Handelsblatt - 31.10.2019

(Michael S) #1

Airbus


Neue Vorsicht


in Toulouse


Die guten Zahlen werden von


der Zurückhaltung des neuen


Konzernchefs Guillaume Faury


überschattet, der erst einmal


die Fertigung sichern will.


Jens Koenen Frankfurt


E


s dauerte etwas, bis die Inves-
toren realisiert hatten, was
Guillaume Faury, seit rund
sechs Monaten der Chef des Luft-
und Raumfahrtkonzerns Airbus, da
gerade mit dem Konzern anstellt.
Trotz eines deutlich gestiegenen Um-
satzes und Ergebnisses konnte sich
die Airbus-Aktie am Mittwochvormit-
tag zunächst nicht dem allgemeinen
negativen Börsentrend entziehen.
Erst gegen Mittag drehte das Papier
mit fast zwei Prozent ins Plus.
Dabei war das, was Faury und sein
Finanzchef Dominik Asam am frühen
Morgen präsentiert hatten, eigentlich
schon auf den ersten Blick überzeu-
gend. Das bereinigte Ergebnis vor
Zinsen und Steuern (Ebit) stieg in
den ersten neun Monaten um 51 Pro-
zent auf 4,1 Milliarden Euro. Der Um-
satz legte um 14 Prozent auf 46,2 Mil-
liarden Euro zu. Auch im Rüstungsge-
schäft läuft es wieder deutlich besser:
Der Umsatz wuchs um neun Prozent
auf 7,7 Milliarden Euro.
Doch die Investoren schauten wohl
vor allem auf eine andere, zunächst

irritierende Botschaft des neuen Air-
bus-Chefs. Faury bremst die Ferti-
gung des Unternehmens ab. Er rückt
die Stabilisierung der Produktions -
abläufe in den Vordergrund. „Wir
konzentrieren uns auf den Ramp-up
des A320neo“, so Faury.
Andere Ziele werden zurückge-
stellt. Etwa die Zahl der Jets, die in
diesem Jahr wahrscheinlich ausgelie-
fert werden. Faury nennt 860 Flug-
zeuge als neue Vorgabe. Bisher lag sie
bei 880 bis 890 Jets. „Unser ange-
passter Ausblick reflektiert die Aktivi-
täten, um einen effizienteren Auslie-
ferungsstrom in den kommenden
Jahren zu sichern“, sagte Faury.
Branchenexperten begrüßen den
Strategieschwenk. In der Vergangen-
heit hatten Airbus und Boeing stets
mit aller Macht versucht, im vierten
Quartal die eigenen Vorgaben etwa
bei den Auslieferungen noch zu errei-
chen, auch wenn dies die Kosten
trieb. Für Bjorn Fehrm vom Informa-
tionsdienst Leeham News funktio-
niert das aber nicht auf Dauer: „Air-
bus kann nicht länger eine Drei-Quar-
tale-Firma sein.“

Zu viel vorgenommen


Tatsächlich ist die Kehrtwende zwin-
gend. Bei der Fertigung des beliebten
Kurz- und Mittelstreckenflugzeugs
A320neo klemmt es mächtig. Kurz
nach dem Anlaufen der Fertigung
gab es Probleme mit den Motoren.
Sie mussten häufig getauscht werden,
der Nachschub stockte. Deshalb
musste Airbus zwischenzeitlich zahl-
reiche unfertige Jets etwa auf dem
Parkplatz am Standort Hamburg zwi-
schenlagern.
Gleichzeitig musste die Produkti-
onsrate sukzessive hochgefahren
werden, um das gewaltige Orderbuch
abarbeiten zu können. Ende Septem-
ber hatte der Konzern Bestellungen
über 5 768 Flugzeuge der A320-Fami-
lie in den Büchern. 60 Stück baut Air-
bus aktuell pro Monat. Eigentlich
sollten daraus 75 Stück werden. Doch
nun soll die Fertigung langsamer
wachsen – auf zunächst 63 Maschi-
nen. Faury will vor allem eines errei-
chen: eine zuverlässige und nicht zu-
letzt für die Airlines planbare Auslie-
ferung.
Dahinter dürfte die Erkenntnis ste-
cken, dass man sich bisher schlicht
zu viel vorgenommen hatte. Zum ei-
nen sei es sehr schwierig, den Lie-
ferstau der Vergangenheit abzuarbei-

ten und gleichzeitig die Fertigungs -
rate zu erhöhen, argumentiert Faury.
Zudem ist die Modellpalette der
A320neo-Familie breiter geworden.
Airbus bietet nun auch eine für Lang-
strecken „gepimpte“ Version der
A321neo an. Dazu hat man ein neues
flexibles Kabinenkonzept entwickelt,
die sogenannte „Airbus Cabin
Flex“(ACF)-Version. „Das bedeutet
eine höhere Komplexität, die zu ma-
nagen eine Herausforderung ist“,
räumte der Airbus-Chef ein.
Um die Fertigung zukunftsfest und
verlässlicher zu machen, hat sich Fau-
ry zudem eine Modernisierung der
Produktion vorgenommen. Dabei
geht es um den Einsatz neuer digita-
ler Technologien und die Automati-
sierung in den Fertigungshallen. Beim
neuen Langstreckenjet A350 nutzt
Airbus bereits stark die 3D-Technolo-
gie. Die recht reibungslose Einfüh-
rung des Jets in den Markt wird bei
Airbus unter anderem mit dem Ein-
satz neuer Methoden erklärt. Die sol-
len nun überall angewendet werden.
Während im Werk Hamburg die Auto-
matisierung mit der neuen Ferti-
gungslinie bereits eingeleitet wurde,
gibt es im Stammwerk in Toulouse
noch Nachholbedarf.

All das kostet Zeit und Geld. Das
zeigt sich vor allem am freien Mittel-
zufluss (Free Cashflow). Er ist in den
ersten neun Monaten mit minus 5,
Milliarden Euro deutlich negativer als
im vergleichbaren Vorjahreszeitraum
(3,9 Milliarden Euro). Für das Gesamt-
jahr – das in der Regel von Buchungs-
effekten im starken letzten Quartal ge-
prägt ist – reduzierte Faury die Prog-
nose für den Free Cashflow von
bisher vier auf drei Milliarden Euro.
Angesichts dessen überrascht es,
dass es Airbus dennoch gelungen ist,
das Betriebsergebnis (Ebit) in den ers-
ten neun Monaten deutlich zu stei-
gern. „Wir haben gute Fortschritte ge-
macht beim Thema Profitabilität“, er-
klärte Finanzchef Asam. „Auch haben
wir einen besseren Produktmix mit
mehr hochwertigeren Jets.“
Zu den von den USA kürzlich ver-
hängten Strafsteuern auf Flugzeuge in
Höhe von zehn Prozent äußerte sich
Faury zurückhaltend. Per se müssten
solche Abgaben die Airlines bezahlen.
„Aber wir sind in Gesprächen mit den
Kunden, um eine pragmatische Lö-
sung zu finden.“ Im Übrigen hoffe er,
dass die EU und die USA den Streik
auf dem Verhandlungsweg beilegen
könnten.

Weniger Bestellungen
9-Monats-Zahlen von Airbus

Netto-Flugzeugbestellungen


2018 2019


HANDELSBLATT Quelle: Unternehmen

Umsatz Ebit


40,


256
127

2 683


46,2 +27,9 %


-50,4 %


3 431


in Mrd. Euro in Mio. Euro


Airbus A320: Große
Probleme in den Ferti-
gungsabläufen.

imago images/Pius Koller


Die


Komplexität


der


Produktion


der A320 ist


gestiegen.


Das ist eine


Herausfor -


derung.


Guillaume Faury
CEO Airbus

     


 


       




  

       
 
  
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DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019, NR. 210
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