Handelsblatt - 31.10.2019

(Michael S) #1

  1. Q. 2018


Klagewelle belastet Bayer


Glyphosat-Klagen gegen Bayer
in den USA


Kennzahlen in Mrd. Euro Kennzahlen nach Segmenten in Mrd. Euro


Umsatz


Umsatz Ebitda vor
Sondereinflüssen

Nettoergebnis


11 200
8 700 9 300

42 700


13 400


18 400


HANDELSBLATT


2 7.8.
2018

30.10.


9,


+6,1 % +7,5 % -63,9 %


9,
2,

2,29 2,


1,


28.1.
2019

11.4. 11.6. 11.10.



  1. Q. 2018 4,16 1,30 3,


0,


0,0 9



  • 0,


-0,


1,55 0,25 0,


1,53 0 ,26 0,



  1. Q. 2019 4,50 1,29 3,


Ebitda vor Sondereinflüssen



  1. Q. 2018

  2. Q. 2019


Quelle: Unternehmen


  1. Q. 2019 Pharma (Rezept) Pharma (Rezeptfrei)
    Pflanzenschutz Sonstiges


Bayers Gesundheitssparten


Pharmageschäft hält Kurs


W


ährend die Prozessrisiken in der Agro -
sparte derzeit alles überschatten, er-
weist sich das Gesundheitsgeschäft
von Bayer weiter als stabiler Pfeiler für den Le-
verkusener Konzern. Das gilt insbesondere für
die Pharmasparte, die das Geschäft mit ver-
schreibungspflichtigen Medikamenten umfasst
und sich inzwischen seit mehr als zehn Jahren im
Aufschwung befindet.
Im dritten Quartal setzte sich die positive Per-
formance der Pharmasparte mit einer Umsatzstei-
gerung um währungsbereinigt knapp sechs Pro-
zent auf 4,5 Milliarden Euro fort. Das um
Sondereinflüsse bereinigte Ergebnis
vor Zinsen und Steuern (Ebit) sank
zwar um ein Prozent auf 1,3 Mil-
liarden Euro. Doch lag das laut
Bayer vor allem daran, dass
man im Vorjahr noch einen
positiven Ergebniseffekt von
190 Millionen Euro aus der
Kooperation mit dem US-
Vertriebspartner Johnson &
Johnson verbuchte, der sich
2019 nicht wiederholte.
Ähnlich wie bei etlichen Kon-
kurrenten hat sich auch bei Bayer
das Pharmawachstum im dritten
Quartal insgesamt beschleunigt. Maßgebli-
cher Treiber war zum einen das generell starke
Chinageschäft. Zum anderen sorgen die beiden
Spitzenprodukte Xarelto (mit einem Umsatzplus
von währungsbereinigt 9,1 Prozent) und Eylea
(plus 15,9 Prozent) weiter für Auftrieb.
Für die ersten neun Monate insgesamt errech-
nen sich damit für die Bayer-Pharmasparte eine
Umsatzsteigerung um währungsbereinigt fünf
Prozent auf 13,3 Milliarden Euro und ein Anstieg
des Ebits um vier Prozent auf 3,7 Milliarden Euro.
Das Arzneimittelgeschäft liefert damit rund dop-
pelt so viel Ertrag wie die um Monsanto erweiter-
te Agrosparte.
Trotz der soliden Entwicklung dürfte Bayer je-
doch mit dem Branchentrend insgesamt nicht
ganz mithalten. Darauf jedenfalls deuten die zum
Teil noch deutlich stärkeren Wachstumsraten et-
licher Big-Pharma-Konzerne, die bisher Zahlen
für das dritte Quartal vorlegten. Die beiden
Schweizer Konkurrenten Roche und Novartis et-
wa meldeten für das dritte Quartal Wachstums -
raten von mehr als zehn Prozent. Die britische
Astra-Zeneca und der US-Konzern Merck & Co.
legten sogar um 16 Prozent zu.
Zudem scheint es für Bayer zusehends schwie-
riger zu werden, die Umsatzsteigerungen in wei-
tere Gewinnverbesserungen zu übersetzen. Die
Ebitda-Marge sank in den ersten neun Monaten
von 34,8 auf 34,2 Prozent. Neben dem Einmal -
effekt aus der Allianz mit Johnson & Johnson tru-
gen dazu offenbar steigende Vertriebskosten
maßgeblich bei.

Eine Herausforderung bleibt für den Konzern
zudem die längerfristige Absicherung des Phar-
mageschäfts. Zwar verbuchte Bayer hier mit den
Zulassungen für die neuen Krebsmittel Nubeqa
(gegen Prostatakrebs) und Vitrakvi (gegen Tumo-
re mit bestimmten genetischen Mutationen) in
den letzten Monaten zwei wichtige Erfolge. Alles
in allem fällt die F&E-Bilanz aus Sicht vieler Ana-
lysten aber nur durchwachsen aus. Sie sehen da-
her für Bayer weiter Bedarf, die Pipeline zu er-
weitern. In wichtigen Therapiebereichen wie Mul-
tiple Sklerose und Hämophilie (Bluterkrankheit),
die früher deutlich zum Umsatz der
Sparte beitrugen, ist Bayer inzwi-
schen weit hinter die Konkurrenz
zurückgefallen. Eine neue Fa-
brik für Blutermedikamente
musste der Konzern mangels
Umsatzperspektiven im ver-
gangenen Jahr komplett ab-
schreiben. Die Arbeiten an
einem weiteren neuen Hä-
mophilie-Medikament stellte
er im dritten Quartal ein.
Ungeachtet der möglichen
Lücken in der Pipeline dürfte
die Pharmasparte ihren Wachs-
tumskurs vorerst jedoch beibehalten.
Für das Gesamtjahr 2019 stellt Bayer vier
Prozent Umsatzwachstum in Aussicht. Die Pa-
tentabläufe bei Eylea und Xarelto dürften das Ge-
schäft nach Einschätzung des Konzerns zudem
nur moderat bremsen. Denn mit beiden Produk-
ten ist Bayer auf dem US-Markt gar nicht oder
nur indirekt vertreten.
Weitaus schwächer als die Pharmasparte prä-
sentiert sich unterdessen der Bereich Consumer
Health, in dem Bayer das Geschäft mit rezeptfrei-
en Gesundheitsprodukten wie Aspirin oder der
Wundsalbe Bepanthen gebündelt hat. Bayer
kämpfte hier zuletzt mit wachsender Konkurrenz
auf dem US-Markt und erheblichen Schwächen
bei einzelnen Marken, die man mit der Akquisiti-
on der Consumer-Sparte von Merck & Co. vor
fünf Jahren erworben hatte.
Inzwischen mehren sich jedoch die Zeichen,
dass nach umfangreicher Restrukturierung und
dem Verkauf der Problemmarken Dr. Scholl’s
und Coppertone die Talsohle in dem Segment
durchschritten ist. Im dritten Quartal legte der
Umsatz nach Angaben von Bayer währungsberei-
nigt um 3,7 Prozent zu. Das bereinigte Ebit ver-
besserte sich um knapp ein Zehntel auf 168 Mil-
lionen Euro.
Auch für die ersten neun Monate kann Bayer
im Consumer-Bereich damit – nach drei Jahren
mit rückläufigen Erträgen – erstmals wieder ein
leichtes Ertragsplus auf 532 Millionen Euro aus-
weisen. Mit nur rund 13 Prozent liegt die Ebit-
Marge gegenüber dem früheren Niveau jedoch
noch deutlich zurück. Siegfried Hofmann

Die Vergleichsgespräche laufen in New York hin-


ter verschlossenen Türen. Nach außen aber lassen


beide Parteien nach Möglichkeit ihre Muskeln spie-


len. Die Klägeranwälte tun dies mit dem Einwerben


weiterer Klagen. Nach Angaben von Bayer haben


sie allein im dritten Quartal rund 50 Millionen Dol-


lar in TV-Spots gesteckt. „Je mehr Zeit vergeht, um-


so mehr Lymphdrüsenkrebs-Diagnosen gibt es und


umso mehr Menschen werden sich melden. Das ist


doch ganz logisch“, kommentiert Emmet Alexan-


der von der Alexander Law Group.


Aber auch Bayer hat noch Trümpfe in der Hand.


Die Mediation verschafft dem Konzern etwas Zeit


und Ruhe, weil alle zuletzt angesetzten Prozesse


verschoben wurden. Bayer muss sich damit vorerst


nicht der Gefahr aussetzen, öffentlich angepran-


gert und von Laienjurys verurteilt zu werden. Für


die Leverkusener sind die derzeit laufenden Beru-


fungsverfahren der ersten drei Prozesse extrem


wichtig. Fernab der Öffentlichkeit werden von pro-


fessionellen Richtern die bisherigen Urteile über-


prüft. Kommen sie zu einer Bayer-freundlicheren


Entscheidung, wäre die Position des Konzerns


auch gegenüber den Klägern schlagartig gestärkt.


Dabei könnte ausgerechnet die US-Umweltbehör-


de Epa eine entscheidende Rolle spielen. Sie stuft


Glyphosat weiterhin als gefahrlos ein und hat im


August eine bemerkenswerte Verordnung erlassen:


Danach untersagt die Epa, dass Roundup und an-


dere glyphosathaltige Mittel mit einem Warnhin-


weis zur Krebsgefahr versehen werden müssen.


Die Verordnung ist US-Bundesrecht, an dem sich


auch die Bundesrichter orientieren müssen. Das


könnte Bayer zugutekommen. Eine Entscheidung


im ersten Berufungsverfahren erwarten die Lever-


kusener nun Anfang 2020, wie Baumann sagte.


Gewinnwarnung ist ausgeblieben


Dem Vorstandschef kommt zugute, dass er Bayer


in einer guten operativen Verfassung präsentieren


kann. Eine noch im Juli von Analysten befürchtete


Gewinnwarnung blieb aus. Stattdessen entwickel-


ten sich das Agrargeschäft und die Medizinsparten


im dritten Quartal positiv (siehe nebenstehenden


Bericht). Bayer profitierte im Verkauf von Pflanzen-


schutzmitteln und Saatgut von dem boomenden la-


teinamerikanischen Markt, auf dem Monsanto eine


starke Position hat. Zugleich kommt Bayer laut


Baumann bei der Integration der US-Firma schnel-


ler voran als geplant. 2019 würden bereits Kosten-


synergien von 600 Millionen Euro erzielt.


Die Öffentlichkeit wird sich bei Bayer aber wei-


terhin auf die Entwicklung der Causa Glyphosat fo-


kussieren. An deren Ende, so erwarten Experten,


wird ein wie auch immer gearteter Vergleich ste-


hen. Nach einer Umfrage des Analysehauses Bern-


stein gehen drei Viertel der Investoren davon aus.


Zudem hat der Konzern fast all seine Produkthaf-


tungsfälle auf diese Art aus der Welt geschafft.



Kommentar Seite 22



Wir sehen, dass die


getroffenen


Maßnahmen bei


Consumer Health greifen.


Werner Baumann
Vorstandsvorsitzender
Bayer AG

Regal in einem
Geschäft in
Kalifornien: Die
US-Umweltbehörde
stuft den Unkraut -
vernichter weiterhin
als gefahrlos ein.

AFP

Das Glyphosat-Risiko


DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019, NR. 210


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