegliches Neuanfan-
gen ist die Überwindung eines Angst-
zustandes. Und die Angst als Verleger ist
mit hohem Glück verbunden. Du bringst
unentwegt etwas auf die Welt, das macht
die Angst vor dem Tod beherrschbarer. So
kann man die ökonomische Angst nach
hinten verfrachten, ich verrechne die Ängs-
te quasi. Das ist vielleicht nur ein Trick,
aber er funktioniert. Das heißt natürlich
nicht, dass man nicht scheitern kann.
Verdanken Sie diese Einstellung Ihrem El-
ternhaus?
Mein Vater kam aus einer armen Thürin-
ger Familie, Bauern, Glasbläser, Kräuter-
sammler. Er musste früh Geld mitverdie-
nen. In der DDR hat er über die Arbeiter-
und Bauernfakultät auf dem zweiten Bil-
dungsweg Germanistik studiert. Für mich
war er mehr als ein Vater. Auch ein genia-
ler Denker und ein schöner Charakter. Er
war ein Kosmopolit und reiste zu DDR-Zei-
ten für den Exportverlag Edition Leipzig
um die Welt. Erhalten habe ich von ihm die
Überzeugung, dass eine linke Weltan-
schauung die Welt womöglich besser
macht als eine rein ökonomistische. Er ist
bis zu seinem Tod Mitglied in der SED, spä-
ter PDS, dann Linke geblieben.
Hat er Sie zum Antikapitalisten erzogen?
Der war gar nicht so oft zu Hause, dass er
mich hätte erziehen können. Ich bin eher
von meiner Mutter oder Großmutter erzo-
gen wurden. Möglicherweise bin ich anti-


kapitalistisch in meiner Grundorientie-
rung. Mit meinem Vater aber hat das we-
nig zu tun.
Womit dann?
Meine Großmutter sagte immer: Ich hab
drei Mal in meinem Leben Geld verloren.
Sie meinte: die Kriegsanleihen im Ersten
Weltkrieg, die Inflation 1923 und die Wäh-
rungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg.
Daraus hat sie geschlussfolgert, dass es
wertlos ist, Geld zu horten, und daraus ei-
ne Verbrauchslogik abgeleitet, die heute
Neoliberalen gefallen würde. Ich hatte nie
Vermögen. Wenn ich mal Geld hatte, habe
ich es immer sofort in den Kauf von Bü-
chern und Kunst investiert. Bis heute bin
ich mittellos, aber unheimlich reich.
Haben Sie je existenzielle Not erlebt?
Ich hab viele Jahre gedarbt, aber wirkliche
materielle Not musste ich nicht erleben.
Wie definieren Sie darben?
Eine Woche Spaghetti ohne was drauf.
Aber Germanistik ist kein Fach, das ver-
spricht, das Darben schnell zu beenden.
Das war in der DDR anders als in West-
deutschland. Im gesamten Land wurden
im Jahr 50 Studenten immatrikuliert. Die
waren alle auskömmlich. Das ist eben das
Plansystem gewesen.
Trotz des Darbens haben Sie als junger
Mann Kunst gekauft. Deshalb Spaghetti
ohne Soße?
Beispielsweise. Man war nicht frei von
Leidenschaften.
Worauf würden Sie trotzdem verzichten?
Ich brauche sehr viel. Ich bin ein Verbrau-
cher. Viel Raum, viele Bücher, viel Kunst,
viel Kommunikation. Eigentlich prasse
ich. Alles, was ich tue, ist immer ein
bisschen drüber. Aber das ist ein Lebens-
stil, der mir unheimlich behagt. Ich denke
nicht über Einschränkungen nach, und die
Frage danach würde ich auch nicht beant-
worten wollen, wenn ein Unglück in Sicht-
weite wäre. Ich gehöre zu den Tänzern auf
derTitanic.
Das sind als Unternehmer schwierige
Voraussetzungen.

Ich trenne mein berufliches Tun sehr von
meinem privaten. Ich könnte den Verlag
nicht so führen, wie ich lebe. Ich muss da ei-
ne gesunde Schizophrenie praktizieren,
sonst würde ich zum Spieler.
Den ersten Verlag Anfang der Neunziger
haben Sie mit ihrem Vater geführt. Gab es
Differenzen?
Wir hatten nie einen Ehevertrag und ha-
ben nicht vom Ende her gedacht. Es gab na-
türlich Differenzen, das ist im Geschäft
normal. Aber der Konflikt ist nie aus dem
Verhältnis Vater/Sohn entstanden.
Sondern aus Fragen zu literarischer Quali-
tät oder Betriebswirtschaft?
Beides. Auch wirtschaftlich. Ich hatte eine
Neigung, über die Stränge zu schlagen.
Mein Vater hatte das präzisere ökonomi-
sche Verständnis.

Wie kam es überhaupt zur Gründung,
war das Postwende-Euphorie?
Der Verlag ist eine Gründung wider Wil-
len. Mein Vater hatte eine Presse in Leipzig
gekauft, im Rahmen der Treuhandverwal-
tung. Dann hat uns bei einer Ausstellung
zum 100. Geburtstag von El Lissitzky in
Berlin eine Maquette gefallen, ein Buch,
„Graf Tüpo“. Wir sagten sofort: Das ma-
chen wir. Bis dahin waren wir ein Verlag ge-
wesen, der abends im Schuhkarton unters
Canapé zu schieben ist.
Wie lief’s?

Wir hatten das Buch hochpreisig an-
gelegt, weil wir dachten, im besten Fall
1000 Stück verkaufen zu können – es
wurden 28000. Da wurden wir natürlich
mutiger.
Nach vielen guten Jahren wollten 2008 In-
vestoren einsteigen, das scheiterte an der
Finanzkrise. Als Sie danach in die Politik
wechselten, schwankte der Vater „zwi-
schen Liebesentzug und Stolz auf seinen
Sohn“, sagen Sie. Interessante Pole.
Er sagte immer wieder, er hätte den Ver-
lag gegründet, um mir eine Lebensper-
spektive zu geben. Das fand ich über-
griffig. Deshalb hat mein Ausscheiden
unser Verhältnis temporär eingetrübt.
Aber mein Vater war schnell auch stolz,
dass sein Sohn Kulturbürgermeister die-
ser Stadt Leipzig ist, die wir beide so schät-
zen. Bis dahin war es immer so gewesen:
Der Michael ist der Sohn vom Elmar. Spä-
ter hieß es: Der Elmar ist der Vater vom
Michael.
Als Bürgermeister standen Sie viel in der
Kritik. Ist der politische Betrieb fehler-
haft oder war das nicht Ihr Spielfeld?
Ich bin angesprochen worden, ob ich für
die Linke als Parteiloser diese Position an-
nehmen würde. Ich glaube, dass ich sehr
geeignet war – nur bin ich dann in eine
Reihe von Konfliktsituationen geraten,
mit dem Oberbürgermeister und mit kul-
turellen Wirtschaftsbetrieben. Die waren
es bis dahin gewohnt gewesen, dass ein
Kulturbürgermeister keine Bilanz lesen
konnte und keine Ahnung von Betrieben
hatte. Ich stellte bei zwei von diesen sofort
fest, dass ökonomischer Raubbau betrie-
ben wurde. Diesen einzudämmen, war
meine Aufsichtspflicht. Dieser Pflicht bin
ich nachgekommen, aber das hat mich
gleich in einen Konflikt mit dem OB ge-
bracht.
Sie wurden als „völlig inkompetent“ be-
zeichnet, auf dem Titel des Stadtmaga-
zins „Kreuzer“ waren Sie als Miley Cyrus
auf einer Abrissbirne zu sehen. Woran
sind Sie hauptsächlich gescheitert?

Nicht weil ich eitel bin – und ich bin eitel!
–, aber: Ich bin nicht gescheitert. Alle Etats
wurden in meiner Zeit gesteigert, die Kul-
turlandschaft hat sich verbessert. Mein
Verhältnis zum OB war nach meinem
Ausscheiden recht schnell ausgesöhnt, die
zwei Personen, die ich beanstandet hatte,
hat er später entlassen, es durfte nur nicht
so wirken, als hätte ich recht gehabt.
Was haben Sie in der Zeit als Bürgermeis-
ter über Geld gelernt?
Da habe ich eine Lernkurve mit vielen Aus-
schlägen. Im Kulturbetrieb ist der Verle-
ger ein komplett unsubventionierter Un-
ternehmer, der für das, was er produziert,
auch finanziell gerade zu stehen hat.
Und in der Oper, im Theater?
In Deutschland hatten wir bis zum Beginn
der Weimarer Republik ausschließlich pri-
vate Theater und Opernhäuser. Dann kam
man auf den Gedanken, dass bestimmte
Betriebe vom Zoo bis zum Theater unter-
nehmerisch keine Zukunft hätten. Dabei
hat es ja – wenn wir an Max Reinhardt
oder Bert Brecht denken – großartiges
Theater und Oper vorher schon gegeben.
Der Intendanz in der heutigen Zeit kann
es dagegen völlig egal sein, ob das Theater
voll ist oder halb voll – für sie ist entschei-
dend, dass sie viel Geld verdient. Und das
ist nicht gesund. Geld und Subvention
haben dazu geführt, dass eine Kulturform
derartig unterwandert wird, dass sie sich
zu einer häufig selbstreferenziellen, ei-
gentlich widersinnigen Form umgebildet
hat.
Gibt es diese riesigen Theatergagen?
Am schlechtesten verdient am Theater der
Schauspieler, also der, der das Theater
überhaupt möglich macht. Dann kommt
schon in einer gehobenen Klasse der Tech-
niker, und obendrauf der Regisseur. Kei-
ner kann mir erklären, was die Logik da-
hinter ist. Im Fußball verdienen der Trai-
ner und der Zeugwart doch auch nicht
mehr als die Spieler.
Sie sind mit 55 aus der Politik ausgeschie-
den, waren viel reisen und hörten schließ-
lich damit auf, weil das Geld knapp wur-
de. Ein Loch?
Sagen wir, ich habe im Lebensbuch geblät-
tert und bin nicht wirklich fündig gewor-
den. Aber dann passierten die genannten
Zufälle.
Und denen haben Sie vertraut.
Ich hatte nicht nur Vertrauen, ich hatte
auch Erfahrungswerte, eine gute Kunden-
datenbank, gute Vertreter. Und wir reden
hier von einer Viertelmillion Investition,
das ist kein Hasardeursstreich, das ist
normales Geschäft. Wir streben im ersten
Jahr 300000 Euro Umsatz an, im zweiten
und dritten Jahr wollen wir die halbe Milli-
on erreichen. Ich habe natürlich deutliche
Einschnitte an mir selber vorgenommen,
diese Bereitschaft muss jeder Unterneh-
mer haben.
Sie haben Ihren Bruder als Gesellschafter
hinzugezogen, einen Gynäkologen. Was
hat der gesagt, als Sie sein Geld und sei-
nen Namen wollten, sonst aber nichts?
Er hat mich regelrecht ermuntert, den Ver-
lag wieder zu gründen und damit die Zusa-
ge verbunden, sich finanziell zu engagie-
ren. Er ist Kapitaleinleger, jedoch ohne
Darlehensverpflichtung. Wir haben ein
sehr schönes Verhältnis.
Wie hat sich der Markt verändert?
Wir haben zum einen eine deutlich höhere
Konzentration an Marktteilnehmern als
früher, das ist auffällig. Das heißt nicht,
dass wir weniger Buchhandlungen haben,
aber wir haben weniger Betreiber und
damit auch restriktivere Einkaufspoliti-
ken. Bestimmten Verlagsgrößen gelingt es
nicht mehr, in große relevante Handlun-
gen wie Hugendubel oder Thalia reinzu-
kommen, wenn sie nicht medial beson-
ders auffällig werden. Da der Kunde das
nicht weiß, vermisst er es in der Regel
auch nicht.
Was ist mit den Kunden?
Wir haben augenblicklich in der rele-
vanten Zielgruppe der sieben- bis 25-Jähri-
gen 18 Prozent funktionale Analphabeten.
Wenn das anhält, haben wir bald Men-
schen, die an demokratischen Gesell-
schaftsprozessen nicht mehr teilnehmen
können. In den Buchhandlungen spiegelt
sich das wider, weil Leser und Kunden aus-
fallen. Ich muss das als Verleger wissen
und entscheiden: Gehe ich in den Massen-
markt oder werde ich elitär? Es wird in der
Zukunft sicher ein Verlegersterben geben,
wie es schon ein Buchhandlungssterben
gegeben hat.
Noch sind Sie Verleger. Verdienen Sie
denn mehr als im Amt als Bürgermeister?
Pekuniär liege ich deutlich drunter. Aber
ich habe jetzt deutlich mehr Lebenslohn.
So gesehen bin ich reich.

Die Angst als Verleger


ist mit hohem Glück


verbunden. Du bringst


unentwegt etwas


auf die Welt.“


Es wird in der Zukunft


sicher ein Verlegersterben


geben, wie es schon


ein Buchhandlungssterben


gegeben hat.“


München –Allzu ambitionierte Ziele ist
man aus der Fast-Fashion-Industrie ei-
gentlich nicht gewohnt. So möchte etwa
H&M zwar mehr nachhaltige Textilien ver-
wenden, strebt Klimaneutralität aber erst
bis 2040 an. Und der Inditex-Konzern, zu
dem unter anderem Zara und Bershka ge-
hören, will erst einmal sein Plastiktüten-
Problem in den Griff kriegen, bevor er
dann 2025 auf erneuerbare Energien um-
stellt – von Klimaneutralität ist zunächst
aber keine Rede bei den Spaniern. Umso er-
freulicher ist die Nachricht, die der Online-
händler Zalando am Mittwoch bekannt
gab: Das Berliner Unternehmen verpflich-
tet sich für sein eigenes Geschäft inklusive


Lieferungen und Retouren von sofort an
zur Klimaneutralität. Dazu gehören sämtli-
che Gebäude, die Zalando selbst betreibt,
Pakettransporte und Verpackungen.
Bereits im laufenden Jahr hat die Firma
ihre Stromversorgung eigenen Angaben
zufolge zu mehr als 90 Prozent auf erneu-
erbare Energien umgestellt. Alle weiteren
Emissionen, die sich durch einen Umstieg
auf etwa grünen Strom nicht vermeiden
ließen, will der Konzern von sofort an aus-
gleichen. Bei derartigen Kompensations-
modellen spenden Firmen, je nach Um-
fang ihrer Emissionen, einen bestimmten
Betrag an Umweltschutzorganisationen,
die das Geld wiederum investieren, um an-

derswo auf der Welt Wälder aufzuforsten,
effiziente Öfen zu fördern oder Blockheiz-
kraftwerke durch nachhaltigere Formen
der Energieerzeugung zu ersetzen. Bei den
meisten Anbietern müssen interessierte
Firmen zunächst ein Mindestmaß an Ei-
geninitiative nachweisen, bevor sie durch
die Kompensation der Restemissionen
das Siegel der Klimaneutralität erhalten.
Eine Möglichkeit dieses Nachweises ist et-
wa jene Umstellung auf erneuerbare Ener-
gien, die Zalando nun vorgenommen hat.
Auch das enorme Verpackungsaufkom-
men, das bei einem Onlinehändler mit
mehr als 28 Millionen Kunden zwangsläu-
fig entsteht, will der Konzern reduzieren:

Sämtliche Verpackungen sollen bis 2023
so gestaltet werden, dass sich Abfälle deut-
lich verringern und Materialien häufiger
wiederverwenden lassen. Bis 2023 will Za-
lando außerdem gänzlich auf die Verwen-
dung von Einwegplastik verzichten.
„Die gesamte Modebranche steht vor
großen Herausforderungen beim Thema
Nachhaltigkeit, und wir sind Teil des Pro-
blems“, bekennt Rubin Ritter, einer der
drei Co-Chefs von Zalando. Er sei aber
überzeugt, dass sich nachhaltiges Han-
deln lohne und für den Konzern sogar zu ei-
nem Wettbewerbsvorteil anderen Konkur-
renten gegenüber werden könne. Tatsäch-
lich ist die Umwelt nun schon der zweite

Bereich, in dem Zalando ab sofort alles an-
ders machen will. Erst vor zwei Wochen
hat der Konzern eine große Fraueninitiati-
ve ausgerufen – nachdem es in den elf Jah-
ren seit der Gründung keine einzige Frau
im Vorstand gegeben hatte. Bis 2023 hat
sich die Firma nun zum Ziel gesetzt, ein
ausgewogenes Verhältnis von Männern
und Frauen auf den sechs obersten Füh-
rungsebenen des Unternehmens errei-
chen, also auch in Aufsichtsrat und Vor-
stand. „Uns ist bewusst, dass es unseren
Führungsteams an Diversität fehlt“, sagte
Ritter Mitte Oktober. Das soll künftig bes-
ser werden – genau wie Zalandos Umwelt-
bilanz. vivien timmler

Nürnberg– DieZahl der Arbeitslosen in
Deutschland ist im Oktober auf rund
2,204 Millionen gesunken. Das waren
30000 Arbeitslose weniger als im Sep-
tember und nahezu genauso viel wie vor
einem Jahr, wie die Bundesagentur für Ar-
beit mitteilte. Die Arbeitslosenquote
sank um 0,1 Prozentpunkte auf 4,8 Pro-
zent. Vor einem Jahr war die Arbeitslosen-
quote erstmals seit der Wiedervereini-
gung unter die Fünf-Prozent-Marke ge-
sunken. Die Bundesagentur sprach da-
mals von einem Beschäftigungsrekord.
Im vergangenen Monat hatte die Herbst-
belebung die Zahl der Arbeitslosen auf
den niedrigsten September-Stand seit
der Wiedervereinigung sinken lassen.
Doch inzwischen gehen Experten von ei-
nem Ende des Aufwärtstrends aus. Das
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-
schung erwartet einen Anstieg der Ar-
beitslosenzahl in den nächsten Monaten.
Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist in
diesen Branchen im Oktober deutlich ge-
sunken. Volkswirte befürchten, dass die
Flaute in der Industrie auch auf andere
Wirtschaftszweige übergreift und der pri-
vate Konsum zunehmend lahmt. dpa

Zalando will klimaneutral werden


Der Onlinehändlerstellt nahezu komplett auf erneuerbare Energien um und verzichtet künftig auf Einwegplastik


„Trau keinem über 30“, das
warder Slogan einer Jugend-
bewegung, die gegen ihre au-
toritären Eltern aufbegehr-
te. Ein halbes Jahrhundert
später erlebt Italien nun sein umgekehr-
tes ’68: Es rebellieren die Senioren. Die al-
ten Patriarchen melden sich zurück und
lehnen sich gegen die bestehenden Ver-
hältnisse auf. Trotz ihrer Ungeduld füh-
ren sie zwar keine revolutionären Parolen
im Mund. Dafür hat man das Gefühl, man
hörte sie fröhlich trällern: Mit 84 Jahren,
da fängt das Leben an. Mit 84Jahren
kommt man erst in Schuss.
Als letzter überraschte Carlo De Bene-
detti, Gründer der Finanzholding CIR
und einst Berlusconis großer Gegenspie-
ler, die Finanzwelt mit einem furiosen
Comeback. De Benedetti wird am 14. No-
vember 85. Er hat es bereut, den Söhnen
sein Imperium geschenkt und ihnen die
Führung überlassen zu haben. Nun will
er die Beteiligung an der Mediengruppe
Gedi, zu der auch die TageszeitungenLa
RepubblicaundLa Stampagehören, für
38 Millionen Euro zurückkaufen. Seinen
Söhnen fehle es an Gespür fürs Zeitungs-
geschäft, an Leidenschaft und Kompe-
tenz, schimpft der Alte. Der Generatio-
nenkonflikt entflammte auch die Börse.
Zuvor drängten bereits andere Vor-
kriegskinder ins Scheinwerferlicht zu-
rück: Leonardo Del Vecchio, 84, Gründer
des Brillenkonzerns Luxottica, kehrte
2016 aus dem Ruhestand zurück und
zieht gerade die Mailänder Finanzwelt
mit seinem Angriff auf die Geschäfts-
bank Mediobanca in den Bann. Der Self-
made-Unternehmer hat seine Beteili-
gung auf 7,5 Prozent erhöht. Er setzt nun
Bankchef Alberto Nagel, 54, unter Druck.
Del Vecchio hat soeben Nutella-König
Giovanni Ferrero, 55, als reichster Italie-
ner in derForbes-Rangliste verdrängt.
Von sich reden macht auch Luciano Be-
netton, 84. Er war 2017 nach neun Jahren
zurückgekehrt, um seine Werk zu retten.
Vor wenigen Monaten trat der Modeun-
ternehmer als Model vor die Kamera. In
Jeans und rotem Pulli warb er in einer An-
zeige neben einer 18-Jährigen für seine
United Colors. Für Wirbel aber sorgt Be-
netton gerade, weil er ins Endlos-Drama
um die Pleite-Fluggesellschaft Alitalia
eingreift. Diskret im Hintergrund bewegt
sich Mediaset-Gründer Silvio Berlusconi,
83, der seinen Kindern im Börsen- und
Gerichtsduell mit Vivendi zur Seite steht.
Ohne das Oldie-Quartett wäre die Bör-
se ein langweiliger Ort, schreibt das Fi-
nanzblattIl Sole 24 Ore. 1968 waren sie
schon zu alt für die Barrikaden und Sit-
ins. Heute bekräftigen sie: Italien ist kein
Land für junge Leute. ulrike sauer

„Ich bin mittellos, aber unglaublich reich“


Michael Faber hat schon zum zweiten Mal ein Unternehmen in einer Branche gegründet, der er selbst den Abstieg voraussagt:
Der Verleger und ehemalige Leipziger Kulturbürgermeister übers Prassen ohne Geld und das schöne Leben ohne Bank

Zahl der Arbeitslosen


sinkt nochmals leicht


ANZEIGE

32 WIRTSCHAFT Donnerstag/Freitag, 31. Oktober/1. November 2019, Nr. 252 DEFGH


FOTO: WALTRAUD GRUBITZSCH/DPA

BEI UNS IN ROM


Trau keinem


unter 80


REDEN WIR ÜBER GELDMIT MICHAEL FABER


Infos & Buchung:
›› sz-wissensforum.de

Wissensforum


Vorträge, die Sie inspirieren werden.

T


echnik verändert sich in einer nie gekannten
Geschwindigkeit. Vom Modem zum Smart-
phone, vom „Bin ich schon drin?“ zu always
on, von der Floppy-Disk zu Big Data. Wir leben
in einer Zeit der permanenten Revolution in der
sich Trends, Märkte und Kundenbedürfnisse
ständig verändern. Nie war der Satz „Das haben
wir schon immer so gemacht.“ gefährlicher als
heute. Aber wie entstehen eigentlich Innova-
tionen? Und wer sind die Treiber, Akteure und
Opfer? Auf diese und viele weitere Fragen zur
Digitalisierung gibt Prof. Dr. A xel Jockwer kom-
petente Antworten.


  1. November 2019, 19.15 Uhr
    Prof. Dr. Axel Jockwer
    Berater, Manager,
    Unternehmer
    Digital, dynamisch,
    disruptiv – Digitalisierung
    verändert

Free download pdf