Der Stern - 30.10.2019

(やまだぃちぅ) #1

FOTO: AFP


ENDE EINER JAGD


„Er starb wie ein Hund. Er starb
wie ein Feigling.“ Mit finsterer
Miene und voller Genugtuung
verkündete US-Präsident
Donald Trump am Sonntag den
Tod Abu Bakr al-Baghdadis.
In der Nacht zuvor hatten US-
Spezialeinheiten den Anführer
der Terrororganisation „Isla-
mischer Staat“ (IS) in einem
Gebäudekomplex in Nordwest-
syrien gestellt. Laut Trump
hatte sich al-Baghdadi, um
seiner Ergreifung zu entgehen,
mit einer Selbstmordweste in
einem Tunnel in die Luft
gesprengt und drei Kinder mit
in den Tod gerissen. Er habe
die Operation vom „Situation
Room“ aus live mitverfolgt,
sagte der US-Präsident. „Es war,
wie wenn man einen Film
anschaut.“ Der Aufstieg des 1971
geborenen al-Baghdadi zum
Anführer des IS, der mehrere
Jahre lang ein Territorium
mit Millionen Einwohnern und
einer Fläche von der Größe
Belgiens kontrollierte, war die
wohl spektakulärste Karriere
in den Annalen des islamisti-
schen Terrorismus. Sie begann
2004, als al-Baghdadi – damals
ein unbekannter Aufständi-
scher – im US-Haftlager „Camp
Bucca“ im Irak einsaß. Unter
Aufsicht seiner amerikani-
schen Bewacher knüpfte er
hier erste Kontakte zur späte-
ren IS-Führungsriege. Die
Besatzer erkannten die Gefahr
nicht und entließen ihn nach
Monaten aus der Haft. Ob die
Welt durch al-Baghdadis Tod
ein „viel sicherer Ort“ gewor-
den ist, wie Trump sagte, bleibt
fraglich. Sein Ende ist eine
symbolische Niederlage. Doch
bis heute verfügt der IS über
mehr als 15 000 aktive Kämp-
fer. Zehntausende weitere
IS-Anhänger vegetieren in
Gefängnissen im Irak und in
Syrien dahin, Hunderttausen-
de Sunniten hausen in Flücht-
lingslagern und zerstörten
Städten. Überall dort wird
al-Baghdadis Ideologie seinen
Tod überdauern.

SYRIEN

30.10.2019 13
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