Neue Zürcher Zeitung - 09.11.2019

(Ann) #1

Digitalisierung


Smarte Städte produzieren Big Data mit Risiken


Smart Citys versprechen die intelli-
genteVerwaltung der Infrastruktur und
die Optimierung der Lebensqualität in
wachsendenBallungszentren, in denen
laut Studien bis 2050 zwei Drittel der
Bevölkerung leben wird.Der Begriff
ist weit gefasst und subsumiert diverse
Anwendungsszenarien von der intel-
ligentenVerteilung und Nutzung von
Ressourcen über dasParkplatz- und
Mobilitätsmanagement bis zurKom-
munikation zwischen Bürgern und der
Regierung. St. Gallen hat 2018 ein Smart
CityLab als Innovationsplattformge-
startet, in diesemFrühling gründete
Basel mit den SBB ein Smart CityLab,
und Zürich hat Ende 2018 eine Smart-
City-Strategie mit den Schwerpunk-
ten Mobilität, Digitalisierung derVer-
waltung und smartePartizipation fest-
gelegt.Für die intelligenteVernetzung
von Menschen, Organisationen und
Infrastrukturen erstellt Zürich ein eige-
nes Long-Range-Funknetz.


Ohne Daten keine Smartness


«Das wirtschaftliche Potenzial von
Smart Citys ist riesig und wird durch
eine möglicheKonvergenz mit Smart-
Home- und Smart-Building-Techno-
logien noch weiter erhöht», schreibt
AndrewPaice in einemArtikel für die
Schweizerische Akademie derTechni-
schenWissenschaften.Paice ist Leiter
des iHomeLab der Hochschule Luzern,
das seit über zehnJahren über vernetzte
Gebäude und intelligentes Energie-
management forscht.Im Gespräch weist
der Wissenschafter neben dem grossen
Potenzial auch auf die Hürden hin.«Was
die technische Machbarkeit von Smart
Citys angeht,sehe ichkein Problem.»
Long-Range-Funknetze, 5G und Sen-


soren mit langer Betriebszeit seien für
die diskutierten Lösungen ausreichend.
Als kritischeFaktoren für den Erfolg
sieht AndrewPaice andereAspekte: die
Partizipation der Bürger, die vom Nut-
zen der vernetzten Stadt überzeugt wer-
den müssen, und denDatenschutz.
Für Smart Living, intelligentes Ener-
giemanagement und Smart Citys sam-

melt nämlich das Internet der Dinge
(IoT) über eineVielzahl von Sensoren
laufend Informationen. AndrewPaice:
«DieDigitalisierung erfasst alles, was
wir tun. Der Umgang mit diesenDaten
ist deshalb einKernthema.»
Dieses darf nicht unterschätztwer-
den, denn immer mehrAnwender bauen
eine Abwehrhaltung gegen das grassie-

rende Datensammeln auf. Zürich ist
sich der Problematik bewusst und ver-
spricht imWerbevideo zur Smart City,
dass beimAustausch und bei der Nut-
zung derDatenschutz und die Selbst-
bestimmung über Nutzerdaten höchste
Priorität hätten.
Der Wissenschafter AndrewPaice
votiert für die Anonymisierung der er-
fasstenInformationen: «Daten zu sam-
meln, die nicht anonymisiert sind, ist
per se gefährlich.»Tendenziellkönnten
alle Daten gehackt werden. Anwender
geben schon heute viel über sich preis.
Eine smarte Stadt generiert je nachAus-
gestaltung noch einVielfaches an weite-
ren personalisierten Informationen.Der
Bogenreicht vom persönlichen Energie-
verbrauch über die Mobilität via auto-
mat ischesTicketing bis zu gesundheit-
lichenDaten beim Einsatz vonTele-
medizin. Der die Privatsphärerespek-
tierende Umgang mit dieserDatenspur
muss bei der Planung übergeordnete
Priorität haben, wenn das vielverspre-
chende Projekt der intelligenten Stadt
der Zukunft nicht Schiffbruch erlei-
den will.Was BigData und dieAuswer-
tung mit maschinellem Lernen anrich-
ten kann, ist ja spätestens seit demFall
Cambridge Analytica nicht mehr bloss
ein Szenario vonPessimisten.Der Dieb-
stahl vonFacebook-Daten und deren
Einsatz für die Beeinflussung der US-
Wahlen hat die Dimension neuer Risi-
ken aufgezeigt, wennDaten in falsche
Hände geraten.
Laut Paice sehen einige Experten
den Einsatzvon Blockchain-Verfah-
ren als mögliche Lösung für die sichere
Verwaltungder Daten, bei der der An-
wenderdie Kontrolle behält. Er ist aber
skeptisch, ob die Nutzer bereitsind,

ihre Daten selber zu verwalten. Schon
seit Jahren weisen Spezialisten auf
die Sicherheitsrisiken im IoT hin.Das
Thema interessiert nun auch den Bund,
der beim iHomeLab der Hochschule
Luzern eine Studie über die Sicherheits-
ri siken im IoT inAuftrag gegeben hat.
Handlungsbedarf konstatiert auch
der Verband Smart City HubSwitzer-
land, dem gut einDutzend Städte sowie
die SBB, die Post und dieSwisscom an-
gehö ren. ZumThema Datenschutz für
smarte Städte undRegionen hält der
Verband nüchtern fest: «Eine passende
Lösung für eine zukunftsfähige,daten-
schutzkonforme Smart City-(Daten-)
Infrastruktur fehlt in der Schweiz zum
jetzigen Zeitpunkt noch.»
Der gläserne Haushalt
Die Erarbeitung eines sicherenDaten-
managements ist nicht trivial, und sie
eilt.Dennan einigen der vielen Mosaik-
steine der Smart City wird bereits fleis-
sig gebaut, wie etwa das Projekt Smart
Meter zeigt. Gemäss dem 2018 revidier-
ten Energiegesetz und der angepassten
Stromversorgungsverordnung werden in
der Schweiz flächendeckend alle mecha-
nischen Stromzähler gegen Smart Meter
ausgetauscht.Bis Ende 2027 sollen in 80
Prozent der Haushalte und Unterneh-
men intelligente Strommesssysteme
installiert sein. Statt einmal imJahr lie-
fert der Smart Meter alle15 Minuten
dieVerbrauchsdaten.Dies illustriert bei-
spielhaft dieVorteile und die Risiken der
Innovation:Das Elektrizitätswerk er-
hält für dasLastenmanagement aktuelle
Daten, zugleich erlaubt derDatenfluss
theoretischdetailliertesteRückschlüsse
über dieAnwesenheit von Bewohnern.
Claude Settele

Samstag, 9. November 2019 6


DANIELSTOLLE

EineVeranstaltungvon Partner

NZZASIALIVE


Seit seiner UnabhängigkeitvonGrossbritannien imJahr 1957 hatMalaysiadenWesten mit
hohenWachstumsraten undrascherModernisierungbeeindruckt.Beider Bewältigung der
Wirtschafts- und Finanzkrise1997galt das LandgaralsVorbild.Fürinternationale Investoren,
vorallemausHightech-Branchen, hatMalaysiaindenvergangenenJahren immer mehr an
Bedeutunggewonnen. Zuletzt allerdingssorgte unter anderem die grassierendeKorruption für
Unmutbeider Bevölkerung.Derweltweit grössteKorruptionsskandal umdenmalaysischen
Staatsfonds 1MDB führteimFrühjahr 2018 zu einemRegierungswechsel und erhitztnach wie
vordieGemüter.MahathirMohamad,derMalaysiaschonvon1 981 bis 2003 regierte,istseitMai
wieder Ministerpräsident.Wiesind die Chancen, dass das Land die Krisebewältigt?

ManfredRistdiskutiertmit ClareRewcastle Brown, die den 1MDB-Skandalaufdeckte,und
BridgetWelshüberKorruptionsowie die ZukunftvonMalaysiaundSüdostasien.

Datum
Montag,25.November2019
18.30bis20.00Uhr
mitanschliessendemApéro

Ort
NZZ-F oyer,Falkenstrasse11,8008Zürich

Spra che
DieVeranstaltungfindetin
englischerSprachestatt.

Eintritt
AbonnentenpreisFr.40.–
NormalpreisFr.50.–

Anmeldung
nzz.ch/live
0442581383

Korruption undpolitischeUmwälzungen:


Wohinsteuert Malaysia?


Diskussionsteilnehmerinnen Moderation

ClareRewcastleBrown
Investigat ivjournalistinund
GründerindesOnline-Portals
«SarawakReport»

ManfredRist
Südostasien-Korrespondent
der«NeuenZürcherZeitung»

BridgetWelsh
Politikwissenschafterinam
UniversityofN ottinghamAsia
Resear chInstituteMalaysia
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