Handelsblatt - 31.10.2019

(Michael S) #1

der Finanzchef in Kauf. Doch mit einer breiten


Fluchtbewegung rechnet er nicht. „Wir sehen eine


Änderung der Wahrnehmung, gerade in Deutsch-


land. Das Marktumfeld akzeptiert, dass Banken ih-


re Kunden nicht länger gegen die Negativzinsen


der Europäischen Zentralbank abschirmen kön-


nen“, so von Moltke. Er geht davon aus, dass neben


der Deutschen Bank auch andere Kreditinstitute zu


solchen Mitteln greifen werden.


Höhere Gebühren und Negativzinsen für Privat-


und Firmenkunden sind nicht der einzige Hebel,


an dem die Bank schraubt, um ihre Ziele zu retten.


Auch im Anleihehandel hat das Institut Finanzkrei-


sen zufolge nachjustiert. Dass die Erträge der In-


vestmentbank ausgerechnet in der Paradedisziplin


Anleihe- und Devisenhandel um 13 Prozent gesun-


ken sind, hat viele Finanzprofis überrascht, weil


viele Wettbewerber in diesen Segmenten über Zu-


wächse berichtet hatten. „Wir haben da restruktu-


riert, und seit September läuft es nun im Anleihe-


handel besser“, sagte ein hochrangiger Manager


dem Handelsblatt.


Nach innen gibt sich die Bank betont kämpfe-


risch. „Natürlich ist dieses Quartalsergebnis nur ein


erster Zwischenstand. Aber es macht Mut“, schrieb


Vorstandschef Sewing an die Mitarbeiter. „Trotz ei-


ner schwierigen geopolitischen und gesamtwirt-


schaftlichen Großwetterlage haben wir unsere Po-


sition in wichtigen Geschäftsfeldern gefestigt.“


Misstrauensvotum am Aktienmarkt


Doch diese Interpretation ist für den Geschmack


vieler Investoren und Analysten zu optimistisch.


Der Aktienkurs der Deutschen Bank rutschte um


mehr als sieben Prozent ins Minus und bildete da-


mit das Schlusslicht im deutschen Leitindex Dax.


Europäische Bankaktien standen am Mittwoch


zwar generell unter Druck, doch die Kursverluste


der Deutsche-Bank-Aktien fielen überdurchschnitt-


lich hoch aus.


Vor allem die Kritik an der Privatkundensparte


war einhellig. Der Bereich habe „wesentlich ent-


täuscht mit niedrigeren Erträgen und höheren Kos-


ten“, schreibt der JP-Morgan-Analyst Kian Abou-


hossein. Die Sparte leidet vor allem unter den nied-


rigen Zinsen. Im Vorjahr hatten Extraerträge aus


dem Verkauf von Immobilien dieses Problem noch


besser kaschiert. Mit dem Kostenabbau kommt das


Institut in der Privatkundensparte ebenfalls nur im


Schneckentempo voran. Die Bank begründet das


allerdings auch mit höheren Investitionen in Ge-


schäftsfeldern wie dem Wealthmanagement.


Zunehmend unter Druck gerät auch die Fonds-
tochter DWS. Mit Milliardenabflüssen hat der Ver-
mögensverwalter zwar nicht mehr zu kämpfen, im
Gegenteil: Im dritten Quartal flossen der DWS un-
ter dem Strich neue Kundengelder in Höhe von 6,2
Milliarden Euro zu. „Mit fortgesetzten Nettomittel-
zuflüssen in drei Quartalen in Folge haben wir die
Trendwende geschafft“, meint Vorstandschef Aso-
ka Wöhrmann. Doch in den Gewinnzahlen schlug
sich das nicht nieder.
Das lag unter anderem daran, dass im Vorjahr
ein Sondereffekt das Ergebnis nach oben getrieben
hatte. Außerdem geraten die erzielbaren Margen
für Managementgebühren zunehmend unter
Druck. Im dritten Quartal erreichte die DWS nur
noch eine Marge von 0,29 Prozentpunkten. Wöhr-
manns Vorgänger Nicolas Moreau hatte zum Bör-
sengang noch versprochen, die Marge bei mindes-
tens 0,3 Prozentpunkten zu halten.

Stabile Kernkapitalquote


Nach wie vor ist das Asset-Management aber die
profitabelste Sparte des Konzerns. Erst an zweiter
Stelle folgt die Unternehmerbank, in der das Insti-
tut Aktivitäten wie den Zahlungsverkehr, die Han-
delsfinanzierung und das Firmenkundengeschäft
bündelt. Nach einem kleinen Schwächeanfall im
zweiten Quartal stiegen die Erträge zwischen Juli
und September in dem Segment wieder. Das Insti-
tut will weitere Wachstumsinitiativen, etwa im Fir-
menkundengeschäft in Asien anstoßen, heißt es in
Finanzkreisen. Dieses Wachstum dürfte die Sparte
noch dringend benötigen, denn allmählich steigt
angesichts der lahmenden Konjunktur dort auch
die Risikovorsorge, also die Kosten für ausfallende
Kredite.
Für Unruhe sorgte am Mittwoch der hohe Ver-
lust der Abbausparte von einer Milliarde Euro. In
der Capital Release Unit (CRU) hat die Bank all die
Aktivitäten gebündelt, die sie nicht mehr fortfüh-
ren will, etwa den Aktienhandel.
Die Verluste überdecken die Fortschritte, die die
CRU gemacht hat: Das Volumen der Risikoaktiva ist
seit Ende 2018 um ein Drittel auf 56 Milliarden
Euro gesunken. Risikoaktiva binden Eigenkapital.
Und der Risikoabbau der CRU verbrauchte weniger
Eigenkapital als befürchtet. Das lässt sich an der
harten Kernkapitalquote der Bank ablesen, die bei
13,4 Prozent lag und damit besser ausfiel, als die
meisten Analysten erwartet hatten.


Kommentar Seite 22



Alexandra Annecke


„Es gibt Punkte, die


ernüchternd sind“


Trotz der heftigen Verluste an der Börse sieht Alexandra
Annecke neben vielen Risiken auch einige Hoff-
nungsschimmer in den Quartalszahlen der
Deutschen Bank. Die Expertin erklärt, wo sie
Schwachpunkte sieht und warum sie Nach-
justierungen in der Strategie für eine Opti-
on hält.

Frau Annecke, die Aktienmärkte haben
schnell und mitleidlos auf die Quartalszah-
len der Deutschen Bank reagiert. Aus Ihrer
Sicht zu Recht?
Fairerweise muss man sagen, dass Bankaktien am Mitt-
woch generell unter Abgabedruck standen. Die Märkte
waren da einfach insgesamt sehr kritisch. Die Aktien der
Deutschen Bank haben aber mehr verloren als der
Durchschnitt, das ist schon richtig.

Man hat der Deutschen Bank lange vorgeworfen, kein
tragfähiges Geschäftsmodell zu haben. Hat sich das
durch die neue Strategie geändert?
In einem normaleren Zinsumfeld und bei einer geringe-
ren Wettbewerbsintensität würde ich diese Frage ganz
klar mit Ja beantworten. Aber die Rahmenbedingungen
werden weiter schwierig bleiben. Insofern sind Nachjus-
tierungen nicht ausgeschlossen.

Selbst die Erträge der Kernbank sind in vielen Unter-
sparten geschrumpft. Beunruhigt Sie das?
Dass die Quartalszahlen äußerst durchwachsen ausfallen
würden, war zu erwarten. Die Bank befindet sich im
Umbau, die Bilanz wird verkleinert, gleichzeitig inves-
tiert das Institut auch in Wachstum, IT und Kontrollpro-
zesse. Unter dem Strich gibt es Punkte, die mehr Mut
machen – das gilt etwa für das gute Abschneiden der Un-
ternehmensbank. Und es gibt Punkte, die ernüchternd
sind. Das gilt etwa für die Investmentbank. Die Bank hat
im Anleihe- und Devisenhandel im zweistelligen Pro-
zentbereich verloren, während viele ihrer Wettbewerber
die Einnahmen sogar steigerten.

Ist die Investmentbank also die größte Baustelle?
Ja. Die große Frage lautet, ob die Bank hier weiter Kun-
dengeschäft verliert beziehungsweise wann sie diese
Verluste stoppen kann. Aber auch das Privatkundenge-
schäft bleibt anspruchsvoll. Hier gilt es, die Postbank-In-
tegration zu stemmen. Zudem belastet das Zinsumfeld
stark – und das wachsende Kreditgeschäft kann das
nicht kompensieren.

Die Bank will bei Firmenkunden und reichen Privat-
kunden Negativzinsen erheben. Würde das helfen?
Das könnte sicher einen Teil des Ertragsdrucks kompen-
sieren, wobei man das gut steuern muss, weil Kunden
ihre Einlagen dann auch abziehen könnten. Die Bank
denkt aber nicht als einzige über solche Schritte nach.

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die Bank ihre
Zielvorgaben mit Blick auf Erträge und Profitabilität er-
reichen wird?
Die Ziele waren von Anfang an anspruchsvoll. Und wie
ungünstig sich das Zinsumfeld dann noch entwickeln
würde, war damals nicht absehbar. Es ist deutlich
schwerer geworden, die Ziele zu erreichen. Die Transfor-
mation ist nicht einfach, gerade angesichts des Umfelds.
Und die Fehlertoleranz ist angesichts der Eigenkapital-
quote der Bank gering. Beim Abbau von Risiken und
Kosten ist die Bank auf Kurs. Aber was die Ertragsent-
wicklung angeht, ist der aktuelle Eindruck ernüchternd.

Die Fragen stellte Yasmin Osman.


Die Fondsmanagerin von Union Investment hält


die Ziele der Deutschen Bank für anspruchsvoll.


Union Investment

Steiniger Weg zum Ziel
Erträge

Bislang sind wenig Stellen verschwunden Abbau der Altlasten schreitet voran


Zahl der Mitarbeiter


Vergleich 3. Q. 2019 zum 3. Q. 2018


+6 % 8 %


1,9 %


0 ,2 %


16,9 %


-7,3 %


+3 % > 15 %


+2 % > 12 %


+2 %


±0 % > 6 %



20 %



+2 % > 8 %


-3 %


-5 %


-4 %


-4 %


Zielwachstum (2018–2022 pro Jahr)



  1. Quartal 2019
    Ziel*


Rendite auf das materielle Eigenkapital


HANDELSBLATT *2022 • Quelle: Unternehmen


Kernbank Konzern


Asset
Management

Investment-
bank

Privatkunden-
bank

Unternehmer-
bank

2018 Sept. ’19 Ziel 2018 Sept. ’19 Ziel 2018 Sept. ’19Ziel*


91 737 89 958


74 000


72 281 177


9
56 34

Gesamtverschuldung
(Leverage)
in Mrd. Euro

Risikogewichtete Aktiva
in Mrd. Euro

Finanzen & Börsen


DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019, NR. 210


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