Der Stern - 30.10.2019

(やまだぃちぅ) #1

Film


„Good Bye, Lenin!“, „Das Leben der
Anderen“, „Bornholmer Straße“ – es
sind schon viele Filme zum Mauerfall
gedreht worden. Komödien, Dramen,
Satiren. Heute, im Jahr 2019, jährt
sich das deutsch-deutsche Großer-
eignis zum 30. Mal. Natürlich gibt es
einen neuen Wendezeit-Film dazu.
„Wir erzählen den wirtschaftlichen
Zusammenbruch der Diktatur“, so


Autorin und Produzentin Gabriela
Sperl. Sie hat sich die Geschichte der
Familie Bohla ausgedacht. Die Perso-
nen sind Fiktion, stehen aber stell-
vertretend für viele Schicksale in den
letzten Jahren der DDR. Da ist Mut-
ti Bohla (Angela Winkler, gr. Foto,



  1. v. r.), die an der Partei und ihren
    Werten unbedingt festhalten will.


Wendefi lm zum Jubiläum


Drei Fragen an Regisseur


Michael Krummenacher


In „Preis der Freiheit“ geht es um große Geschäft e und


persönliche Schicksale in den letzten Jahren der DDR


Dreiteiler


Das ist ganz im Sinne ihrer ältesten
Tochter Margot (Barbara Auer, r.),
die eine steile Karriere in der Partei
gemacht hat. Ihre Schwester Lotte
(Nadja Uhl, 2. v. l.) hat einen Buch-
laden und beginnt, das System zu
hinterfragen. Die jüngste Schwester
Sylvia (Nicolette Krebitz, l.) ist in den
Westen geflohen und musste ihre
beiden Kinder zurücklassen.

Also doch ein „ganz normales“ Fa-
miliendrama mit zeittypischen Ein-
zelschicksalen? Nicht ganz. „Der
Preis der Freiheit“ ist mehr. „Wir
erzählen, wie der Westen die Schwä-
chen des Systems wirtschaftlich für
sich ausnutzte. Und wir erzählen die
,kleinen Leute‘, die das irgendwann
nicht mehr wollen“, so Sperl.

Margot arbeitet in einer Behörde
namens „Kommerzielle Koordinie-
rung“. Kurz: KoKo. Hier werden
Devisen für den bankrotten Staat
beschafft: mit Waffengeschäften, Er-
lösen aus dem Häftlingshandel mit
der BRD oder mit der Entsorgung von
Westsondermüll im Osten.
Staatssekretär Schalck-Golodkowski
(im Film gespielt von Thomas Thie-
me) hatte ein Schattenimperium er-
schaffen, dessen Ausmaße sich erst
nach der Wende enthüllten, wie die
Doku zum Film beschreibt (Montag,
nach Teil 1, 21.55
Uhr). Mit über 220
Tarnfirmen und
mehr als 1000 Bank-
konten funktionierte
die Devisenbeschaf-
fung der DDR. Dabei
gingen die Genossen
nicht zimperlich mit
der eigenen Bevöl-
kerung um. Kunst-
sammlern, die ihre
Schätze nicht an die
„KoKo“ verkaufen
wollten, wurde schon einmal mit der
Einweisung in eine Nervenklinik ge-
droht. Sperls Hoffnung: „Nur wenn
wir geschehenes Unrecht adressie-
ren, über das hartnäckig geschwie-
gen wird, werden wir Versöhnung
finden und die Wende feiern können
als das, was sie wirklich war: das
Ende eines Unrechtssystems.“

Was war für Sie als Regisseur
mit Schweizer Wurzeln der
besondere Reiz am Filmprojekt?
„Preis der Freiheit“ ist ein Famili-
endrama, das von den politischen
und wirtschaftlichen Beziehungen
zwischen Ost und West beeinflusst
wird. Im Zentrum steht eine uner-
hörte Geschichte um Macht und
Geld mit starken ambivalenten
Figuren. Diese Verbindung war es,
die mich reizte. Da ist meine Her-
kunft erst einmal zweitrangig.

Sie waren zur Wendezeit
noch ein Kind. Haben Sie
einen persönlichen Bezug
zu dem Thema?
Ich lebe mittlerweile schon seit
über zehn Jahren in Deutschland,
und sehr vieles, was wir heute po-
litisch erleben, hat seine Wurzeln
immer noch in der Wendezeit.
Insofern ist mein Bezug zu der Ge-
schichte von „Preis der Freiheit“
sicherlich stark im Jetzt verankert
und mehr eine Ursachensuche als
eine Erinnerung an diese Zeit.

Was war Ihnen bei der
filmischen Umsetzung wichtig?
Viele historische Filme schrecken
mich ab. Da wird zwar vorder-
gründig alles richtig gemacht und
toll ausgestattet, man wird aber
den Eindruck nie los, dass man in
einem Museum steht. Eine Welt zu
schaffen, die sich lebendig an-
fühlt, für den Zuschauer „be-
gehbar“ wird, war von An-
fang an mein höchstes Ziel.
Ein historischer Film, der
sich nicht behäbig-nos-
talgisch, sondern mo-
dern anfühlt.

Fotos: ZDF | Text: A. Herden | Interview: H. Pulpitz

So
20.15
ZDF

Inga Lindström:
Ausgerechnet Söderholm
Pfiffige Provinzromanze

Auch Margots Gatte Paul
(Joachim Król) hadert mit
dem System

Michael
Krummen-
acher,
Schweizer
Regisseur
und Dreh-
buchautor

Thomas Thieme (l.,
mit Oliver Masucci)
spielt „Schalck“


4


Mo
20.15
ZDF

Preis der Freiheit (1)
Die Teile zwei und drei am
Dienstag und Mittwoch
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