Handelsblatt - 31.10.2019

(Michael S) #1

Yasmin Osman Frankfurt


D


rei Monate nach Beginn ihres umfas-
senden Umbaus hat die Deutsche
Bank erstmals offengelegt, wie sich
die neue Strategie von Vorstandschef
Christian Sewing in der Praxis aus-
wirkt. Dass das größte deutsche Kreditinstitut auch
im dritten Quartal erneut tief in die roten Zahlen
rutschte, dürfte angesichts der andauernden Um-
bauarbeiten niemanden überrascht haben. Unter
dem Strich schrieb die Bank 942 Millionen Euro
Verlust nach Steuern. Frühestens im Jahr 2020
hofft das Institut wieder auf ein ausgeglichenes Er-
gebnis oder sogar einen leichten Gewinn.
Doch wie herausfordernd dieses Ziel ist, zeigen
die Details aus den Zahlen: Die Niedrig- und Nega-
tivzinsen bereiten der Privatkundensparte wach-
sende Probleme: Die Erträge schrumpften um drei
Prozent – im Heimatmarkt fiel der Rückgang mit
fünf Prozent sogar noch pointierter aus. Im Ge-
schäft mit Unternehmenskunden leiden die Erlöse
unter den höheren Kosten für faule Kredite, Ten-
denz steigend. Und im Investmentbanking brems-
ten unter anderem die niedrige Volatilität am Devi-
senmarkt sowie Turbulenzen in den Schwellenlän-
dern das Handelsgeschäft aus.
In ihren Kernbereichen – dem Unternehmens-
kundengeschäft, dem Privatkundengeschäft, dem
Investmentbanking und der Vermögensverwaltung


  • ist die Deutsche Bank im dritten Quartal zwar
    trotz einiger Belastungen aus dem Umbau in den
    schwarzen Zahlen geblieben. Doch auch die Kern-
    bank litt unter sinkenden Erträgen und sinkenden
    Gewinnen, selbst wenn man Sondereffekte und
    Umbaukosten herausfiltert. Vor Steuern verdiente
    die Kernbank gerade einmal 353 Millionen Euro.
    Die Extralasten durch den Umbau beziffert die
    Bank mit 315 Millionen Euro. Doch an das Vorjah-
    resniveau von 819 Millionen Euro reichte das im-
    mer noch nicht heran. Auch der Milliardenverlust
    der Abbausparte fiel für einige Analysten größer als
    erwartet aus.
    Mit Argusaugen beobachten Analysten daher, ob
    und in welchem Ausmaß die Bank ihre Ertragsziele
    für das Jahr 2022 relativiert. „Zum jetzigen Zeit-
    punkt bleiben unsere Ertragsbestrebungen sowie
    die Ziele für die Eigenkapitalrendite nach Steuern
    für das Jahr 2022 unverändert“, schreibt das Insti-
    tut in seinem Quartalsbericht.


Bank ergreift Gegenmaßnahmen


Aus der Einschränkung „zum jetzigen Zeitpunkt“
schlussfolgern die Analysten von Barclays, dass der
Druck auf die Gesamterträge groß sein muss. Die
Experten der Landesbank Baden-Württemberg
werden noch deutlicher: „Die Wachstumspläne
scheinen uns vor dem Hintergrund einer sich ab-
schwächenden Weltkonjunktur und anderer geo-
politischer Risiken zu ambitioniert“, schreiben sie
in einer Analyse.
Kampflos will der Vorstand der Bank aber nicht
aufgeben. Im Quartalsbericht ist von „einer Reihe
flankierender Maßnahmen wie Preisanpassungen
für Einlagen, der Einführung von Kontoführungs-
gebühren und dem Einsatz überschüssiger Liquidi-
tät“ die Rede, um den negativen Auswirkungen
entgegenzuwirken. Die Bank prüft die Einführung
von Negativzinsen für Firmenkunden und für rei-
che Privatkunden. Man habe den Einlagenbestand
daraufhin untersucht, wo man Negativzinsen ein-
führen könne, sagte Finanzvorstand James von
Moltke vor Analysten.
Das Resultat: Etwa ein Fünftel der Einlagen im
Privatkundengeschäft erscheinen dem Manager
prinzipiell geeignet für so einen Schritt. Davon
dürften vor allem einige sehr reiche Privatkunden
betroffen sein. In der Breite des Privatkundenge-
schäfts hält die Bank Minuszinsen für juristisch
schwer durchsetzbar. „Wir sehen die Möglichkeit,
individuell Kunden anzusprechen, die sehr große
Einlagen haben“, erläuterte von Moltke. Ihm
schwebt vor, für diese Klientel ein System mit Frei-
beträgen einzuführen, wie das bereits bei Firmen-
kunden angewandt wird.
Dass solche Pläne dazu führen könnten, dass
Kunden Einlagen von der Bank abziehen, nimmt

Kaum


Lichtblicke


Die Deutsche Bank kämpft mit dem Konzernumbau. Selbst im


Kerngeschäft bröckeln die Erträge. Das Institut hält zwar an


seinen Zielen fest, muss wegen des raueren Umfelds aber stärker


gegensteuern – auch mit Negativzinsen für die Kunden.


Christian Sewing:
„Natürlich ist dieses
Quartals ergebnis nur ein
erster Zwischenstand.
Aber es macht Mut.“

Bloomberg

Finanzen


& Börsen


DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019, NR. 210


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