Der Stern - 30.10.2019

(やまだぃちぅ) #1
Ein zweites
Album, und wieder
rätselt der Hörer so
manches Mal, in
welcher Rolle dieser
Faber jetzt wieder
singt. Der Schweizer kriecht in
frem-de Gedankenwelten, singt von
besorgten Bürgern und geldgeilen
Instagrammern. Seine Lyrik ist reifer
und politischer geworden. Sie packt
zu, verdutzt, hat Witz – etwas, was
der Großteil des deutschsprachigen
Radiopops nicht hat. Und wird in
mitreißende Arrangements gewickelt.
Vielleicht ist das auch Songwriter-
pose. Aber wenigstens eine, die nicht
einfach nur gefallen will. 22222

SONGWRITER


Ihr gefiel nicht der
Vorname, den die
Mutter ihr gegeben
hatte; sie liebte ihre
Geige, nicht aber
die klassische Aus-
bildung. Also nahm Brittney Sparks ihr
Instrument, zog von Cincinnati nach
Los Angeles und nannte sich fortan
Sudan Archives. An der Westküste
lud sie sich Musik-Apps auf ihren Lap-
top und suchte, inspiriert von afrika-
nischer Volksmusik, zu elektronischen
Rhythmen nach neuen Klängen auf
ihren vier Saiten. Mit 25 Jahren ver-
öffentlicht sie jetzt ihr erstes Album,
es heißt „Athena“, klingt nach Folk,
manchmal nach R & B – und es ist der
zarteste Pop der Saison. 22222

POP


Viele Lieder
lassen sich der-
zeit singen über
den Niedergang Groß-
britanniens. The Kinks
haben dies schon vor 50
Jahren gemacht. Auf
„Arthur (Or the Decline
and Fall of the British
Empire)“ erzählen sie von
einem Mann, der verblass-
ter Glorie hinterher-
trauert. Vor drei Jahren
waren es viele alte weiße
Männer, die sich nach der
Vergangenheit sehnten und
für den Brexit stimmten.
Die Wiederveröffent-
lichung des Albums passt
bestens in die Zeit –
und sie bietet großartige
Musik zwischen Beat und
Rock ’n’ Roll.

FOTO: OLIVIA ROSE

den Durchbruch mit ausschweifendem
Soul im Stil der frühen Siebziger. Das Eti-
kett „retro“ nimmt er als Kompliment.
Bevor er für sein neues Album ins Stu-
dio ging, hörte er wieder Musik aus der Ver-
gangenheit. „Da haben sich die Musiker
mehr getraut: lange, wilde Stücke gespielt
und sich nicht in ein Drei-Minuten-Sche-
ma pressen lassen“, sagt Kiwanuka. Zur Sei-
te standen ihm auch diesmal die selben
Musiker sowie der Produzent Brian Joseph
Burton, bekannt als Danger Mouse. Nicht
verwunderlich, dass „Kiwanuka“ klingt wie
der zweite Teil seines Erfolgsalbums „Love
& Hate“. Musste er sich für den Vorgänger
noch lange quälen, so ging ihm die neue
Musik leicht von der Hand, sagt er und
lacht leise: „Manchmal habe ich mich ge-
fragt, ob ich um die Kunst nicht mehr
kämpfen müsste.“ Alf Burchardt

D


as Cover zeigt ihn farbenprächtig
in königlicher Robe, und als Titel
soll diesmal sein Nachname rei-
chen. Es hat eine Weile gedauert,
bis Michael Kiwanuka, heute 32
Jahre alt, sich so selbstbewusst ge-
ben konnte. In der Schule führten die Leh-
rer ihn unter seinem Vornamen; als er den
ersten Plattenvertrag unterschrieb, fragte
das Label, ob er sich nicht einen Künstler-
namen suchen wollte – immer wieder war
das ugandische Kiwanuka zu fremd. „Nun
aber wollte ich meine Herkunft betonen“,
sagt er. „Ich wollte zeigen, dass ich stolz auf
mich und meine Wurzeln bin.“
Kiwanuka kam in London zur Welt. Er
träumte von einer Karriere als Jazzgitar-
rist, doch nach einem entmutigenden
Zwischenzeugnis an der Royal Academy of
Music schlug er sich erst einmal als Sessi-
ongitarrist durch. Nebenbei trat er mit sei-
ner Gitarre in Pubs und kleinen Clubs auf.
Für ein erstes Album als Singer-Songwriter
bekam er 2012 viel Anerkennung, ein zwei-
tes ließ lange auf sich warten und brachte

Kiwanukas
Superlied
„Cold Heart“
lief auch
im Vorspann
der Serie „Big
Little Lies“

Der Sänger Michael Kiwanuka spinnt den Soul
seines Erfolgsalbums lässig weiter

Der Retro-Meister


Der warme, opulente Soul
steht „Kiwanuka“ weiterhin
ausgezeichnet 22222

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