Neue Zürcher Zeitung - 09.11.2019

(Ann) #1

2INTERNATIONAL Samstag, 9. November 2019


Derslowakische JournalistJanKuciakwurde imFebruar 2018erschossen. EPA

RücktrittnachJournalistenmord


(dpa)·Einer der bisher mächtigsten
Politiker der Slowakei ist zurückgetre-
ten, weil ihm engeKontakte zum mut-
masslichenAuftraggeber desJournalis-
tenmordes vomFebruar 20 18 vorgewor-
fen werden. Mit seinerRücktrittserklä-
rung kam Parlaments-Vizepräsident
Martin Glvac am Donnerstag einer dro-
henden Amtsenthebung zuvor. Mehrere
Oppositionsparteien hatten eine Son-
dersitzung desParlaments beantragt,
um ihn abzusetzen. Daraufhin stellte
sich auch einTeil derRegierungskoali-
tion gegen ihn.
Der Investigativ-JournalistJan Ku-
ciak und seineVerlobte MartinaKusni-
rovawaren am 21.Februar 20 18 in ihrem
Haus erschossen worden. Als mutmass-

licherAuftraggeber der Bluttat ist der
MillionärMarian K. angeklagt, über
dessen zwielichtige Geschäftspraktiken
Kuciak immer wieder berichtet hatte.
Aus dem Ermittlungsverfahren gegen K.
gelangten in den vergangenen Monaten
immer wiederAufzeichnungen von en-
genKontakten des Angeklagten zu füh-
rendenPolitikern, Staatsanwälten und
Richtern an die Öffentlichkeit, die K.
bestochen haben soll.
Glvac, der auchRegionsparteichef
der Sozialdemokraten für Bratislavaist,
bestritt in seinerRücktrittserklärung
am Donnerstag,K.bei dessen Betrugs-
undKorruptionsaktivitäten unterstützt
zu haben. Er sei Opfer einer politischen
Intrige mit gefälschten Dokumenten.

Johnsonge genKontro llen


fürWarenausNo rdirland


(dpa)·ImVereinigtenKönigreich soll
es nach denWorten von Premierminis-
ter BorisJohnson nach dem Brexitrei-
bungslosen Handel zwischen Nordirland
und demRest desLandes geben. «Es
wirdkeineKontrolle von Dingen ge-
ben, die aus Nordirland nach Grossbri-
tannienkommen», versprachJohnson
bei einem Besuch im nordirischenTan-
dragee. «Wir sind dieRegierung desVer-
einigtenKönigreichs, und wir werden
natürlichkeineKontrollen einführen.»
DieVereinbarung mit der Europäischen
Union zur Nordirland-Frage sei oftmiss-
verstanden worden und hätte besser er-
klärt werden müssen, sagteJohnson. In
Nordirland war kritisiert worden, dass
mit dem vonJohnson ausgehandelten
Vertrag eine Zollgrenze in der Irischen
See zwischen denTeilen desKönigreichs
entstehe.


IN KÜRZE ÖsterreichischerOberst
wegenSpionage angeklagt
(dpa)· Ein mittlerweile pensionierter
Oberst des österreichischen Bundes-
heeres ist wegen Spionage für denrus-
sischen Militärgeheimdienst angeklagt
worden. Der Mann habe rund 25Jahre
lang vor allem Informationen überWaf-
fensysteme weitergegeben, teilte die
St aatsanwaltschaft Salzburg mit. Im
November 20 18 hatten der damalige
Bundeskanzler SebastianKurz (ÖVP)
und seinVerteidigungsminister Mario
Kunasek (FPÖ) die Öffentlichkeit über
die Ermittlungen informiert. Der Hin-
weis auf den Mann kam von einem aus-
ländischen Dienst.RusslandsAussen-
minister SergeiLawrow wies dieVor-
würfe damals zurück. Der Oberst ausser
Dienst soll laut der Anklage Staats-
geheimnisse verraten und vorsätzlich
militärische Geheimnisse preisgegeben
haben. Seit1993 soll der heute 71-Jährige
seinenFührungsoffizier mit Informatio-
nen überWaffensysteme undAufgaben-
stellungen der österreichischenLand-
und Luftstreitkräfte versorgt haben.


EinwändeRusslandsgegen
ukrainischeKlageabgeleh nt
(dpa)· In einem Klageverfahrender
Ukraine gegenRussland hatsich der
Internationale Gerichtshof für zustän-
dig erklärt. Die EinwändeRusslands
wurden vom Uno-Gericht in Den Haag
zurückgewiesen. Die Ukraine wirft
Russland dieFinanzierung von Sepa-
ratisten undWaffenlieferungen in die
Ostukraine vor. Russland hatte da-
gegen eingewandt, der Internationale
Gerichtshof sei dafür nicht zuständig.
Unter anderem argumentierte die russi-
sche Seite, die Ukraine müsse erst einen
ernsthaftenVersuch unternehmen, die
Krise auf demVerhandlungsweg zu
lösen, bevor sie das Gericht anrufe.

MerkelundvonderLeyen
mitBlic kaufBalkan einig
(dpa)· Die deutsche Kanzlerin Angela
Merkel und die designierte EU-Kom-
missions-Präsidentin Ursula vonder
Leyen haben sich erneut für eine EU-

Beitritts-Perspektive für dieWestbal-
kanstaaten starkgemacht. Merkel sagte
amRande eines Besuchs vonder Leyens
in Berlin,diese Beitrittsperspektive – für
Albanien und Nordmazedonien – sei
aus strategischen Gründen wichtig, aber
auch aus Gründen der Migration.Vo n
der Leyen argumentierte ähnlich und
sagte: «Wenn wir sie nichtanuns binden,
tun dies andere.»Vor allemFrankreichs
Präsident Emmanuel Macron hatte sich
jüngst gegen Beitrittsgespräche mit den
beiden Staatengesperrt.

AUFGEFALLEN


Tradition und Moderne in


Budapests Wunderbädern


Ivo Mijnssen, Budapest·DieThermalbäder von Budapest
sind schlicht wunderbar. In ihnen lebt einerömische und türki-
scheBadekultur in imperialer Grandezza weiter, im «Gellert»
mit seinen bunten Kacheln und Putten oder in der palastarti-
gen Anlage des «Szechenyi». «Stadt derBäder» ist lautTou-
ristikernein Übername der ungarischen Hauptstadt. Gern be-
tonen sie auch die fabelhaften Heilkräfte desWassers.
DieThermalbäder sind auch eine wichtigeAttraktion für
Touristen, deren Zahl sich im vergangenenJahrzehnt fast ver-
doppelt hat. Die einst ruhigen Orte desRückzugs aus dem
urbanen Alltag sind deshalb zu ziemlichenRummelplätzen
geworden, und die Leute drängen sich auch in der Neben-
saison in den klarenPools. Budapest tut alles, um deren Anzie-
hungskraft noch zu steigern, etwa mit immer spektakuläreren
«Spartys» – einWort, das sich aus «Spa» und «Party» zusam-
mensetzt.Wachstumsmärkte werden mit grossemAufwand an-
visiert:Das «Szechenyi» war Drehort von «Gemini Man», dem
Blockbuster des chinesisch-amerikanischenRegisseurs Ang
Lee mitWill Smith.Für dasFrühstücksfernsehen in den USA
schlürften die beiden sogar bravheilendesThermalwasser.
Bei so viel touristischem Monumentalkitsch ist es fast be-
ruhigend, dass sich hinter den glänzendenKulissen gewisse
sozialistische Unsitten gehalten haben.So ist die Mieteeines
Badetuchs im «Szechenyi» noch immer eine hochkomplexe
Angelegenheit, die an einem einzigen Schalter imKeller ab-
gewickelt wird. Entsprechend lang sind die Schlangen. Der
Gast hat am Eingang zwar eine Chipkarte am Armband er-
halten, über die theoretisch alleTr ansaktionen erledigt wer-
denkönnten. Doch wenn der ehemalige Ostblock unter dem
Sozialismus eines gelernt hat, ist es, dassPapierverlässlicher
ist als neumodischeTechnik. Deshalb scannt dieresolute ältere
Dame zwar den Chip, wickelt die Zahlungaber parallel dazu
ab. Zusammen mit demTuch erhält der Gast eine Quittung,
die bei derRückgabe unterschrieben und auf einem Stapel
abgelegt werden muss. Die Moral von der Geschicht: Doppelt
gemoppelt hält besser, undTr aditionen verschwinden nicht.

Ex-Ford-Managersoll
US-Energieministerwerden
(Reuters)· Präsident DonaldTr ump hat
den ehemaligen Ford-Manager Dan
Brouillette als neuen Energieminister
nominiert. Er soll die Nachfolge von
RickPerry antreten, der seinenRück-
tri tt aufdasJahresende angekündigt hat.
Brouillette war nach seiner Zeit alsFord-
Vizepräsident für die Energiebehörde im
GliedstaatLouisiana tätig.Erdürfte den
Kurs vonTr ump fortsetzen, dieFörde-
rung von Erdöl, Erdgas sowieKohle zu
steigern und dieRegulierung von Ener-
giefirmen zurückzuführen.

KurdischerBürgermeister
in derTürkeifestgeno mmen
(afp)·InderTürkei ist ein weitererkur-
discher Bürgermeister unter demVor-
wurf vonVerbindungen zur verbotenen
ArbeiterparteiKurdistans(PKK) fest-
genommen worden.Das Stadtoberhaupt
von Ipekyolu, AzimYacan, und seine
Stellvertreterin SehzadeKurt wurden
in Gewahrsam genommen. Ihnen wer-
den Propaganda und Mitgliedschaft in
einerTerrororganisation vorgeworfen.

Todei nesSt udentenheizt
Stimmungin Hongkongan
(dpa)· Der tödliche Sturz eines Studen-
ten von einemParkhaus hat in Hong-
kong erneut Proteste ausgelöst. Hun-
derte Menschen schlossensichamFrei-
tag einem spontanen Protestmarsch
gegenPolizeigewalt an.Auch an ande-
ren Orten in der chinesischen Sonderver-
waltungszone kam es zuKundgebungen
und Mahnwachen. Obwohl nicht geklärt
ist, warum der 22-jährige Student in den
Tod stürzte, machten die Demonstranten
diePolizei dafür verantwortlich.

Türkei, Emirateund
JordanienbewaffnenLi byer
(dpa)· Der Bürgerkriegin Libyen wird
laut Uno-Experten durch illegaleWaf-
fenlieferungen aus derTürkei, denVerei-
nigten Arabischen Emiraten undJorda-
nien angeheizt. Ein vertraulicher Bericht
derVereinten Nationen gelangt zum
Schluss, dass dieLänder «routinemässig
und manchmal unverhohlen»Waffen
an die beiden Kriegsparteien schickten.
Damit würden diese das geltendeWaf-
fenembargo der Uno unterlaufen. Zu-
dem erhielten sowohl die internatio-
nal unterstützteRegierung desLandes
als auch dieTr uppen ihres militärischen
Gegenspielers, General Khalifa Haftar,
militärischeAusrüstung und technische
Unterstützung. Das geht aus dem noch
vertraulichen Expertenbericht an den
Uno-Sicherheitsrat hervor, dessen Zu-
sammenfassung von der DeutschenPres-
se-Agentureingesehen wurde.

BurkinaFasoordnetnach
AnschlagStaatstraueran
(dpa)· Nach einem Angriff auf einen
Firmenkonvoi mit 38Toten hat Burkina
Faso eine dreitägige Staatstrauer ausge-
rufen. Unbekannte hatten am Mittwoch
einenKonvoi aus fünf BussenmitBe-
schäftigten des kanadischen Goldprodu-
zenten Semafo im Osten des westafrika-
nischenLandes angegriffen, wie Präsi-
dentRoch Marc Kaboré mitteilte. Laut
demKonzern wurden die Busse von Sol-
daten eskortiert. Es seienkeine Kana-
dier unter denTodesopfern.AusRespekt
für die Opfer und um die Sicherheit zu
garantieren, sei die Arbeit in dem betrof-
fenen Bergwerk ausgesetzt worden.

ZÜRICH –SIHLPORTE
AUCHINGENF –LAUSANNE
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