Das schönste Etikett für Wein aus Lanzaro-
te hatder Künstler César Manrique entwor-
fen. Die kleinformatige Grafik berücksich-
tigt alle lokalen Besonderheiten des Wein-
baus und fasst sie hübsch emblematisch
zusammen: eine rot glühende Sonne vor
einem rauchenden Vulkankegel, flankiert
von Palmen über einem schwarzen Balken
mit Halbkreisen und grünen Punkten.
Der Balken symbolisiert das vulkani-
sche Gestein, das Lanzarotes mondartig
karges Erscheinungsbild mit surrealen Hü-
gelformationen und wüstenartig weiten
Flächen prägt. Die Weinbauern pflanzen
ihre leuchtend grünen Reben hier in Kuh-
len, die sie in teils meterdicke Ascheschich-
ten graben, die tagsüber Wärme speichern
und nachts Feuchtigkeit aufnehmen. Dar-
um herum werden zum Schutz gegen den
permanent starken Wind halbkreisförmi-
ge Mäuerchen aus Lavasteinen errichtet.
Für Urlauber ist es ein unwirkliches
Erlebnis, durch das weite, schwarze Anbau-
gebiet La Geria im Zentrum der Insel zu
fahren und schließlich abzubiegen in die
Bodega El Grifo – das älteste Weingut des
Archipels, für das César Manrique sein
berühmtes Etikett gestaltet hat. Seit 1775
widmet sich der Familienbetrieb der Wein-
herstellung. Eine Ausstellung in histori-
schen Räumen dokumentiert die Tradition
mit allerhand Gerätschaften und Fotos. Un-
ter anderem das Verfahren, mit dem teils
bis heute hölzerne Weinfässer gereinigt
werden: indem man wilden Fenchel hinein-
gibt und mit kochendem Wasser aufgießt.
Anschließend lässt man sich im Schat-
ten mächtiger Lavastein-Mauern zur Wein-
probe nieder. Kosten kann man unter ande-
rem einen fruchtigen, gar nicht mal so
süßen Malvasía. Wer zufällig unter Un-
wohlsein leidet, bekommt aber auch gerne
einen Tee serviert: Fenchel, seit Jahrhun-
derten bewährt. jochen temsch
Alle spucken. Also spuckt man auch. Appe-
titlich ist das nicht, und den meisten Wei-
nen tut man Unrecht damit. Aber was
soll’s. Es gilt, einen ganzen Nachmittag
lang im bis zur Decke vollgestapelten Kel-
ler des Weinhandelshauses Döllerer mög-
lichst viel zu verkosten. Wer da jeden ange-
botenen Wein schluckt, hat schnell einen
Schlag. Und wer will schon lallen, bevor
abends das fünfgängige Menü im zugehöri-
gen Restaurant serviert wird, jeder Gang
abermals von drei Weinen begleitet?
50 Winzer sind nach Golling südlich von
Salzburg angereist, viele aus Österreich,
manche aber auch aus der Toskana und
dem Bordeaux, und sie zählen eher zur
Spitze ihrer Zunft, nicht zur Basis. Franz
Hirtzberger zum Beispiel, aus Spitz in der
Wachau, berühmt für seine Grünen Veltli-
ner und Rieslinge. Gerade eben hat man
den ersten Schluck seines „Honigvogls“,
der auf der Zunge seinem Namen alle Ehre
macht, in einen der kleinen schwarzen Kü-
bel gespuckt – und es sofort bereut. Noch
mehr nach einem Blick auf die Preisliste
im Katalog. Der Winzer schüttelt nur den
Kopf darüber: „Nein, den darf man eigent-
lich nicht ausspucken“, sagt er und wendet
sich einem Fernsehteam von Servus TV zu,
dem er erklärt, weshalb der Klimawandel
seinen säurebedürftigen Grünen Veltli-
nern nichts anhaben kann.
Das „Weinfest Heimspiel“, das die Wein-
händler- und Gastronomen-Familie Dölle-
rer veranstaltet, ragt heraus aus den vie-
len Verkostungen und Weinmessen, die
jetzt im Herbst, da die Winzer den Wein im
Keller haben, in den Städten stattfinden;
es geht hier darum, Gastronomen und
Sommeliers vor der Wintersaison noch
mal die Möglichkeit zu geben, ihre Keller
mit neuen Weinen aufzufrischen. Sie kos-
ten und schlürfen und spucken, machen
sich Notizen. Aber auch private Wein-Affi-
cionados können teilnehmen und haben
hier die Gelegenheit, auf kleinstem Raum
Winzern von Slowenien über Österreich
bis nach Spanien zu begegnen, für die sie
sonst durch halb Europa fahren müssten.
Alain Moueix etwa, ein grau melierter
Herr, den man rein äußerlich eher als Uni-
Professor einordnen würde. Er ist Direktor
und Weinmacher von zwei Weingütern im
Bordeaux, die er schon seit 15 Jahren nach
dem strengen biologisch-dynamischen
Prinzip bewirtschaftet. „Ja, das geht sehr
gut, trotz der hohen Feuchtigkeit vom At-
lantik“, sagt er nur, angesprochen auf den
hohen Spritzmitteleinsatz im Bordeaux.
„Es findet gerade ein Umdenken statt.“
Moueix saß bei der Podiumsdiskussion
zum Auftakt des Weinfests im Innenhof
der Burg Golling mit auf der Bühne. Es
ging um die Frage: biologisch oder konven-
tionell? Dabei wurde schnell klar, dass der
Biotrend im Weinbau immer stärker wird.
Sie gelten längst nicht mehr als Weine zwei-
ter Qualität, sondern als solche, die das Ter-
roir besonders gut zum Ausdruck bringen.
Abseits von solch fachlichen Feinheiten
ist der Tag vor allem eins: ein Fest für den
guten Geschmack, ob nun im Wein oder
beim Galadiner am Abend, durch den der
Seniorchef Herrmann Döllerer als Confé-
rencier mit ansteckender Begeisterung
führt. Jeder Winzer darf vor 180 Gästen
kurz was zu seinen Weinen sagen, was sich
bei drei Weinen pro Gericht natürlich sum-
miert. Die Gäste stört es über Saibling und
Tauernlamm nicht, im Gegenteil. Was man
bei der Verkostung am Nachmittag ver-
säumt hat, kann hier nachgeholt werden
und das Beste daran: Man darf endlich
schlucken. hans gasser
„Viel trinken! Schon vor dem Lauf!“, hat
der Sportarzt empfohlen, der mich vor
dem Marathonlauf auf körperliche Fitness
untersuchte. Viel Wasser, meinte er wohl,
nicht Alkohol. Beim „Marathon du Cahors
et de la Gastronomie“ in Südfrankreich
kommt man um Wein, Sekt und Schnaps al-
lerdings kaum herum. Die 42,2 Kilometer
lange Strecke führt von Prayssac entlang
des Flüsschens Lot durch eine Rotweinge-
gend, die für die Rebsorte Malbec bekannt
ist. Unterwegs schenken die Winzer ihre
besten Tropfen zum Verkosten aus. An den
Verpflegungsstationen kann man Trüffel,
Dörrobst, Pasteten, Käse probieren – und
den Flüssigkeitsverlust mit hochklassigen
Weinen ausgleichen (Wasser gibt es auch).
Der Rotwein des Weinguts Château la Cous-
tarelle etwa wird ausdrücklich vom Guide
Gault Millau gelobt, und selbst wenn man
das Schloss aus sportlichen Gründen links
liegen lassen wollte, könnte man es nicht
ignorieren – denn die Strecke führt direkt
durch den Weinkeller. Auf langen Holzti-
schen steht frisches Bauernbrot mit Leber-
pastete bereit, dazu gibt es den besten Rot-
wein des Châteaus. Die meisten greifen
fröhlich zu. Dieser Marathon ist eher ein ge-
selliger Volkslauf als eine sportliche Re-
kordjagd, viele Läufer sind verkleidet, et-
wa als Asterix und Obelix. Dementspre-
chend angeheitert torkeln sie ins Ziel. Die
Medaille hat die Form eines Weinglases,
und statt einer Urkunde bekomme ich eine
Flasche Rotwein. Ich kann die Tränen
nicht zurückhalten, vor Erschöpfung und
vor Rührung. Das ist okay, es ist ja schließ-
lich ein Wein-Marathon. titus arnu
Schon das Gebäude gibt sich redlich Mühe,
wie ein toskanisches Steinhaus auszuse-
hen. Noch besser gelingt die Anverwand-
lung im Inneren des Restaurants: karierte
Tischdecken, italienische Musik. Und weil
sich dieser „Olive Garden“ in St. George,
Utah befindet, ist alles sehr viel größer als
in Italien. Amerikaner sind es gewohnt, in
einem Steakhouse mindestens ein Pfund
Fleisch serviert zu bekommen, sie erwar-
ten auch entsprechend riesige Pasta-Porti-
onen. Der Käse wird erst am Tisch über die
Gerichte gerieben, es ist eine Zeremonie.
Die Laibe sind so groß, dass sie auf Servier-
wagen herangerollt werden.
Auch die Weine sind italienisch, natür-
lich. Die Kellnerin kennt sie alle, ist mit ei-
ner Empfehlung zur Hand. Und ist irritiert
über den Gast, der ihren Rat ausschlägt,
wie er überhaupt für italienische Weine
nicht zu gewinnen ist. Wenn er schon aus
Europa bis in den Westen der USA reise,
würde er gerne auch hiesige Weine trin-
ken. Italienische kenne er von zu Hause.
Die Kellnerin ist mit ihrem Latein am En-
de, braucht jetzt ihrerseits Rat. Kapituliert.
Statt ihrer tritt der Patron an den Tisch.
Er versichert sich des Wunsches, der seine
Miene aufhellt, entschuldigt sich kurz,
kehrt mit zwei Flaschen zurück, öffnet bei-
de. „Probieren Sie und wählen dann“, sagt
er und erzählt von den Weinen wie von
guten Freunden. Das Konzept des „Olive
Garden“ mag diese Begeisterung nicht vor-
sehen. Doch der Gast hat vermutlich den
besten Wein bekommen, den das Restau-
rant führt. Ein paar Flaschen sollten noch
da sein. Denn die meisten Gäste wählen
den Allerwelts-Chianti. Ist schließlich ihr
italienischer Abend. stefan fischer
Der Blick allein, unbezahlbar: Die Abend-
sonne legt sich weich und kühl über die
Felder, ein Bauer kehrt auf seinem Esel von
der Arbeit heim, im Hintergrund die Mem-
nonkolosse. Die Unterkunft, die diese Aus-
sicht bietet, liegt in Theben West auf der
Trennlinie zwischen Wüste und Frucht-
land, an einem so unwirklichen wie prakti-
schen Ort: Man ist schnell im Tal der Köni-
ginnen, noch schneller bei den Gräbern der
Noblen. Schon die ersten Ausgräber über-
nachteten hier. Und auch jetzt sitzt man
beim Abendessen im baumbestandenen In-
nenhof Tisch an Tisch mit Archäologen und
anderen Ägypten-Liebhabern. Und lässt
sich gern überreden zu einer Flasche „Jar-
din Du Nil“ – produziert in Ägypten.
Zur Pharaonenzeit war Weinbau im
Land selbstverständlich. Nicht nur im Grab
des Beamten Nacht kann man sehen, wie
Weinlese und Keltern damals vonstatten
gingen. Aber heute, ein Wein im muslimi-
schen Land, legal hergestellt? Kouroum of
the Nile heißt das Weingut. Ein aus dem Li-
banon zugewandertes Ehepaar produziert
den Wein in El Gouna, im Auftrag des Unter-
nehmers Samih Sawiris, der ihn hauptsäch-
lich, aber eben nicht nur, in seinen Hotels
ausschenken lässt. Sawiris wollte, so wird
er zitiert, endlich wieder „trinkbaren ägyp-
tischen Wein“ herstellen, Wüstenklima
und staatlichen Auflagen zum Trotz. Das ist
ihm gelungen. In Erinnerung bleibt trotz-
dem ein unguter Beigeschmack. Nirgends
in der Pension, fällt einem rasch auf, arbei-
ten Frauen. Er würde sie ja gern beschäfti-
gen, sagt der Chef. Es gebe so viele gut aus-
gebildete, verlässliche, allein: Die Familien
ließen sie nicht arbeiten in einem Betrieb
mit Alkoholausschank. Sollen etwa die
Nachbarn denken, die Tochter sei ehrlos?
Soll der Junge zurückstecken, wo die Jobs
doch eh rar sind? Die Traditionen, sie sind
hier so hartleibig wie die Datteln aus einer
Grabkammer. monika maier-albang
Asche zu
Flasche
Kunst am Weinbau auf der
Kanareninsel Lanzarote
Süffiges Österreich
50 Winzer an einem Tag – das braucht Übung
Langstreckensäufer
Beim Wein-Marathon in Südfrankreich
Patriotisch in Utah
Wie man den besten lokalen Wein bekommt
Trank der
Königinnen
Ägypten hat einen eigenen Wein.
Mit Beigeschmack
DEFGH Nr. 252, Donnerstag/Freitag, 31. Oktober/1. November 2019 41
REISE
ILLUSTRATION: ALPER ÖZER / FOTOS: IMAGO, UNSPLASH
ZUM WEIN
Kurios
im
Abgang
Guter Wein ist ein Grund zu reisen.
Und wer reist, entdeckt oft gute Weine.
Manchmal hat man dabei auch
denkwürdige Erlebnisse
Nirgends ist der Herbst so schön wie in einem Weinberg,
noch dazu, wenn man nach dem Spaziergang zur Verkostung
übergeht – ob in den Kellern des Bordeaux, auf Schlössern
in Sachsen oder beim Bauern in Tirol. Gute Reise!